Afrika - Gewinner oder Verlierer?

Partnerwahl. Welche zukünftige Rolle spielt China in Afrika und was ist der Unterschied zu den Methoden, die bisher nur wenig für Afrika und seine Menschen gebracht haben?

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Von J. Taylor
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Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts engagiert sich China in Afrika. Das Interesse Chinas basierte dabei zum einen auf einem Gegengewicht zu den empfundenen Hegemonialinteressen der ehemaligen Sowjetunion, und, damit sich akkurat argumentieren ließ, auf der Bekämpfung des westlichen Imperialismus. Letztes funktionierte mehr als gut, schließlich konnte China sich als Opfer und als Drittweltstaat in Afrika darstellen. Niemand sah damals einen Anlass genau hinzusehen. Afrikas Staaten wurden von China zwar als Alliierte im Kampf gegen eine falsche politische Ausrichtung (Sowjetunion) und gegen bereits in Verwesung übergegangene imperialistische Staaten betrachtet, das ist richtig, am Ende ging es aber immer auch um rein chinesische Interessen.
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Mit der wirtschaftlichen Umgestaltung Chinas, beginnend in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, initiiert und gelenkt durch Deng Xiaoping, veränderte sich auch der Fokus des chinesischen Engagements in Afrika. Dabei spielte eine große Rolle, wie China den Weg vom Drittweltstaat zur Industriemacht geschafft hat. Das chinesische Modell, das Wohlstand ohne lästige Demokratie verspricht, ist ein absoluter Renner in Afrika. Autokratische Potentaten, die unter den Menschenrechtsauflagen westlicher Industrienationen fast körperlich leiden, empfangen chinesische Investoren, seien sie staatlich oder privat organisiert, mit offenen Armen, dies natürlich auch, weil China alle Investitionen selbst zu einem Spottzins finanziert. In Zimbabwe, einem Land, in dem man selbst in der letzten Bretterbude mitten im Busch mit 8 Währungen bezahlen kann, ist die wirtschaftliche Kooperation so weit entwickelt, dass der chinesische Yuan (RMB) bereits heute als Währung im Alltag der Menschen angekommen ist.
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Die sogenannten „key drivers“ aus chinesischer Sicht sind in erster Linie die afrikanischen Rohstoffressourcen, die für die Industrieproduktion in China, aber auch für von China in Afrika aufgebaute Industrien erschlossen werden sollen. Des weiteren entwickelt sich Afrika mit der Entstehung einer kaufkräftigen Mittelschicht zum Absatzmarkt für chinesische Produkte, eine Entwicklung, die in China zu auf den Bedarf in Afrika fokussierten Produktlinien, aber auch zum Aufbau lokaler Produktionen direkt vor Ort geführt hat.
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Afrika ist für den Handel, sei es der Handel zwischen afrikanischen Staaten oder mit externen Ländern, sehr schwer zu erschließen, denn dort lassen sich weltweit die höchsten Handelshemmnisse finden. In vielen afrikanischen Staaten bestehen abgeschottete Binnenmärkte und schwierige Bedingungen wurden implementiert, meist um Pfründe der jeweiligen Eliten zu schützen. China hat deshalb in Afrika die Investitionen mit einer politischen Veränderung der Marktmechanismen begleitet. Die chinesische Wirtschaftshilfe ist an die Öffnung dieser Märkte geknüpft. So etwas wie das aktuell in Europa diskutierte Vertragswerk TTIP ist also keine rein amerikanische Erfindung.
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Afrika als Gewinner

Auch wenn es aus Menschenrechtsfragen und aus der Sicht dessen, was die UNO-Charta den Menschen verspricht richtig übel klingt, ist die chinesische Art wirtschaftlich mit afrikanischen Staaten zu kooperieren erfolgreicher als die über viele Jahrzehnte praktizierte westliche Machart, Abermilliarden US$ blind und konzeptlos über den Kontinent zu schütten, nur um damit eine nichtsnutzige Elite in den afrikanischen Staaten anzufüttern.
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Es gibt drei Auffälligkeiten, die den Wandel exemplarisch deutlich machen:
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Während westliche Staaten die Leistungen der Entwicklungshilfe aufgrund der Finanzkrise in den letzten 5 Jahren zum Teil eklatant zurückführten, steigerte China seine Mittelzuflüsse in dieser Zeit.
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Während China große Infrastruktur- und Industrieprojekte in Afrika aufsetzt, datiert das letzte große westliche Projekt in Afrika in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.
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Während die westlichen Staaten den Hunger in Afrika nur dann gestillt haben, wenn unerträgliche Bilder des afrikanischen Alltags in den jeweiligen Hauptnachrichten liefen, aber darüber hinaus Afrika als Handelspartner völlig vergessen wurde, hat China akribisch gearbeitet.
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China hat diese Lücken gefüllt. China hat als einziges Industrieland großflächig begonnen das Humankapital in den afrikanischen Ländern (für sich) zu nutzen, dies nicht aus altruistischen Motiven, zugegeben, aber mit einem Ergebnis, dass dem, was vorher war, überlegen ist. Bemerkenswert ist auch, in welchem Umfang China in Afrika mit Hightech ausgestattete Fabriken plant, wohl überlegt, denn die Arbeitskosten in China sind in den letzten Monaten erheblich gestiegen. China selbst kommt in Asien unter Druck, insbesondere Vietnam nimmt China viele Produktionen weg. Afrika ist aus dieser Sicht nicht nur ein Markt, sondern auch eine gute Möglichkeit die gestiegenen Produktionskosten in China durch eine Mischkalkulation mittelfristig konkurrenzfähig zu halten. Auf diese Weise schafft sich China ganz nebenbei die Option eine kostengünstige Zulieferindustrie unter voller Kontrolle aufzubauen.
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Afrika als Verlierer

Obwohl China auch klassische Entwicklungshilfe in Afrika leistet, ähnlich wie westliche Staaten aber nur als Tropfen auf den heißen Stein konzipiert, darf all das, was Afrika zum Gewinner in dieser wirtschaftlichen Beziehung macht, nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese Medaille zwei Seiten hat. China, obwohl von einer kommunistischen Partei autokratisch regiert, handelt immer auch neoliberal. Altruismus ist keine chinesische Staatsdoktrin.
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China investiert in Afrika einen Teil der Außenhandelsüberschüsse, die im Handel mit der westlichen Welt erwirtschaftet wurden ja nicht, weil man ein geeignetes Grab für die Gelder sucht. China will von diesen Investments genau so profitieren wie es alle anderen Staaten und Organisationen am Ende des Tages auch sehen wollen. Mit der vorhandenen Wirtschaftskraft, der gegebenen Finanzkraft und dem chinesischen Willen zum Erfolg beseelt, werden aus willkommenen Freunden auch schnell Freunde, die man lieber nicht haben möchte. China setzt diese Macht derzeit beispielsweise ein, um afrikanische Staaten zu einem China genehmen Wahlverhalten in der UNO zu veranlassen. Das mögen Petitessen sein, aber der Grund, warum China ein solches Verhalten erzwingt, muss nicht immer trivial bleiben.
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Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die Finanzmittel betrachtet, die China nach Afrika schleust. Afrika kann aufgrund der Größenvolumen und der Konditionen der chinesischen Geldgeber absehbar keine Alternative finden, und auch wenn China wie seit 2009 geschehen, die Auslandsschulden einiger afrikanischer Staaten stundet oder sogar streicht, zeigt doch die Tatsache, dass in afrikanischen Ländern zunehmend Verträge in Renminbi statt in US$ verhandelt werden, dass dieses Geschenk auch wie ein Trojanisches Pferd wirken kann.
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China implementiert durch die Hintertür den Renminbi als Weltwährung, in dem es den US$ aus den Rohstoffverträgen mit afrikanischen Ländern verdrängt, ähnlich wie in dem aktuellen Gasvertrag mit Russland, der in Rubel und Renminbi verrechnet wird. Aus Sicht Chinas dient das finanzielle Engagement in Afrika eben langfristig auch dazu, den US$ zu verdrängen und den Renminbi zur Weltwährung zu machen. Ob die chinesische Währung neben dem US$ frei konvertierbar und in allen Verträgen fixierbar eine gleichberechtigte Rolle spielt oder sogar den US$ (und den Euro) ganz ablöst, ist dann eine Frage der langfristigen Strategie und der Macht.
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Das andere China

Wie es eine andere westliche Welt außerhalb staatlicher und halb-staatlicher Organisationen gibt, gibt es auch ein anderes China, dass sein Engagement in Afrika unabhängig von den weltpolitischen Ambitionen ausrichtet. Auch dort gibt es Licht und Schatten, sehr gut beschrieben übrigens von Mr Xiaofang Shen in seinem Buch „Private Chinese Investment in Africa: Myths and Realilties“, wobei der geneigte Leser hier immer bedenken sollte, dass dieses Buch sogar in den Downloadbereich der Weltbank aufgenommen wurde, was induziert, dass das darin beschriebene Bild unvollständig ist. Ideal ergänzt wird das Grundwissen daher ganz sicher durch die Arbeiten von Mr Justin Yifu Lin und Mr Yan Wang, die aktuell für das World Institute for Development Economics Research (United Nations University) ein Arbeitspapier erstellt haben, in dem das Engagement privater chinesischer Investoren in Afrika unter den Gesichtspunkten „strukturelle Transformation“, gleichberechtigte Kooperation“, „unkonventionelle Finanzierungshilfen“ betrachtet wird.
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Einer der bekanntesten Vertreter dieser privat organisierten Afrikahilfe ist in Deutschland Mr Wang Wenning, dessen Handeln bereits in der TAZ am 12.04.2008 ausführlich dargestellt wurde. Bei allem Respekt muss an dieser Stelle deshalb ergänzt werden, dass auch private Investoren aus China nicht allein aus Altruismus handeln, sondern von knallharten Interessen geleitet werden, die jedoch im Gegensatz zu manch europäischem Versuch erstklassig organisiert sind.
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Zu den Gründen, die zum Erfolg privater Investitionen in Afrika führen, gehört die staatliche China Exim Bank, die zusammen mit der China Development Bank und der China Agriculture Development Bank einen Support und eine Bereitstellung von riesigen Geldvolumen zu extrem günstigen Konditionen organisiert, ohne die chinesische Investoren scheitern würden (wie es westliche Investoren in Massen tun). Das Geheimnis des Erfolges beruht auf chinesischem Know-how und Geld, von beidem ist mehr als genug verfügbar, und der Bereitstellung von Krediten sowohl als Investment, als auch für die Exportfinanzierung der produzierten Waren, sind kaum Grenzen gesetzt.
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Die Achillesferse der afrikanischen Wirtschaft ist die Exportfinanzierung, also all die Instrumente, die für die Teilnahme am weltweiten Handel notwendig sind, die aber afrikanischen Unternehmen in der Mehrheit verweigert wird, was zur Dominanz global agierender Konzerne führte. Die Wunderwaffe gegen die internationalen Konzerne heißt China Export and Credit Insurance Corporation, kurz SINOSURE. Die machen nichts anderes, als chinesische Investments und Exporte in und aus Afrika gegen alle Risiken inklusive gegen Währungsschwankungen, Währungsrestriktionen, Verstaatlichungen, Enteignungen und Krieg, zu versichern. Damit sind für chinesische Investoren alle in Afrika angelegten Gelder sicher, dies ohne Ausnahme.
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So ist es kein Wunder, dass neben der staatlichen Exim Bank auch die größten chinesischen aktienbasierten Banken, Industrial and Commercial Bank und Bank of China, großzügig in Afrika investieren, was in der Folge zu einem Run von Privatunternehmen geführt hat, aber auch zur Gründung von Investmentfonds, die sich auf das Geschäft in Afrika spezialisiert haben. Der Kniff, alle Investments in Afrika unbegrenzt abzusichern, führt als Nebeneffekt zu einer Dynamisierung der staatlichen chinesischen Investitionen, was wiederum China's Rolle in Afrika nutzt.
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Die Aussichten

China hat größtenteils unterhalb der Wahrnehmungsgrenze der Unternehmen in der westlichen Welt einen langfristig orientierten Plan angefangen umzusetzen, der am Ende zu einer wirtschaftlichen Dominanz in Afrika führen wird. Solange das Kernland stabil ist, solange China alle Chancen und Risiken unbegrenzt finanzieren und versichern kann, ist dieses Modell kaum aufzuhalten.
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Obwohl China sich selbst als Entwicklungsland sieht, eines, das anderen Entwicklungsländern hilft sich zu entwickeln, darf nicht verkannt werden, dass all dies nicht ohne Eigennutz geschieht. Auf der anderen Seite bearbeitet China einen Kontinent, den andere Länder bereits vor vielen Jahren aufgegeben haben. Die Frage ist doch nun, ob Afrika mehr Vorteile als Nachteile aus dieser Entwicklung zieht?
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Irgendwie sind China und Afrika ähnlich, denn auch China, der Wirtschaftsriese, ist ein Land, dass einmal zu den „Low-Income-Countries“ zählte, ein Zustand, den es fernab der Ballungszentren auch heute noch gibt. China sieht in manchen Landesteilen sogar schlimmer aus als Afrika in den übelsten Zeiten. Der Aufstieg Chinas ist gerade einmal eine Generation alt, was das Auftreten der Chinesen in Afrika beeinflusst und formt. Die in China als „Süd-Süd-Kooperation“ bezeichnete Hilfe für Afrika wird in einem aktuell laufenden Prozess bewerkstelligt, wohingegen die „Nord-Süd-Entwicklungshilfe aus völlig unterschiedlichen Entwicklungsstadien heraus erfolgt, wenn man bei den geringen Volumen überhaupt von einer Hilfe sprechen möchte. Ein weiterer eklatanter Unterschied ist, dass China nicht nur Geld nach Afrika lenkt, sondern es sorgt auch dafür, dass es dort nicht versickert.
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Dazu kommen aus afrikanischer Sicht zwei weitere Gesichtspunkte, die indirekt wirken, dies aber nachhaltig:
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1.

Die Mehrzahl der chinesischen Unternehmen in Afrika oder Unternehmen, die mit chinesischer Hilfe aufgebaut werden, sind arbeitsintensiv und bieten leicht erlernbare Tätigkeiten. Dies kommt dem maroden Bildungs- und Ausbildungssystemen entgegen, schafft gefühlt viele Arbeitsplätze und sorgt dafür, dass der Nutzen dieser Investitionen einem großen Personenkreis zugute kommt. Andererseits darf auch nicht verschwiegen werden, dass Chinesen in Afrika für miese Löhne berüchtigt sind. Letztes Endes sind auch chinesische Investitionen auf die Maximierung von Gewinnen aufgebaut, denn selbst subventionierte Kredite wollen und sollen bedient werden.

2.

Die eingesetzte chinesische Technik kommt den Anforderungen in einem Entwicklungsland oft näher als westliche Hochtechnologie. Zwar produziert auch China inzwischen Hochtechnologie, es gibt aber in China manche Region, in der computer-gestützte Verfahren schlicht am Mangel an Infrastruktur scheitern. Maschinen, die solche Umstände ertragen und trotzdem mit Gewinn zu betreiben sind, müssen in China nicht aus Museen geholt werden, die werden dort neben modernster Technik auch aktuell produziert.
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Afrika hat gute Chancen einen Gewinn aus der Verbindung zu ziehen, weil China nicht das macht, was man „leapfrog“ nennt, womit ein Überspringen von Entwicklungsschritten gemeint ist.
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Schaffen es die afrikanischen Staaten mit der Hilfe Chinas die Infrastruktur zu modernisieren („bottleneck releasing“) und industrielle Cluster aufzubauen, …
… und damit im Prinzip das zu erschaffen, was Deng Xiaoping in China angestoßen hat,...
… und widerstehen die afrikanischen Staaten der Versuchung nur Chinas verlängerte Werkbank für die einfachen Arbeiten zu werden, die in China absehbar aus Kostengründen nicht mehr mit Gewinn ausgeführt werden können, …
… sprich mit China eine gleichberechtigte Kooperation einzugehen, wird Afrika aufgrund seiner Ressourcen und seiner Menschen der Gewinner sein.

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