Sorry, LeserInnen

Sprache Lesen Sie ruhig weiter, Sie schaffen das. Aber das Binnen-I muss jetzt mal sein
Ausgabe 25/2015

In dieser Kolumne breche ich eine Freitag-Regel. Wir gendern nicht. Heißt, wir benutzen in der Zeitung kein Binnen-I, keinen Unterstrich, keine *Sternchen, um anzuzeigen, dass bei einer Gruppenbezeichnung Frauen und andere Geschlechter mitgemeint sind. Ich sehe das ambivalent. Will man mit seiner Sprache anschlussfähig bleiben und nicht die Hälfte der LeserInnen vergraulen (lesen Sie ruhig weiter, Sie schaffen das), ist es sinnvoll, sich dem Mainstream anzupassen. Trotzdem bin ich eine große Verfechterin des Binnen-I und verwende es privat. Jetzt gibt es eine neue Studie, die mich weiter darin bestärkt und – sorry Textchef, sorry geschätzte Leserschaft – dieser ganze Text ergäbe gar keinen Sinn, würde ich ihn nicht gendern.

PsychologInnen der Freien Universität Berlin konnten nun nachweisen, inwiefern geschlechtergerechte Sprache unser Rollenverständnis beeinflusst. Dass Sprache die Macht hat, Realität zu verändern, ist sprachwissenschaftlich keine neue Erkenntnis. Aber die einfache Versuchsanordnung des Experiments wird vielleicht manch eine/n KritikerIn überzeugen. 500 GrundschülerInnen sollten Berufe bewerten, in denen der Frauen- oder Männeranteil mit mindestens 70 Prozent überwiegt. Die Berufsbezeichnungen wurden ihnen entweder in beiden Geschlechterformen oder nur in männlicher Form präsentiert. Das Ergebnis: Kinder, denen die weibliche und männliche Form der Begriffe gezeigt wurden, trauten sich eher zu, diese Berufe zu ergreifen. Wermutstropfen: Laut Studie liegt das vor allem daran, dass mit der Verwendung der weiblichen Formen männlich konnotierte Berufe als weniger wichtig und weniger schwierig wahrgenommen werden als nur mit männlicher Form.

Wenn es aber einen Zusammenhang gibt dazwischen, wie oft wir Mathematikerinnen sagen und wie viele Mädchen gern Mathematik studieren wollen, oder wie oft wir Kosmetiker sagen und wie viele Jungs eine Kosmetikausbildung beginnen – wie kann man und frau dann behaupten, gegenderte Sprache sei einfach zu hässlich, um sie zu verwenden? Wenn die Art, wie wir reden und schreiben, Stereotype abbauen kann, sollten wir das gefälligst nutzen. Zugespitzt könnte man sagen, Lann Hornscheidt hat alles richtig gemacht. Geschlechtergerechte Sprache kann sperrig sein, unpraktikabel und meinetwegen auch manchmal nerven. Ich behaupte aus eigener Erfahrung: alles eine Sache der Gewöhnung. Finden Sie diesen Text jetzt weniger seriös, weil er gegendert ist? Willkommen im Durchschnitt. Aber Sie können etwas dagegen tun.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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