Gerüchteküche deeskalieren

Flüchtlingsproteste Das Camp am Oranienplatz in Berlin hat den Winter überstanden, eine Räumung ist nicht absehbar. Aber es gibt Konflikte mit der Nachbarschaft – so wie gestern Abend

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"Camp am Oranienplatz wird gerade von Polizei mit Schlagstöcken angegriffen. Kommt da hin wenn ihr könnt, jetzt. " Das konnte man gestern Abend gegen 22 Uhr auf Twitter lesen. Innerhalb kurzer Zeit kursierten auf dem Kurznachrichtendienst Informationsschnipsel über eine Messerattacke, Pfeffersprayeinsatz der Polizei und die Räumung der Dresdner Straße.

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Heute Morgen war dann am Oraniencamp die Stimmung ruhig und friedlich, einige sitzen in der Sonne. Am Infozelt erfährt man auf Nachfrage, dass am Abend während eines Streits einer der Flüchtlinge von einem Anwohner mit einem Messer attackiert wurde. Ansonsten dürfe man Twitter nicht zu ernst nehmen, es kursierten dort schnell Falschmeldungen – etwa, es handele sich um einem Angriff der "Grauen Wölfe", Mitglieder einer rechtsextremen türkischen Partei. Wie genau es nach dem Streit zu der Eskalation zwischen den Aktivisten am Oraniencamp und der Polizei gekommen war, werde man heute in Gesprächen versuchen, zu verstehen.

Auch ein anderer Tweet, der schon Parallelen zum #GeziPark heraufbeschworen hatte, war zu voreilig. Die Genehmigung des Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg Franz Schulz für das Campieren am Oranienplatz gelte selbstverständlich weiterhin.

Der Zwischenfall zeigt indessen eine ganz andere Seite des Refugeecamps auf. Das Camp, Wohn- und wichtiger Organisationsort vieler Aktivisten, ist zu einem Dauerprovisorium geworden, einem festen Bestandteil der Kreuzberger Stadtkulisse. Das behagt nicht jedem. Offensichtlich ist es schon in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten mit der Nachbarschaft gekommen, es soll Beschwerden gegeben haben, das Camp blockiere den Platz als öffentlichen Raum. Der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner, Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg, hatte vor kurzem ähnliche Töne angeschlagen.

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Warum die Polizei, welche zum Schutz des Angegriffenene gerufen wurde, jedoch mehrere Personen festnahm und unverhältnismäßig hart durchgriff, erschließt sich allerdings nicht. Für heute um 17 Uhr ist eine Demo gegen rassistische Attacken auf Geflüchtete und den rassistischen Polizeieinsatz im Refugee Protest Camp angekündig. Gleichzeitig erinnern die Aktivisten an die vielen Unterstützer und solidarischen Nachbarn. Der angegriffene Refugee ist inzwischen glücklicherweise wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Deeskalation – das wird heute, wo in der Stadt ohnehin alles im Zeichen des Obama-Besuchs steht, sicherlich die günstigste Strategie sein.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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