In Memoriam Zoran Djindjic

Kommentar Präsidentschaftswahl in Serbien

Nach der ersten Runde dieses Votums dürften im Westen die Alarmglocken schrillen: Tomislav Nikolic von der Radikalen Partei ist mit über 30 Prozent in der Pole Position für die Stichwahl am 27. Juni. Ein Populist, ein Nationalist, ein Demagoge, ein Rechtsradikaler, ist zu hören; kein Wunder, da er doch nur ein Zögling des in Den Haag einsitzenden Parteigründers Vojislav Seselj sei.

Und was sagt der rotbraune Beelzebub? Vielleicht: Der Westen solle sich in Bezug auf das Kosovo endlich von seinen "multikulturellen Illusionen" verabschieden? Würde die so genannte internationale Gemeinschaft die Minderheiten auf dem Amselfeld nicht endlich vor dem albanischen Terror schützen, müsse er eine "interne Grenze" in der Provinz ziehen und zum Schutz seiner Landsleute "tausend oder wenigstens ein paar hundert" serbische Soldaten dorthin schicken. Zweifellos, das klingt in den Ohren nicht nur der deutschen Öffentlichkeit wie großserbische Propaganda; doch all das hat nicht Tomislav Nikolic gesagt. Es ist vielmehr Originalton des Lieblings der Friedrich-Ebert-Stiftung, des Männerfreundes von Beziehungsmakler Hunzinger und des Empfängers eines leibhaftigen Bambi aus der Hand von Angela Merkel - es sind die Worte von Zoran Djindjic, des ersten serbischen Premierministers nach dem Sturz von Slobodan Milosevic.

Djindjic wollte sein Land in die EU und die NATO führen, die Filetstücke seiner Industrie an westliche Großkonzerne verhökern. Seine Tragödie: Er wollte Serbien verkaufen, aber der Westen wollte alles nur geschenkt. Selbst der minimale Preis, den der "balkanische Kennedy" erflehte, war den Mächtigen in Berlin, Brüssel und Washington zu hoch. Die für die Auslieferung Milosevics zugesagten Milliarden kamen nie in Belgrad an, sondern landeten bei westlichen Banken - zur Tilgung von Schulden, die teilweise noch Tito gemacht hatte. Und die Soldaten der KFOR sahen zu, wie albanische Terroristen im Kosovo auf serbische Bewohner schossen. In dieser Situation, zu Beginn des Jahres 2003, appellierte Djindjic mit den oben zitierten Aussagen vor allem an seine deutschen Freunde und wurde prompt als "neuer Milosevic" beschimpft.

Isoliert von den Paten, die ihn nach oben gebracht und gestützt hatten, war er am 12. März 2003 ein leichtes Ziel. Egal, wer das Attentat auf ihn ausgeführt oder angeordnet hat; der Westen hatte Djindjic schon zuvor aufgegeben.

Deswegen sollten die Büchsenspanner in Frankfurter, Hamburger und Berliner Redaktionsstuben noch einmal nachdenken, bevor sie sich auf den "Nationalisten Nikolic" einschießen. Sie mögen vor allem der Umstände gedenken, die die Radikalen innerhalb von wenigen Jahren von einer Splitter- zu einer Mehrheitspartei werden ließen. Nicht allein der serbische Nationalismus, sondern vor allem der westliche Imperialismus ist das Problem.


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