Seit Wochen ist die PEGIDA ein Thema, ich kann mich nicht entscheiden, ob es mir zu den Ohren herauskommt oder ob ich mich bewusst weiter damit beschäftigen will.
Auf der einen Seite will ich nicht ernst nehmen, was ich sehe, lese, höre. Die Interviews mit Abendspaziergängern, natürlich ausgesucht diejenigen, bei denen man entweder vor Scham im Boden versinken oder laut lachen möchte. Dass Menschen tatsächlich eine Islamisierung befürchten, kann ich nicht glauben. Kann ich nicht ernst nehmen. Ich versuche mir ihre Sprache zu übersetzen, denke, sie sind nichts anderes als Globalisierungsgegner, was ihnen nur niemand gesagt hat.
Zu glauben, die Politiker haben sich mit der Presse und nebelumwobenen Geheimdiensten verbündet, es scheint so lachhaft. Aber eine Aufklärung ist nicht möglich. Kritische Kommentare auf der PEGIDA-Seite werden regelmäßig entfernt, vorher mit Totschlagargumenten bekämpft, untermauert mit Links zu erfolgten Terroranschlägen und dem Vorwurf, naiv zu sein, ein Gutmensch, ein Antifa. Es wird auf das Positionspapier verwiesen, ich habe es mehrfach gelesen, was soll darauf geantwortet werden? Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem Positionspapier und dem, was die Leute wirklich wollen, wie sie auftreten.
Ich glaube, es hat sich Wut angestaut, die mit der WM 2006 in Deutschland vielen erst aufgefallen ist. Die Freude darüber, mit Deutschlandfahnen durch die Straßen zu fahren war gleichzeitig etwas Erlösendes für viele. Stolz auf sein Land sein zu dürfen, damit haben wir nicht viele Erfahrungen. Die deutsche Erbsünde ist fühlbar. Für jeden. Und wurde dann besonders deutlich, als wir uns gefeiert haben, unseren Fußball. Die Frage ist nur, wen wir jetzt verantwortlich machen sollen. Wer ist denn schuld an alldem? Die Pegida ist sauer auf die Gutmenschen, weil sie in ihnen die Schuld dafür sehen, dass man nicht offen sagen darf, dass deutsch sein ein Grund ist, stolz zu sein. Auf die Antifa, die sie sogleich als Nazis bezeichnet. Es schwingt ein Neid auf andere Länder mit. Wieso darf man in Frankreich rassistischer sein als bei uns, warum dürfen die Dänen nationalistisch sein? Warum darf die Schweiz nur Menschen hereinlassen, die was mitbringen? Was an einen riesigen Sandkastenstreit erinnert, ist schon ewig und drei Tage ein typisches Stammtischthema. Sätze die mit "Wenn man nur mal ausspricht, was alle anderen denken..."anfangen und mit "aber hier darf man ja nicht laut seine Meinung sagen, ohne gleich ein Nazi zu sein." enden. Männer beim Skat.
Nun, Globalisierungsgegner hin oder her, sie haben einen Gewinn durch social media, ihr Stammtisch ist mittlerweile um 150.000 Menschen größer geworden.
Ich würde ihnen gerne den Mund verbieten, ich fühle mich wie die Mutter eines schlecht erzogenen Kindes, aber alle haben schon gemerkt, dass es meins ist.
Das ist nur ein Gefühl, keine politische Forderung. Weil ich ein naiver Gutmensch bin.
Ich will ihnen aber nicht den Mund verbieten, weil ich mich bedroht fühle, sondern weil ich nicht wahrhaben will, was ich eigentlich schon weiß. Das entgegen dem, was offziell für Deutschland und deutsch-sein steht, nämlich demokratisch, bunt, liberal, vielleicht ein bißchen träge und kuschelig, wir ein Land sind, in dem es wie in vielen anderen auch eine nicht unerhebliche Menge an Menschen gibt, die keinen Bock auf Unbekanntes und Fremdes haben.
Die der Meinung sind, hier geboren zu sein, müsse deutliche Vorteile mit sich bringen gegenüber dem, der hier zugewandert ist. Ich habe es nicht gerne, ich würde gerne glauben, wir seien ein ausschließlich tolerantes Land, aber diese Zahlen lassen sich nicht leugnen, egal was mit Pegida passiert, es wird sie weiter geben, die Menschen, die die Dinge anders sehen als ich.
Dass dies ausgerechnet mit dem Islam verknüpft ist, halte ich einerseits für einen Zufall, andererseits auch nicht verwundernswert. Wenn ich nun wieder die Mutter dieses ungezogenen Kindes namens PEGIDA wäre, so würde ich ein Fernsehverbot erteilen. Ich würde all die Geheimdienstserien verbieten und die Filme, in denen immer islamistische Terrorattentäter die Bösen spielen müssen. Wer zu viel "Homeland" gesehen hat, kann nur noch Angst vor dem Islam haben. Wer hier nicht zwischen der Realität und Fiktion unterscheiden kann, verwickelt sich in Verschwörungstheorien. Seht euch Nazifilme an. Nach einer Woche bekommt man Angst vor Deutschen. Man stellt sie sich vor wie Menschen, die sadistisch sind, die einen Spaß daran haben, andere erst zu erniedrigen und dann zu erschießen, Menschen in grau gekleidet. Ich leugne nicht, dass Terror passiert, ich leugne nicht, dass ich selbst große Angst habe vor der Willkür und der Unberechenbarkeit dieser Anschläge. Aber sich in Angst hineinzusteigern hat noch niemandem was gebracht. Wenn ich etwas über den Islam wissen will, spreche ich mit Moslems, lese im Koran. Dann suche ich keine Antworten in Hollywood.
Ich kann das Gegenüberstellen dieser Religionen nicht tolerieren, ich halte uns Deutsche nicht für besonders christlich. Ich frage mich, was gemeint ist mit abendländischer Kultur? Was greift unsere "abendländische Kultur" denn an? Die Moslems, die ich kenne, praktizieren ihren Glauben immerhin, ich kenne kaum Christen, die das tun. Die Kirchen sind nur an Weihnachten gefüllt, vielleicht auch an Ostern, Weihnachten ist ein Fest der Demut, der Bescheidenheit, eine Zeit, in der zwei Menschen mit nichts durch die Weltgeschichte wandern mussten, um in einem Stall ein Kind zu bekommen. Die gefüllten Geschäfte zur Weihnachtszeit und die Überlastung der Post sprechen nicht dafür, dass wir das besonders christlich angehen. Unser Umgang mit Kommerz, mit Fernsehen, mit Geld, unsere Wertschätzung und unser Konsumverhalten verwischt christliche Werte und abendländische Kultur, zwingt diejenigen, die an diese Werte glauben, achtsam zu sein und sich stark abzugrenzen, zu disziplinieren. Berufliche Anforderungen, Druck, das Gefühl, funktionieren zu müssen, Angst vor der Rente, Sorgen unserer Zeit. Und glaubt wirklich irgendjemand bei der PEGIDA, dass diese Probleme verschwänden, wenn die Politik dieses Positionspapier umsetzen würde?
Oder wenn es keine Moscheen in Deutschland geben würde?
Meine Gedanken hierzu haben mich nicht weiter gebracht, ich weiß immer noch nicht, ob ich es lohnenswert finden soll, sich mit der PEGIDA auseinanderzusetzen.
Als es noch ein kleiner Stammtisch mit Skatspielenden Männern war, hat mir ja auch schon keiner zugehört.
Kommentare 11
Mir geht es ähnlich. Allerdings bezweifle ich, daß man diese Demonstranten einfach so als rechtsradikal ausgrenzen kann, und halte das auch nicht für sachgerecht.
Die Meinung der Bevölkerung ist den Regierenden in wesentlichen Punkte völlig schnuppe: Afghanistan, Kriegseinsätze, "notleidende" Banken, Bonuszahlungen, Rußlandpolitik, Wohnungspolitik/Mieten, elitärer Reichtum - ließe sich fortsetzen. Es ist denen einfach sowas von egal, in meinen Kopf geht das nicht rein. Das spottet jeder Beschreibung, und dann laufen diese Figuren mit Krawatte und Fummel von Brioni über unsere Flachbildschirme. Nee, versteh das einer.
Und Linke? Die debattiert Fragen der Rechtschreibung, wenn es um Männlein und Weiblein geht, blöder geht's wirklich kaum. Ach so, und wichtig sind Quoten für, man denke, für Aufsichtsräte. Tja, wenn das die Probleme sind, die diese Gesellschaft bewegen.
Muß man sich nicht weiter wundern, wenn all diese offenbar in entlegenen Wolkenkuckucksheimen geführten Debatten plötzlich ratzfatz auf den Boden geholt werden durch Leute, von denen niemand so genau weiß, woher sie kamen und die - das halte ich für wichtig festzustellen - im Prinzip politisch orientierungslos sind. Daß da schräge Vögel mitlaufen, sowas gibt's überall, muß man eben abwarten, heute ist ja wieder was angesagt.
Das ZDF beschreibt in den Nachrichten die Leipziger Demonstranten, die als Ableger der Dresdner "gegen die Islamisierung des Abendlandes demonstrieren". Was soll man dazu sagen? "Islamisierung des Abendlandes" als Fakt formuliert.
Nein, sie bekommen gar nicht mehr mit, wie ihnen die Verfügbarkeit über die eigene Sprache entgleitet. Frau Gerster ist ja nicht blöd. Nur daß sie nicht weiß, was sie redet bzw. abliest.
Ein guter Text. Viele wichtige Fragen. Geht mir auch so.
Dies muß noch.
Gab vorhin noch ZDF-News. "Deutschland ist attraktiv. Deutschland zieht so viele Menschen an wie seit Jahren nicht mehr." O-Ton Nachrichtentext. Dann de Maziere: "Deutschland zeigt sich als attraktives Land für Zuwanderung."
Über derartig triumphalistische Gesänge kann man sich nur wundern. Das sind Wanderungen zum großen Teil aus den östlichen EU-Ländern, auch aus südlichen EU-Nationen, beruhend auf dem Elend, das die Austeritätspolitik Merkelscher Prägung im Süden und Osten der EU verursacht.
Und die Versachlichung, die durch den Terminus "Immigration" entsteht, ist einfach zum Kotzen. Es handelt sich um Menschen, die verlassen ihre vertraute Umgebung, einst hieß es: Heimat, aus materieller Not, vielleicht mit dem Vorsatz, aus dem reichen Deutschland - hahaha - Beträge zurück zu überweisen, die haben völlig falsche Vorstellungen von der gnadenlosen Ausbeutungsmühle und den "attraktiven" Arbeitsmöglichkeiten, die sie erwarten. Entsprechend verläßt über die Hälfte auch bald wieder dieses "Land ihrer Träume".
Aber Frage muß erlaubt sein. Nicht "Lügenpresse"? Nein?
Läuft man als Journalist oder als Politiker so völlig realitätsblind durch die Gegend? Oder dahinter steckt eben doch Absicht, wissentliche Täuschung, böswillige Verlogenheit.
ZDF nebst de Maiziere zeigen sich, darauf läuft's hinaus, als loyale Vertreter einer Corporate Identity der Firma Exportweltmeister; das ist dann ganz im Sinne des thatcherschen Diktums, daß es heutzutage grundsätzlich gar keine Gesellschaft mehr gebe.
Eine neue Bewegung steht schon in den Startlöchern:
Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas
Dass sie jedoch mediale Unterstützung bekommen, ist nicht anzunehmen. Dafür sind sie zu konkret - und das geht gar nicht^^
Rassistische und revisionistische Kommentare werden gelöscht.
DAFÜR stehen wir ein:
1. FÜR den sofortigen Austritt der BRD aus der NATO!
2. GEGEN das Abhören und Ausspionieren privater Daten europäischer Bürger!
3. KEIN Fracking auf europäischen Boden!
4. FÜR ein ENDE des ständig ansteigenden Wachstums- und Konsumwahns!
5. GEGEN die Vergiftung unserer Lebensmittel durch Monsanto, Nestlé, und Co.!
6. EIN ENDE der Ausbeutung der 3. Welt, FÜR fairen Handel!
7. FÜR freie und neutrale Medien, GEGEN Kriegshetze!
8. FÜR die sofortige Aufhebung der Russlandsanktionen!
9. GEGEN TTIP, TISA, CETA usw.! Freihandelsabkommen dienen nur den Großkonzernen!
10. FÜR Frieden, Einhaltung des Völkerrechts und sofortiges Ende des Drohnenkrieges!
11. FÜR ein stabiles und faires Finanzsystem sowie deutsche Goldreserven auf deutschem Boden!
12. FÜR die Erforschung/Entwicklung/Förderung freier und erneuerbarer Energien!
13. FÜR den Stopp der Krankmacherei und Abzocke durch die Pharmalobby und Klinikkonzerne!
14. FÜR ein souveränes und neutrales Deutschland, Friedensvertäge und Abzug der Besatzer!
15. FÜR direkte Demokratie, Volksentscheide und eine Regionalisierung! Gegen Zentralismus!
16. FÜR den Rücktritt der BRD Schandregierung! FÜR eine Verfassung für das deutsche Volk!
https://www.facebook.com/events/329180510624083/
Zu schön, um wahr zu sein. Kein erkennbar "linker" oder "rechter" Slang, die Punkte sind jeder für sich vernünftig und plausibel begründbar.
"Schandregierung" dürfte historisch belastet sein, so wie "Lügenpresse". Aber es ist gut, daß sich was bewegt.
Grüße,
13
Ich hab noch nichts gesehen, dass sich ohne mediale/finanzielle Unterstützung durchsetzen konnte.
Manches ist einfach unmöglich, und ich glaube, der Versuch, sich in Deutschland eine Exportweltmeister-Belegschaft zurechtzuschnitzen, ist zum Scheitern verurteilt. Kapitalismus ist ein menschenfeindliches und weltabgewandtes Konzept, Leben liest sich anders.
Pegida läßt aufhorchen, auch wenn die sich der AfD an den Hals werfen. In paar Tagen wählen die Griechen. Mal abwarten. Es bewegt sich was.
Es geht, viel mehr als öffentlich begackert wird, um die Ost-West-Orientierung Europas, und wünschenswert wäre eine erneuerte Ostpolitik im Sinne Willy Brandts.
Grüße,
13
Es geht, viel mehr als öffentlich begackert wird
Da bin ich auch optimistisch:-))
Auch wenn Brandt heute mindestens 2 Guillaume in seiner Nähe hätte.
Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas
offensichlich kommt die EnDgAmE - Bewegung auch nicht ohne Feindbild aus. Offensichtlich habe die Organisatoren rund um Stephane Simon nicht aus ihren Fehlern gelernt.
Erst gründete man Pegida wobei das I für gegen Islamisierung steht.
Dann sollte die Bewegung Pegada heißen. Das A steht hier für gegen Amerikanisierung. Und da die begriffliche Verwandschaft zu Pegida dann doch zu nah war, wurde EnDgAmE = Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas daraus.
Feindbilder zu schaffen
1. macht nicht nur jede Bewegung angreifbar, da sich der Fokus ruckzuck von den protestwürdigen Themen auf das Feindbild verschiebt.
2. das hat uns unsere eigene Geschichte, so wie die jüngste Geschichte der gegeralisierten Stigmatisierung des Islam gezeigt, führt zu Kampf, Krieg und Terror weil hier Menschen gegeneinander ausgespielt und aufgehetzt werden.
Was ja das genaue Gegenteil von dem ist, was eine Friedensbewegung eigentlich will.
und 3. zeigt das Schaffen von Feindbildern die politische und somit nicht ungefährliche Unfreife der jeweiligen Initiatoren.
Das Fatale und Gefährliche ist, dass die Pegida und/oder EnDgAmE - Bewegung sowie die AFD und die NPD tatsächlich die relevanten protestwürdigenThemen besetzt
Man muss die Bewegungen unbedingt im Auge behalten und dieser Entwicklung entschieden entgegentreten.
Gegendemonstrationen reichen da aber bei weitem genauso wenig, wie das veraltete rechts gegen links Schema.
Die Lunte ist am Pulverfass ist bereits angezündet ..
Was ist es denn, was nur durch Zufall mehr als 5 Leute hören?
Sind es diese stumpfen Parolen?
"Muslime sind faul, kosten unser Geld, wollen nicht arbeiten, ..."
Die ARD hat vor einer Weile Pegida-Stimmen per Video gesammelt, da ging es um solche Parolen...
Wie unterscheiden sich, abgesehen von der betroffenen Randgruppe, diese Parolen von solchen?
"Hartz4-Empfänger sind faul, kosten unser Geld, wollen nicht arbeiten, ..."
Sind Sie wirklich der Ansicht, dass der Stammtisch so klein ist? Da scheinen mir viele Sozialdemokraten, Christdemokraten, Grüne und Liberale mit am Stammtisch zu sitzen, oder aber sie sitzen besoffen am Nebentisch und schnappen auf, was sie hören...