Finde die Tussi

Bücherkalender Selbstkritik am Feminismus muss manchmal sein. Dafür das Bild der männerhassenden, eitlen und dummen Frau herauf zu beschwören, aber nicht. "Tussikratie" tut es trotzdem

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Finde die Tussi

Foto: jokebird/photocase

Feminusmuskritik muss manchmal sein – auch, wenn das für alle jene, die sich für den Feminismus engagieren, unangenehm sein kann. Andersherum sind provokative Beiträge aus den eigenen Reihen (wenn es so etwas wie die "eigenen Reihen" gibt) nicht völlig überflüssig, weil sie Debatten anregen – gesehen in den vergangenen Tagen auf Zeit Online. Das eröffnet dann Räume für Gegenstimmen und die Möglichkeit, die eigene Argumentation zu schärfen. Ohne Abgrenzung funktioniert eine sozialpolitische Bewegung nicht – gesehen bei diversen Querfrontveranstaltungen der letzten Monate.

Wenn jedoch die Feminismuskritik umschlägt in den Wunsch nach der Widerherstellung einer regressiven Ordnung, wünscht man sich bei aller Debattenfreudigkeit eine große Mülltonne, in die man jene Beiträge werfen kann. Das Buch Tussikratie – Warum Frauen nichts falsch und Männer nichts richtig machen können ist ein solcher Fall.

Die Autorinnen sind angetreten, um etwas gegen den "Grabenkampf" der Geschlechterdebatte zu tun – denn sie wollen den Feminismus leben, aber nicht so, wie er ist. Die Debatte über Gleichberechtigung dürfte nicht instrumentalisiert werden für die individuellen Karrierewünsche, die oft dahinter stünden. Einverstanden. Dass Ungleichheit nicht mit Ungleichheit ausgeglichen werden kann, ist ein nachvollziehbares Argument. Aber kurze Frage: Wo genau finden wir denn die Frauen mit den immensen Vorteilen? Die Frau, die "alles wollen und einfordern darf"? Ich habe sie noch nicht gesehen. Genauso wenig den profeministischen Mainstream, vor dem die Tusskratie-Autorinnen warnen.

Den beiden Autorinnen geht es da offenbar anders. Die männerhassende Frau, die in großen Schritten auf ihre Bevorteilung zueilt, haben sie Tussi genannt. "Sie will so etwas wie die hegemoniale Tussigkeit". Das Einzige, was ich sehe, ist, wie zwei akademisch gebildete Frauen in großen Schritten auf die Wiederbelebung eines tumben und stereotypen Geschlechtsbilds der Frau zurennen: der rachsüchtigen, männerhassenden, eitlen, dummen Frau. Willkommen im 20 Jahrhundert! Elitenfeminismus zu kritisieren, ist richtig. Zu behaupten, Elitenfeminismus ist kurz davor, die Weltherrschaft zu übernehmen, ist realitätsfremd. Dazu reicht ein Blick auf die Ereignisse dieses Jahres. Frohe Weihnachten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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