Amtszeitbegrenzung für Merkel

Die Linke Es gibt keine verschenkten Stimmen. Aber es gibt Prioritäten.

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Wahlplakat "Die Linke" in Berlin. Erst 2021 relevant?
Wahlplakat "Die Linke" in Berlin. Erst 2021 relevant?

Foto: John MacDougall/AFP/GettyImages

Machen wir es kurz und dürr - so, wie mir angesichts des in gut einer Woche anliegenden Bundestagswahlzettels zumute ist. Wahlomat und Herz legen mir die Piraten nahe. Vor vier Jahren passte das in die Welt.

Aber eine Stimme für die Piraten ändert nichts an der Nomenklatura, die dieses Land regiert - eine Stimme für die Piraten hilft nicht einmal, dieser Nomenklatura ein bisschen Respekt vor den Grundrechten zu vermitteln. Was kein Wunder ist, denn die meisten Bundesbürger haben ja selbst vor ihren Rechten keinen Respekt. Für ein 1. nicht quantifiziertes und 2. nur behauptetes Mehr an "innerer Sicherheit" geben sie alles her, was sie gegen einen übergriffigen Staat verteidigen müssten. Ich glaube, wäre ich auf irgendeinem Level dieses föderalen Staates Datenschutzbeauftragter, würde ich einen Strick nehmen und mich totschießen.

Eine Stimme für die Piraten ändert nicht einmal etwas am Gesicht der Exekutive. Es steckt viel Weisheit in Amtszeitbegrenzungen, und diese könnte uns vor der Torheit einer satten, selbstzufriedenen "Mitte" retten, die sich die amtierende Kanzlerin - diesmal als Führerin der freien Welt - am 24.09. zum vierten Male an die Backe jauchzen lassen wird. So viel der Ehre kann ein eitles Volk einfach nicht ausschlagen. Aber amtszeitbegrenzt ist nur der Bundespräsident.

Dabei unterbietet Merkels politisches Niveau noch Norbert Blüms: liebenswürdige Platitüden, für die die deutschen Landfrauenvereine (es gibt sie auch in Berlin-Mitte und Hamburg-Harburg) sie einfach wählen müssen. Und politische Überzeugungen hat sie keine - zumindest sind nie welche erkennbar geworden. Auch ihre vorübergehende - von Teilen der Linken bejubelten - Willkommenskultur für Flüchtlinge und Asylbewerber schlug sich nicht in ihrer Realpolitik nieder. Wer die Union und die Kanzlerin auf Rechtskurs bringen will, muss nur mit der AFD drohen - und schon pariert sie.

Aber es geht nicht um Merkel-Bashing. Wenn schon, geht es mir um Sensburg-Bashing. Eindrucksvoller als der seinerzeitige Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag, also Patrick Sensburg, hat mir nämlich in den letzten vier Jahren kein Unionschrist erzählt, wie konsequent (und vom Wähler ungestraft) deutsche Politiker sich selbst überhöhen und die wirklichen Champions des Rechts verächtlich machen dürfen. Nachstehend ein Auszug aus einem Interview mit dem Deutschlandfunk, im Dezember 2014.

Frage: Aber die Frage ist ja, warum [die Bundesregierung Edward Snowden kein Bleiberecht gibt]. Ich meine, ein Land, die USA, dessen einer Geheimdienst foltert und dessen anderer die Menschen massenweise abhört, weshalb sind wir verpflichtet, einem solchen Land Edward Snowden beispielsweise auszuliefern im Fall der Fälle? Der hat doch ungeheure Verdienste auf seine Seite gezogen.

Sensburg: Das weiß ich noch nicht, ob er ungeheure Verdienste auf seine Seite gezogen hat. Wir untersuchen ja viel intensiver als das, was uns Edward Snowden in einigen Dokumenten sagen konnte, inzwischen mit den Dokumenten, die uns die Bundesregierung zur Verfügung stellt, was die deutschen Dienste gemacht haben. Wir werden dann schauen, was ausländische Dienste gemacht haben. Ob Edward Snowden mehr Erkenntnisse hat, als wir inzwischen schon gewonnen haben, das weiß ich nicht.

Den unerhörten Skandal in dreizehn Worten nochmal zum Mitsprechen: Viel intensiver als das, was uns Edward Snowden in einigen Dokumenten sagen konnte.

Wahrscheinlich schwieg das mediale Schweinesystem danach die atemberaubenden Befunde des Untersuchungsausschusses so konsequent tot, dass sie bis heute im Schatten des amerikanischen Showmans mit Bart & Brille ein kümmerliches und unerkanntes Dasein fristen. Sensburg kann einem schon leid tun.

Soviel zur Union. Man ahnt es: was die CDU kann, kann die SPD schon lange. Dafür braucht sie nicht einmal ihren dauerbeleidigten Justizminister - Reintreten in die Verfassung war in der vergangenen Legislaturperiode bei den Sozialdemokraten Chefsache:

Hätten wir das [Instrument der Vorratsdatenspeicherung] bereits zum Zeitpunkt der ersten NSU-Morde gehabt, hätten wir weitere vermutlich verhindern können.

Frei nach Wilhelmine Lührs, der Kartenlegerin: wenn das blöde Volk keine Grundrechte will, können die weg.

Ach, shit. Ich wollte ja gar keinen Wahlaufruf für die Piraten schreiben.

Also, jetzt also wirklich kurz, und nicht als Wahlaufruf, sondern eher als Wahlanregung: wer ein Kabinett Merkel IV will, aber nicht ohne Mindestlohn oder sonstige - durchaus respektable - Funktionsparteileistungen, ist mit der SPD ganz gut bedient. Ich meine das gar nicht ironisch - man darf SPD wählen. Man ist deswegen weder ein böser noch ein dummer Mensch. Dumm beginnt da, wo man bei einem dafür völlig ungeeigneten Jahreseinkommen AFD, CDU, CSU oder FDP wählt. Bei Grün müsste ich nochmal nachdenken.

Wer aber eine linke Bundesregierung will - nicht ab 2017, denn der Zug ist eh abgefahren, aber vielleicht ab 2021 -, der wählt besser die Linke. Die alternativlose Amtszeitbegrenzung für Angela Merkel.

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Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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