Alltag: Mit wem habe ich bitte gesprochen?

Kleingedrucktes. Verbraucher sind üblicherweise Teil einer Mengengesellschaft, die nicht geschlossen handelt. Aber wie handeln die Organisationen, die ihnen gegenüberstehen?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ein Freund wechselte vor einigen Wochen mit allen Verträgen zu einer anderen Versicherungsgesellschaft. Der Grund: er hatte sich über seinen bisherigen Versicherer geärgert. Und er hatte Grund dazu.

Ich bezweifle aber, dass der Wechsel wirtschaftlich sinnvoll war, auch wenn ich seine Entscheidung verstehe. Boykotte können Sinn ergeben, aber nur als Massenbewegung.

Ein häufiger Wahrnehmungsfehler scheint mir darin zu bestehen, dass man die "juristische Person", der man sich gegenübersieht, tatsächlich als "Person" wahrnimmt, mit persönlichen Interessen - in diesem Fall das Interesse, Versicherungen zu verkaufen, Kunden zu halten, und (womöglich) möglichst nicht zu zahlen, wenn es darauf ankommt.

Tatsächlich sieht das Gegenüber aber oft ganz anders aus: ein Mitarbeiter, der ein Budget einhalten will oder muss ("Zielvereinbarungen"), ein Mitarbeiter, der sich bei seinen Vorgesetzten durch besonders sparsames "Wirtschaften" beliebt machen will, oder einer, der sich strikt an sein Dienstbüchlein hält, bloß keinen Fehler machen will und mit einem Verhalten, das für seinen Arbeitgeber wenig sinnvoll ist, tatsächlich keinen Fehler macht und somit auf der für ihn "sicheren Seite" bleibt.

Versicherungsunternehmen, die Deutsche Bahn oder auch eine Behörde sind in der Regel nicht das Autohaus oder der Einzelhändler um die Ecke, die auch in Zukunft Geschäfte mit einem machen wollen. Sie sind kein Gegenüber. Sie sind Organisationen, deren Mitglieder je nach Rang und Arbeitsbereich ganz unterschiedliche Eigeninteressen haben können.

In solchen Fällen gibt es zwei Voraussetzungen, in denen eine vernünftige Einigung zwischen Verbraucher (oder Antragsteller) und Organisation trotzdem möglich ist. Die eine: mein Gegenüber hat als Arbeitnehmer nicht viel zu verlieren. Dann nützt er vielleicht - legal, versteht sich - den Ermessensspielraum, den er hat oder den er sich zutraut. Oder er hat zum Beispiel darum einigen Spielraum, weil sein Arbeitsplatz nicht prekär ist, und weil sein Arbeitgeber ungern auf sein Know-how verzichten würde. Dann kann er sich in Grenzen offene hausinterne Konflikte erlauben, solange sein Ergebnis auch nur mittelfristig "stimmt".

Aber grundsätzlich gilt: wer als einzelner Bürger mit großen Organisationen Verträge abschließt, sollte eine gute Rechtsschutzversicherung haben. Und er sollte sich fragen, ob er den Vertrag, den er gerade unterschreiben will, wirklich braucht, und "wer" eigentlich sein Vertragspartner ist.

Das Geld ließe sich ja auch anders anlegen.

Je größer eine Organisation ist, desto schwerer fällt es ihr, berechenbare und nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen. Das gilt auch ökonomisch. Lassen sich daraus für Verbraucher sinnvolle Regeln herleiten?

Dieser Beitrag ist nicht "vom Fach". Er ist ein persönlicher Denk-Anfang.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

JR's China Blog

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden