Ein Reförmchen

Frauenquote Das neue Gesetz ist Elitenfeminismus, wenn sich nicht auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern. Mit Schwesigs Vorschlag für eine 32-Stunde-Woche etwa
Ausgabe 11/2015
Denkfehler der Quote (Schwesig): Mächtige Frauen setzen sich nicht automatisch für Frauenrechte ein (Merkel)
Denkfehler der Quote (Schwesig): Mächtige Frauen setzen sich nicht automatisch für Frauenrechte ein (Merkel)

Foto: Metodi Popow/Imago

Sektflaschen aufgemacht und Gläser rausgeholt: Die Quote ist beschlossen und eigentlich wäre das ein Grund zum Jubeln. Knapp 40 Jahre nachdem Frauen qua Gesetz auch ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten dürfen, sollen sie nun offiziell Einzug halten in die Führungsetagen in Deutschland. Vergangene Woche beschloss der Bundestag die von Familienministerin Manuela Schwesig hart erkämpfte Frauenquote.

Unterm Strich heißt das mehr Macht für Frauen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Für die meisten Frauen wird die Quote zunächst nichts bringen. Nur rund 100 börsennotierte Unternehmen müssen ab 2016 30 Prozent Frauen in die Aufsichtsräte holen. Gelingt das nicht, bleiben die Stühle leer. Weitere 3500 Unternehmen müssen eine Quote auch auf Vorstandsebene einführen. Wie hoch sie ist, dürfen sie selbst entscheiden, Sanktionen sind nicht vorgesehen. Die Quote gilt also nur für eine verschwindend geringe Zahl von Frauen. Elitenfeminismus für jene, die ohnehin schon in wirtschaftlich starken Positionen sitzen. Mehr Gleichberechtigung bedeutet die Quote auch deshalb nicht, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unverändert bleiben. Nach wie vor sind es vor allem Frauen, welche sich über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen müssen. Sie sind es, die eher Zuhause bleiben. Sie sind es, die weniger verdienen, und sie sind es, die fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten mit kostenloser Familienarbeit auffangen. Bei nur 13 Prozent der Paare ist die Frau die Hauptverdienerin. Die Erwerbstätigkeit von Müttern mit einem Kind unter drei Jahren liegt bei einem knappen Drittel. Bei Vätern sind es über 80 Prozent.

Wesentlich effektiver als die Quote wäre deshalb der Vorschlag, den die Familienministerin Anfang des Jahres machte: Eine 32-Stunden-Woche für junge Eltern, die ihnen für ein paar Jahre eine staatlich unterstützte „Familienarbeitszeit“ ermöglichen sollte. Lohnausgleich für Kinderbetreuung: Das wäre gewissermaßen das Gegenstück zur Quote, weil sie Frauen aus der Falle der Doppelbelastung befreien könnte. Weil sie ihnen nicht mehr, sondern weniger Arbeit in Aussicht stellen würde. Da die Familienarbeitszeit für Frauen und Männer gedacht ist, könnten sich junge Familien die Arbeit von Familie und Job gleichberechtigter aufteilen. Frauen, die sich für eine Vollzeitkarriere entscheiden, können das ja trotzdem tun.

Wer aber glaubt, dass mehr Arbeit (die ein Job in einer Chefetage mit sich bringt) auch automatisch mehr Zufriedenheit bedeutet, hat vor allem die Leistungsgesellschaft und nicht das Wohl der Frauen im Blick. Entsprechend laut wurde Schwesig für ihre Idee von Wirtschaft und konservativen Politikern abgewatscht.

Schwesig hofft, dass die Quote der richtige Weg ist, um die Old-Boys-Netzwerke in der Wirtschaft zu durchbrechen. Das ist richtig. Aber zu glauben, dass Frauen sich zwangsläufig auch für Frauenrechte einsetzen, ist ein Irrtum. Prominentestes Beispiel: Angela Merkel. Ob die Quote tatsächlich einen tiefgreifenden Kulturwandel bewirkt, wie Schwesig hofft, wird sich deshalb erst noch zeigen müssen. Die Ministerin prescht unterdessen beherzt weiter vor und wirbt bereits für ein Entgeltgleichheitsgesetz, um die Gehaltslücke zwischen Mann und Frau zu schließen. Wenn sie dann auch noch kurz innehält und einen Blick zurückwirft auf die Familienarbeitszeit, könnte es wirklich etwas werden mit der Geschlechtergerechtigkeit.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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