Verwickelt in Folterpraktiken

BND-Untersuchungsausschuss Offizielle Stellen in Washington und Pullach können schweigen - aber wichtige Zeugen werden aussagen müssen

Ganz so hatte man sich in Pullach die Fünzigjahrfeier des deutschen Geheimdienstes nicht vorgestellt: Am selben 11. Mai, als Kanzlerin Angela Merkel auf der offiziellen Geburtstagsfete in Berlin dem Jubilar Bundesnachrichtendienst ein Kränzchen flocht, kam der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu seiner ersten Arbeitssitzung zusammen. Das von den Oppositionsparteien einberufene Gremium soll die Rolle des BND im Zusammenhang mit CIA-Aktivitäten im Irakkrieg klären. Am nächsten Tag kam auch noch zutage, dass die Pullacher Behörde bis in die jüngste Zeit Journalisten nicht nur bespitzelt, sondern auch fürs Bespitzeln anderer bezahlt hat. Dies ergibt sich aus einem Dossier, das der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) ausgearbeitet hat. Die Süddeutsche Zeitung referierte Auszüge. Für einen Teil der Fälle ist August Hanning verantwortlich, der den Geheimdienst knapp sieben Jahre führte - bis Anfang Dezember 2005. Prompt forderte die FDP seinen Rücktritt als Staatssekretär des Innern.

Während diese Causa weiterhin hinter verschlossenen Türen im PKG verhandelt wird, das nun immerhin eine Veröffentlichung des Berichts beschloss, vernimmt der BND-Untersuchungsausschuss die Zeugen coram publico. Allerdings sollte man nicht darauf wetten, dass die Befragungen so spannend sein werden wie im letzten Jahr beim Visa-Untersuchungsausschuss. So hat der Ausschuss-Vorsitzende Siegfried Kauder bereits betont, dass er nicht die Pflicht habe, offene Fragen aufzuklären. Da die Opposition die Enquete durchgesetzt habe, müsse sie sie selbst vorantreiben. Damit interpretiert der CDU-Mann seine Rolle ganz anders als der Vorsitzende des letztjährigen Untersuchungsausschusses: Hans-Peter Uhl (CSU) hatte sich 2005 auch persönlich mächtig ins Zeug gelegt, um der rot-grünen Regierung Fehler bei der Erteilung von Visa nachzuweisen. Gegen einen Bremser wie Kauder können sich die Vertreter der drei kleinen Parteien nur durchsetzen, wenn sie sich auf gemeinsame Anträge zur Ladung von Zeugen oder zur Zulassung von Fernsehkameras einigen.

Außerdem darf der Ausschuss auf keine nennenswerte Unterstützung von den US-Behörden rechnen. Das ist verständlich, denn der BND sitzt zwar auf der Anklagebank - aber durchweg wegen möglicher Hilfsdienste für die CIA. Deutsche Stellen mögen bei der Verschleppung Terrorverdächtiger assistiert haben, Gefangenen-Transporter überflogen das Territorium der Bundesrepublik und benutzten hiesige Flughäfen, deutsche Beamte profitierten von Foltergeständnissen oder waren vielleicht - wie der geheimnisvolle "Sam" im Entführungsfall des Neu-Ulmers Khaled el Masri - selbst an Verhören beteiligt. Schließlich könnten zwei Bagdader BND-Agenten im Frühjahr 2003 sogar Bombenziele für die US Air Force ausspioniert haben. Aber so schwerwiegend solche Verstöße gegen Grundgesetz und Völkerrecht auch sein mögen: Sämtliche Vergehen, die man dem deutschen Geheimdienst nachweisen könnte, sprächen noch weitaus stärker gegen seinen Auftraggeber, den US-amerikanischen.

Einen Vorgeschmack von den Schwierigkeiten, auf die Ausschussmitglieder in Washington stoßen werden, gab eine Delegationsreise von 13 Mitgliedern des CIA-Untersuchungsausschusses des Europaparlaments Anfang Mai. Zu Präsident George W. Bush und Außenministerin Condoleezza Rice wurden sie gar nicht erst vorgelassen, bei deren Rechtsberater John Bellinger trafen sie auf eine "Mauer des Schweigens", wie der Ausschussvorsitzende Claudio Fava beklagte. Zu den Meldungen über CIA-Geheimgefängnisse in Osteuropa verweigerte Bellinger schlicht jeden Kommentar.

Bislang ist nur ein einziges dieser Gefängnisse zweifelsfrei lokalisiert, und zwar die "Detention Unit" auf dem US-Stützpunkt Camp Bondsteel im Kosovo. Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarates, Alvaro Gil Robles, berichtete Ende letzten Jahres über eine Inspektion der Basis im September 2002: "Und dort sah ich tatsächlich Gefangene in einer Situation, die der, die man von Fotos aus Guantánamo kannte, absolut ähnlich war." Zur Zeit seines Besuches gab es 15 Internierte. "Die meisten waren Kosovo-Albaner oder Serben, vier oder fünf waren Nordafrikaner. Einige trugen Bärte und lasen den Koran." Auch Amnesty International hatte bereits im Jahr 2002 drei Fälle dokumentiert, in denen Terrorverdächtige in Bondsteel "durch Isolationshaft und Schlafentzug misshandelt" worden sind.

Der UN-Ombudsmann im Kosovo, Marek Nowicki, beklagte im Dezember 2005, die "rechtlosen Zustände" in Bondsteel dauerten "bis März 2004 ..., möglicherweise aber bis heute" an. Offiziell existiere das Gefängnis zwar nicht mehr, aber da dies nicht von unabhängiger Seite überprüft werden könne, bleibe ein Verdacht bestehen, sagte Nowicki. "In Wahrheit haben wir keine Ahnung, was dort vor sich geht."

Die Darstellung der US-Armee, das Bondsteel-Gefängnis unterstehe der NATO-geführten Kosovo-Besatzungstruppe KFOR und nicht dem Pentagon oder der CIA, wird von keiner Seite bestritten. So wurde auch Robles bei seiner Inspektion im Jahre 2002 vom damaligen KFOR-Oberbefehlshaber, dem Franzosen Marcel Valentin, begleitet. Aber auch die Bundeswehr stellte in zwei längeren Perioden das Oberkommando für die internationale Truppe: Vom Oktober 1999 bis zum April 2000 in Person von General Klaus Reinhardt, von Oktober 2003 bis August 2004 in Person von General Holger Kammerhoff.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages könnte beide vorladen und sie zu ihrem Wissen über bzw. ihre Verantwortung für die genannten Zustände befragen. Im Unterschied zu Bürgern anderer Staaten - zum Beispiel zu CIA-Angestellten - müssen sie der Ladung Folge leisten.


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