Heidi Klum, mein Lieblingsfeindbild

Fernsehen Degradierend, reaktionär, sexistisch – eigentlich gehört „Germany´s Next Topmodel“ aus dem Programm gestrichen. Warum eine Feministin es trotzdem schaut
Ausgabe 08/2015
Authentisches Unwohlsein: Wolfgang „Wolle“ Joop gibt auch diese Staffel wieder den einfühlsamen Sidekick
Authentisches Unwohlsein: Wolfgang „Wolle“ Joop gibt auch diese Staffel wieder den einfühlsamen Sidekick

Foto: Jakob Hoff/Imago

Schönheit ist nie harmlos, sagt die Künstlerin Pipilotti Rist. Und so werden, während Pro7 wieder die Bildermaschine anschmeißt, bereits die Scherben aufgesammelt. Die Bildermaschine produziert gerade die zehnte Staffel von Germany’s next Topmodel. Um das Scherbenaufsammeln kümmert sich eine Kampagne der Initiative PinkStinks, die gegen Sexismus in der Werbung kämpft: #keinbildfürHeidi. Sie weist darauf hin, dass mehr als ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren Symptome einer Essstörung zeigen. Übertrieben kann man das kaum nennen, wenn man zur ersten Ausstrahlung vergangene Woche wieder einmal sehen konnte, mit welcher Gewissenhaftigkeit minderjährige Mädchen die Show verfolgen. Seit sie sieben sei, sagte da eine Teilnehmerin. Catwalk geübt, Posen studiert, Bauch flach trainiert. Dagegen gibt es kaum solche, die noch mit schlechtem Englisch auffallen oder schüchtern vor der Kamera herumwackeln. Zehn Staffeln haben die heranwachsenden „Mädels“ geschult für eine saubere, leistungsoptimierte Show. Und wir alle, die wir die Köpfe schütteln über die Angepasstheit dieser jungen Frauen, machen mit, weil wir für eine bestimmte Quote sorgen. Und wahrscheinlich eine elfte Staffel.

Tut mir leid, PinkStinks. Ich finde eure Kampagne super und Heidi Klum bescheuert. Trotzdem werde ich donnerstags wieder einschalten. Weil ich nicht rauskomme aus dieser Schönheitskiste, weil Ästhetik in einem steckt wie ein Widerhaken, runtergeschluckt mit der Sozialisation. Ich liebe die „Umstyling-Folge“, jedes Mal. Guilty pleasure. Es gibt allerdings einen kleinen Trost: Wer ganz genau hinschaut, kann manchmal ein bisschen Widerständigkeit entdecken. Mädchen, die heimlich Pommes essen (ja, da gab’s Ärger, und Jurycowboy Thomas Hayo gehört dafür selbst in ein veganes Yogazentrum verbannt). Und dieses Jahr einen jungen schwulen Mann, der bildhübsch mit einem vorbildhaften Selbstbewusstsein zum Casting kam. Genug, um die irritierte Heidi Klum in all ihrer reaktionären Bräsigkeit zu entlarven und Wolfgang Joop seine Brillanz als Sidekick ausspielen zu lassen (Schönheit sei nun mal nicht geschlechtsspezifisch, sagte der).

Bei der New Yorker Fashion Week ist 2015 zum ersten Mal ein Model mit Trisomie 21 gelaufen. Nicht, dass Heidi Klum das erlauben würde. Aber während ich ihr so zuschaue, kann ich mich darüber aufregen, dass sie es nicht tut. Feindbilder schärfen ja manchmal den Blick.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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