Party verschoben

Sexuelle Gewalt Für die feministische Szene ist die Verschärfung des Sexualstrafrechts ein Fortschritt. Doch eine überraschende Änderung sorgte dafür, dass keine Feierlaune aufkommt
Ausgabe 28/2016
Ernüchterung nach der beschlossenen Verschärfung des Sexualstrafrechts
Ernüchterung nach der beschlossenen Verschärfung des Sexualstrafrechts

Foto: Christan Mang/Imago

Wirkliche Feierlaune wollte unter den feministischen Aktivistinnen nicht aufkommen, nachdem der Bundestag der Verschärfung des Sexualstrafrechts zugestimmt hatte. Auch wenn Expertinnen vermuten, dass die Verschärfung nicht allzu häufig zur Anwendung kommen könnte, ist die gesellschaftliche Signalwirkung zwar unbestritten. Die Grenzen werden neu gezogen – und das bedeutet: mehr Schutz für Frauen.

Ein Änderungsvorschlag, der erst kurz vor der Abstimmung von der Großen Koalition vorgelegt worden war, sorgt aber für Unmut. Die Verschärfung soll auch auf das Aufenthaltsgesetz angewendet werden sowie ein kollektiver Straftatbestand für Gruppen eingeführt werden. Konkret heißt das: Sexuelle Übergriffe können für Asylbewerber zur schnelleren Abschiebung führen. Das Asylrecht wurde ohnehin im März verschärft. Es ist eine Reaktion auf die Silvesternacht in Köln. Das #ausnahmslos-Bündnis feministischer Aktivistinnen reagierte mit einer deutlichen Kritik, ebenso Linken-Abgeordnete wie etwa Halina Wawzyniak.

„Das Überschreiten eines Nein ist nun strafbar, wird aber doppelt geahndet, je nachdem, welche Staatsbürgerschaft der Täter hat. Es sind zwei Schritte vor und einer zurück. Ich fühle mich verraten, weil dieser Kuhhandel eingegangen wurde“, sagte #ausnahmslos-Mitinitiatorin Jasna Strick dem Freitag. Zeit zum Verhandeln blieb durch die kurzfristige Änderung nicht mehr. Problematisch ist vor allem die dahinterstehende Logik: Sexuelle Übergriffe werden – wie auch in der „Nach-Köln“-Debatte – in einem bestimmten Milieu verortet. Grapschen, belästigen, vergewaltigen, das ist ein Problem der Anderen, Migranten, Asylbewerber.

Ein ähnliches Signal senden übrigens die Berichte dieser Tage, die die strafrechtlichen Folgen von Köln sezieren. 1.200 Opfer, nur rund 120 Täter, die meisten Taten werden wohl ungesühnt bleiben, meldete der Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Willkommen in Deutschland 2016. Mit ernsthaftem Interesse hätte man vergleichbare Zahlen auch schon vor der Silvesternacht und auch vor der sogenannten Flüchtlingskrise recherchieren können. Auch aus deutschen Haushalten heraus.

Die Last-Minute-Änderung der Gesetzesverschärfung lädt zum Generalverdacht ein und ist Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Die Doppelbestrafung fördert Vorurteile. Und mal ehrlich, ist es verhältnismäßig, jemanden in lebensbedrohliche Länder abzuschieben, weil er eine Frau begrapscht? Oder anders gefragt: Was spricht dagegen, ihn genauso zu bestrafen wie alle anderen auch? Helfen tut die Doppelbestrafung den betroffenen Frauen kaum. Im Gegenteil: Da Übergriffe häufig im privaten Umfeld stattfinden, könnten Frauen eher davor zurückscheuen, zur Polizei zu gehen, wenn gleich die Abschiebung droht.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden