Wer ist der Gegner?

Die Bundeswehr im Kongo Die Einsatzplanung des Verteidigungsministers bleibt eine überzeugende Exit-Strategie schuldig

Bis vor kurzen hieß es immer, Deutschland dürfe keine Soldaten verweigern, wenn es zu Hilfe gerufen werde. In Somalia 1992 und in Bosnien 1995 wurde auf Anfragen der UNO verwiesen, im Kosovo 1999 praktizierte man "humanitäre Nothilfe" im Auftrag der NATO, nach dem 11. September 2001 "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA. Wer aber will, dass die Deutschen ihr Militär in den Kongo schicken? Es gibt keine Entschließung des UN-Sicherheitsrates, die NATO ist nicht beteiligt, und selbst Washington übt dieses Mal keinen Druck aus. Die Europäische Union beschloss zwar ein 1.500 Mann starkes Kongo-Interventionskorps, aber außer Frankreich und Deutschland will bis dato kaum ein Mitgliedsstaat mehr als symbolische Kontingente dafür stellen. Last not least: Der kongolesische Staatschef Joseph Kabila hat dem EU-Angebot, mit diesen Soldaten die bereits im Land befindlichen 17.000 UN-Blauhelme zu verstärken und so die Wahlen am 18. Juni zu sichern, zwar zugestimmt - aber erst nach langem Zögern und hartnäckiger diplomatischer Bearbeitung. Angefordert hat er die "brüderliche Hilfe" jedenfalls nicht.

Neben einem Auftrag fehlt vorzugsweise eine Strategie. Um mit dem Simpelsten zu beginnen: Wer ist der Gegner? Extremisten hinter Kabila? Sezessionisten mit Rückendeckung aus Ruanda oder Uganda? Kindersoldaten? Diamantenjäger? Im Bürgerkrieg der vergangenen Dekade starben fast zwei Millionen Menschen. Da sind noch viele Rechnungen offen - und die Bundeswehr könnte mittendrin sein, sollten sie beglichen werden. Oder doch nicht? Laut Verteidigungsminister Franz Josef Jung soll die Bundeswehr den Einsatz zwar führen, aber nicht mit eigenen Kampftruppen vor Ort sein - die sollen von den Franzosen eingeflogen werden.

Zur Besänftigung der Kritiker hat Jung wenigstens versprochen, den Risiko-Einsatz auf vier Monate zu begrenzen. Beruhigen kann das nicht: Ähnliche Einladungen zu einem befristeten Ausflug haben in der Vergangenheit regelmäßig in einen Sumpf geführt, aus dem es kein Entrinnen gab: In Bosnien-Herzegowina stehen Bundeswehr-Einheiten seit mittlerweile elf Jahren und haben als Teil der EUFOR sogar das Kommando von den US-Amerikanern übernommen; im Kosovo stellt Deutschland seit 1999 die stärkste Abteilung für die Besatzungstruppe KFOR; am Hindukusch wurden sowohl das Mandat wie die Mannschaftsstärke der Bundeswehr in den vergangenen zwei Jahren Zug um Zug aufgestockt. Eine Exit-Option ist in allen drei Fällen nicht in Sicht.

Auch bei der angekündigten Mission in Zentralafrika wird von den Büchsenspannern in den Regierungsparteien schon heftig über mögliche Ausweitungsoptionen nachgedacht. So fordert der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose statt der anvisierten 1.500 glatt doppelt so viel Soldaten, die robust durchgreifen und im Falle von Unruhen nach den Wahlen auch länger bleiben müssten. Es "kann nicht sein, dass es zu Tötungen kommt, und unsere Truppe steht beiseite und macht nichts," intonierte Klose eine Melodie aus dem Evergreen A white man´s burden. Auch sein Fraktionskollege Hans-Peter Bartels kritisierte eine Terminierung des Einsatzes, den er quietschfidel als "internationalistisches Engagement" pries: "Die Festlegung, dass sich Europa zurückzieht, falls es zum Bürgerkrieg kommt, wäre das falsche Signal." Mittlerweile hat auch der zuständige Minister seine Befristung mit einer Fußnote versehen: Der Kongo-Auftrag der EU-Truppe sei erst erfüllt, "wenn nach den Wahlen auch erfolgreich eine Regierung gebildet sei". Das könne möglicherweise mehr als vier Monate in Anspruch nehmen, aber auch in kürzerer Zeit vonstatten gehen.

Das Powerplay der Bundesregierung ist so unverschämt und das Ziel des Militärintervention so dubios, dass sich mittlerweile auch in den eigenen Reihen Widerstand regt. Laut CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer haben mindestens ein Drittel der Bundestagsabgeordneten der Unionsparteien "massivste Vorbehalte", selbst Edmund Stoiber soll zu den Skeptikern gehören. In der SPD ist es der konservative Seeheimer Kreis, der den gesunden Menschenverstand verteidigt. "Das wäre so, als würden sie 750 Soldaten in Lissabon landen und sagen, damit würden sie ganz Westeuropa stabilisieren", höhnt dessen Sprecher Johannes Kahrs über die Einsatzplanungen. Die entschiedenste Ablehnung äußert neben der Linksfraktion die FDP. Guido Westerwelle wirft der Bundesregierung Verfassungsbruch vor, weil sie im EU-Rat bereits Ende März Zustimmung zur Kongo-Intervention signalisierte, obwohl der Bundestag nicht vor Mai eine Entscheidung fällen soll. "Wir haben eine Parlamentsarmee, keine Regierungsarmee", meint der liberale Frontmann mit Blick auf das Grundgesetz.


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