Mit Recht gegen Sexismus

Diskriminierung In Belgien sollen sexistische Äußerungen künftig mit Haftstrafen geahndet werden. Der Gesetzesentwurf ist gefährlich vage formuliert. Trotzdem ist er richtig
Ausgabe 14/2014
Ganz so drastisch sieht es der Rechtsausschuss des belgischen Parlaments nicht
Ganz so drastisch sieht es der Rechtsausschuss des belgischen Parlaments nicht

Foto: Scott Barbour/ AFP/ Getty Images

Kann man Sexismus verbieten? Ja, findet der Rechtsausschuss des belgischen Parlaments. Er hat vor zwei Wochen einen Gesetzentwurf der Innenministerin Joëlle Milquet abgesegnet, mit dem Äußerungen und Handlungen bestraft werden können, „welche Menschen gezielt auf Grund ihres Geschlechts als minderwertig diskriminieren, oder sie auf ihre Sexualität reduzieren und damit ihre Würde verletzen“. Durch bis zu 13 Monate Haft sowie Geldbußen für Übeltäter sollen vor allem Frauen stärker geschützt werden. Das ist absurd – und doch notwendig.

Absurd, weil der Entwurf vorsieht, auch schriftliche Äußerungen in der Öffentlichkeit oder in privaten Personenkreisen zu bestrafen. Darunter fallen auch diskriminierende Äußerungen im Netz. Wie aber soll die weltweite Massenkommunikation durch nationales Recht reglementiert werden? Wenn ich in Deutschland von einem belgischen Blogger beleidigt werde, muss ich vor einen belgischen Gerichtshof ziehen, um ihn zu verklagen? Und man denke an die überschäumenden Kommentarstränge der Medienwebseiten und Blogs – wie soll diese Masse bewältigt werden?

Fundamentale Kritik kam bereits von der Universität Löwen im belgischen Flandern. Deren Direktor sowie der Leiter des zugehörigen „Zentrums für Diskriminierungsgesetze“ kamen in der Washington Post zu einem vernichtenden Urteil. Vage und überflüssig sei der Entwurf. Durch seine ungenaue Formulierung gefährde er das Recht auf freie Meinungsäußerung – vor allem, weil er nicht nur für Einzelpersonen gilt, sondern für ganze Personengruppen. Das ergibt eine Reihe fragwürdiger Konsequenzen. Nicht mehr gesetzeskonform sind dann in Belgien etwa auch: die Bibel, eine ganze Reihe Werke von Gangsterrappern und ein Großteil der Literatur. Der Entwurf sei zudem überflüssig, denn Gesetze gegen Beleidigungen und Stalking gebe es bereits.

Ist das Problem also gar nicht die Rechtslage, sondern nur die Umsetzung? Dass das rechtliche Ideal, das Frauen (und gelegentlich auch Männer) vor Sexismus schützen soll, der Wirklichkeit weit hinterherhinkt, steht außer Frage. Ich zumindest kenne keine Frau, die schon einmal vor Gericht gezogen ist, weil ihr nachts auf dem Nachhauseweg „Fotze“ hinterhergeraunt wurde. Ich kenne umgekehrt aber auch kaum eine Frau, der das noch nicht passiert ist.

Auch wenn es gut gemeint ist: Das belgische Konzept ist eine unausgegorene Reaktion auf ein bekanntes Phänomen. Die Filmstudentin Sofie Peeters hatte 2012 mit ihrem Film Femme de la Rue daran erinnert, als sie den drastischen Alltagssexismus auf den Straßen in Brüssel zeigte. Andererseits: Zu betonen, dass Gesetze allein auch nichts an gesellschaftlichen Mustern verändern könnten, wird auf Dauer auch nichts ändern. Macht wird nie freiwillig abgegeben. Ohne Druck und drohende Strafen wird es nicht gehen.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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