Ziemlich lässig habe Moskau die US-Adminstration über die russische Absicht informiert, dass man in einer Stunde mit Bombardierungen in Syrien beginnen werde. Die amerikanische Seite möge daher bitte den syrischen Luftraum räumen und etwaige US-Anlagen in den russischen Zielgebieten fortschaffen. Genauer: ein Drei-Sterne-General aus der russischen Botschaft in Bagdad habe den US-Militärattaché an der US-Botschaft (ebenda) entsprechend ins Bild gesetzt, so der Nordamerikakorrespondent der BBC, Jon Sopel, in einem am Mittwoch veröffentlichten Online-Artikel.
Abstimmungsprobleme der Militäreinsätze beider Seiten in Syrien seien vorprogrammiert - nicht zu reden davon, dass Washington "überrumpelt" worden sei:
Die Amerikaner verließen das Treffen am Montagabend [zwischen Obama und Putin] in der Auffassung, dass es jedenfalls in einem Punkt eine Vereinbarung gebe - dass IS angegriffen und zerstört werden müsse, und in einem anderen Punkt Meinungsverschiedenheiten - die Rolle Präsident Assads in einem zukünftigen politischen Ausgleich Syriens.
Tatsächlich aber sei es Russland offenbar ziemlich egal, welche Rebellen die Bomben abbekämen, so lange es Anti-Assad-Rebellen seien.
Und das sei zu erwarten gewesen, so Sopel: schließlich gebe es für Russland keinen Grund, seinen einzigen Tiefseehafen im östlichen Mittelmeer preiszugeben.
Davon abgesehen aber gibt es für Moskau Gründe zum Engagement für das Assad-Regime, die auch in ausführlicheren Erklärungen der Presse kaum auftauchen. Es geht - auch und nicht zuletzt - um Moskaus »Glaubwürdigkeit.
Vielleicht ahnte die russische Führung schon bei der Resolution 1973 des Weltsicherheitsrates über Libyen, die "alle notwendigen Maßnahmen" zum Schutz von Zivilisten, dass die Sponsoren des Antrags diesen "Auftrag zum Schutz" bis zum Anschlag ausreizen würden - bis hin zum "regime change", dem Sturz des Gaddafi-Regimes.
Wenn es allerdings damals, im lybischen Kontext 2011, überrumpelte Interessenten gab, waren es Moskau und Beijing. Noch so eine Preisgabe eines Nahostregimes, und Russland hätte bündnispolitisch als Totalausfall gegolten.
Entsprechend sind es heute, im syrischen Kontext 2015, im Zweifel Washington, seine westeuropäischen Verbündeten, und die arabischen Golfstaaten, die als überrumpelt gelten können.
"Welt"-Kolumnist Lord Weidenfeld dürfte weiten Teilen der westeuropäischen Mainstreampresse aus dem Herzen gesprochen haben: außenpolitisch sei Barack Obama "eine Niete". Es gebe Verwirrung und sogar Verzweiflung über die undurchsichtige Außenpolitik des Präsidenten.
Nun ja. Ein paar hochrangige Beobachter oder auch Staatsbeamte zum gemeinsamen Stöhnen findet man immer, wenn man einen Präsidenten kritisieren möchte.
Aber Obama handelt nicht zuletzt als ein Präsident, dem mehr als nation building im Ausland der Wiederaufbau seines eigenen Landes wichtig ist - und in dem Sinne ist das Syrien-Disaster (aus westlich-etablierter Sicht darf man es wohl so nennen) ein Ergebnis relativer Gleichgültigkeit - und daraus resultierender Unentschlossenheit - der noch amtierenden US-Administration.
Auch das ist konsistent. Die Europäische Union wird sich nun überlegen müssen, wie sie - häufiger als bisher ohne Amerika - mit ihrer Nachbarschaft klarkommen will. Und Washington muss sich darüber klar werden, wie weit Amerika sich international - jedenfalls im Nahen Osten - zurückziehen kann, ohne seine Glaubwürdigkeit im Fernen Osten zu verlieren.
Denn dort bleibt Washington engagiert, » und auf Glaubwürdigkeit angewiesen. Zukünftige Kooperationen zur Wahrung der Stabilität - oder auch zur Destabilisierung - in Europa und seiner Nachbarschaft - wird es hingegen zukünftig allenfalls noch von Fall zu Fall geben - dann jedenfalls, wenn auch Obamas Nachfolger es gut mit Amerika meinen.
Cameron, Hollande und Merkel beginnen zu ahnen: wer Assad weg haben will, muss selber kämpfen. Wenn das aber so ist, gewöhnen wir uns lieber (wieder) an das etablierte Regime.
Updates/Related
Many things need to be reformed, Assad / SANA, 04.10.15
Lavrov: ISIL and other terrorist groups, al-Jazeera, 01.10.15
Stellvertreterkrieg, SZ, 01.10.15
Lavrov: FSA keine Terroristenorganisation, TRT, 01.10.15
» Syrienkrieg eskaliert, J. Petrick, 30.09.15
Kommentare 15
Ich lese Hohn und Spott, eventuell Zynismus. Dass schon allen klar ist, was los ist, glaube ich jetzt allerdings noch weniger als vorher. So muss ich das auch hier leider mal sagen.
Jetzt muß mir nur noch jemand erklären, was das Bomben und die Flüchtlinge mit dem BIP und Wachstum zu tun haben könnte.
Ich habe eine etwas abweichende Einschaetzung als Kommentrar zum Beitrag von @blog1 geschrieben.
Flüchtlinge: Trump will Syrer heimschicken
Solange der T die Jungs nicht zu uns schickt... In Geographie soll der ja nicht so gut sein.
Hat aber trotzdem einen gewissen Unterhaltungswert, der Genosse. Der ist doch der ideale Gesamt-Ami. Ich finde den Jungen prima. Sollte Praesident werden. Unbedingt.
Die Europäische Union wird sich nun überlegen müssen, wie sie - häufiger als bisher ohne Amerika - mit ihrer Nachbarschaft klarkommen will. - So sehe ich das auch. Mit sich selbst klar kommen bleibt als Dauerlast bestehen...
Obama ist kein Freund der Waffenlobby, insofern in den Augen gewisser Leute eine Niete. Konsistent ist er in diesem Sinne allerdings schon, siehe auch seine Äußerungen nach dem neuesten Amoklauf.
Im Prinzip ja, schließlich lernt der Mensch nur durch Fehler; das wäre aber doch sicher auch ein idealer Job für Tony Abbot, der ist doch jetzt frei.
Anerkennung für den Mut, im Anblick der verworrenen Situation dieser Tage einen Einschätzungs-Beitrag Online zu stellen.
Ich für meinen Teil jedenfalls kann mich einer gewissen Ratlosigkeit nicht erwehren. Weder taktisch noch strategisch ergibt das aktuelle Drunter und Drüber irgendeinen Sinn – weder für die (hier mal imaginär vorgedachte) westliche Allianz noch für die russische Seite. Falls es auch nur ansatzweise stimmt, dass Russland direkt auf der Assad-Seite interveniert gegen die Stellungen der Oppositionskräfte, hätten wir einen Konflikt mit nicht nur drei, sondern einen mit vier, fünf, potenziell sogar einem Dutzend unterschiedlichen, wahlweise mit und gegeneinander koalierenden Teilnehmern:
- USA/GB und der Rest der westlichen Allianz
- die syrische Opposition
- die unterschiedlichen kurdischen Kräfte in Syrien, im Irak und in der Türkei
- die Reste des Assad-Regimes
- Russland
- IS plus al-Nusrah-Front (Sunniten)
- Hisbollah, andere schiitische Milizen
- der Iran
- mit allen Unabwägbarkeiten und Einschränkungen: die derzeitigen Machthaber im Irak
- Türkei
- Israel (ich weiß da beispielsweise nicht, wie ich diverse Meldungen in Bezug auf Support für den IS einschätzen soll)
Wer historische Analogien mag, wird an den kolonialen Stellvertreterkriegen vor 1914 (wie beispielsweise den beiden Marokko-Krisen) kaum vorbeikommen: ebenfalls eine Angelegenheit, in der x lokale und internationale Mächte rumrührten und ihr Süppchen kochten.
Einschätzung: Open End. Und nix Gutes.
Ich nehme mal an, Russland wird sich in Syrien nicht bis über beide Ohren verstricken. So lange ist Afghanistan für die Russen noch nicht her. Die Russen werden den Truppen Assads, Irans und diversen Milizen unter der Anleitung russischer Militärs den Weg freibomben, um ein begrenztes, aber IS-befreites Syrien zu schaffen. Alles weitere wird dann der Sicherung dieses Territoriums dienen. Vielleicht folgt eine Konsensregierung unter Einbeziehung Assads und bestimmter Kreise der Opposition. Irgendwann wird auch die BRD-Botschaft wieder in Damaskus einziehen. Politiker finden immer eine Begründung.
Der Wind dreht sich. winds of change. Der Westen, US-geführt, ist der big loser. Die Brzezinski-Doktrin ist gescheitert. Der Planet wird kein Disneyland je werden. US-Demokratie-Export wird nicht den Globus zwangsbeglücken. Insbesondere in Nahost ist der Westen komplett gescheitert. Demokratie als Glückssystem der Menschheit inklusive. Das ist die Stunde Moskaus. Wer handelt führt, autoritär. Krim. Syrien. Und alle Welt schaut zu. Was soll sie auch sonst tun? Die EU völlig zerrieben, zwischen allen Fronten, obwohl offiziell US-like. Mit den Folgen der gescheiterten US-Politik, den Migranten aus diesen Gebieten, völlig gestresst. Am Rande lokaler Bürgerkrieglein, no go aerea, Pegida. In Bälde, in max. 5 Jährchen haben wir 2020, ein entscheidendes Datum. Da startet die "mission mars one," mit 27 Mutigen, no return, da treten die "urban operations" der NATO in Kraft und Gaza wird unbewohnbar. Tod. Israel in Schockstarre. Zu allem bereit. Nostradamus hat es uns schon lange gesagt, dass von Jerusalem aus, das Ende beginnt. R.I.P. Blauer Planet
"Tatsächlich aber sei es Russland offenbar ziemlich egal, welche Rebellen die Bomben abbekämen, so lange es Anti-Assad-Rebellen seien."
Tatsächlich aber sei es Amerika offenbar ziemlich egal welche Kranken die Bomben abbekämen, solange ein paar Taliban dabei seien."
Aus den Schlagzeilen unserer liberalen Leitmedien ist dieser "tragische Vorfall" in Kundus jedenfalls heute schon wieder verschwunden. Auf der Startseite von SPON sucht man ihn völlig vergebens. Vällig absurd, wenn man das mit dem Geschrei vergleicht, das die Westnachrichten jetzt mehrere Tage lang veranstaltet haben, weil die Russen die falschen Terroristen angegriffen und die Sheriffs aus dem Wilden Westen nicht ausdrücklich um Erlaubnis gebeten haben.
Amerikanische Bomben sind halt etwas anderes als russiche Bomben. Und für die Hintergründe, die überhaupt zu den aktuellen Zusänden geführt haben, für all das, was die USA im Namen ihrer Freiheit verbrochen haben interessiert sich auch keiner mehr wirklich. Das käme ja einer Kapitulation gleich und einem Eingeständnis, dass man beteiligt war an dem Prozess, der die großen Chancen links liegen gelassen hat, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für die Welt aufgetand haben. Diese Schieflage in der Wahrnehmung, auch der Eigenwahrnehmung und in der Bewertung der Weltpolitik ist es, die unsere schreibenden Eliten so unglaubwürdig macht.
DER KAISER IST NACKT
Im April 2014 verlassen 27 Besatzungsmitglieder die Donald Cook, weil sie keine Lust haben, sich umbringen zu lassen, dadurch wird die Premiere von Chibini bekannt, es hatte einen blackout von Aegis bewirkt. Seitdem ist kein US Kriegsschiff mehr ins Schwarze Meer eingefahren. Obama- Versteher Joschka Fischer hatte uns 2008 gedroht, daß künftig gemeinsam mit den Amerikanern gestorben wird, das war wohl ein Mißverständnis.
im Oktober 2014 verletzt ein KC 135 Spionageflugzeug den Schwedischen Luftraum, weil es vor einem russischen Flugzeug flieht.
http://theaviationist.com/2014/08/01/rc-135-violated-swedish-airspace/
Anfang des Jahrtausends fürchteten US Spionageflugzeuge die Nähe chinesischer Abfangäger noch nicht.
2015 erscheint die F22, die mit keinem anderen Flugzeug kommunizieren kann, in Syrien, bevor sie Deutschland beglückt.
Vor Syrien ist kein US Flugzeugträger zu finden: die Störung ihrer Atomreaktoren wäre weitaus unangenehmer, als ein blackout von Aegis.
Die NATO ist außer Gefecht, der Kaiser ist nackt.
Das perfekte timing der Russen macht schmunzeln.
Donald Cook
Iran raus aus der Zwangsjacke
Während die USA noch versuchen, durch Sperrung des Bulgarischen Luftraumes Russland den Weg nach Syrien zu verlegen, ist das Hauptquartier in Syrien längst geplant, five eyes sehen nicht alles, dunkel erinnere ich mich, daß westliche Medien sich um Putins Gesundheit gesorgt haben, als er für einige Zeit nicht in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Die Amis in Bagdad werden analog informiert. Die Aufregung von USA, Türkei, Saudiarabien hat ihren Grund in der Tötung ihrer Geheimdienstler, s.o., die abzuziehen reichte die Zeit nicht, jetzt sind sie abgezogen und die alleingelassenen Terroristen zahlen Fersengeld.
Zum 70. Gegurtstag weht zum erstenmal die Palästinenserflagge vor der UN in NY und Putin und Xi liefern den Beipackzettel zu den Angriffen in Syrien, Steinmeier läßt in Washington denken und erwähnt Resolution 2139: humanitäre Hilfe für Sy, just dafür haben die US den Russen den Luftraum von Bulgarien blockiert.
five eyes sehen nicht alles, aber sie verstehen garnichts.
Das Seidenstraßenprojekt bietet der muslimischen Welt das Ende von 100 Jahren westlicher Demütigung, das hat die Russisch- Iranisch- Irakisch- Syrische Allianz so leicht zustende gebracht. Jeder ist eingeladen den chinese express train of development zu besteigen und daß die USA es vorzogen, der Asiatischen Entwicklungsbank fernzubleiben, ist eher ein Vorteil. Die mikronukes in China sind häßlich, das Imperium ist ein schlechter Verlierer.
http://beforeitsnews.com/alternative/2015/09/5th-gen-uranium-hydride-bomb-3214052.html?currentSplittedPage=0
Für Deutschland besteht die einmalige Chance zu NATO Austritt und Souveränität, aber die USA- hörige Regierungschefin arbeitet an der Eskalation der Flüchtlings- facebookparty zum Euro Maidan und atomarer Teilhabe. Die NATO rüstet die Ostfront auf. Westeuropa möchte sich von den USA im Chaos versenken lassen, während der Rest Eurasiens erblüht?
Korrektur:
Es muß natürlich heißen, das Hauptquartier in Bagdad
besserer 2. Link
http://www.veteranstoday.com/2015/09/04/vt-nuclear-education-the-uranium-hydride-bomb/
das ist die Quelle und es gibt dort weitere Beiträge
Aus den Schlagzeilen unserer liberalen Leitmedien ist dieser "tragische Vorfall" in Kundus jedenfalls heute schon wieder verschwunden.
Das trifft nicht zu (Belege folgen).
Süddeutsche 04.10. 17:27
http://www.sueddeutsche.de/politik/bombenangriff-in-kundus-wie-ganz-afghanistan-zum-kollateralschaden-wurde-1.2676001
Mitteldeutsche 04.10. 15:16
http://www.mz-web.de/politik/kommentar-zum-luftangriff-in-kundus-ein-krankenhaus-zu-bombardieren-ist-eine-menschliche-katastrophe,20642162,32078318.html
Thüringer Allgemeine 05.10. 06:01
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/suche/detail/-/specific/Die-Meinung-Das-Fanal-von-Kundus-1994917476
Aus den Nachriten-Seiten ist der Vorfall verschwunden, weil da alles sofort veraltet, was nicht neu ist. Die Agenturen haben aber gestern nochmal nachgelegt mit der Meldung, dass Obama von einer Tragödie spricht. In den Schlagzeilen für Analyse und Kommentar hat das Thema nach wie vor eine dominierende Präsens (auch in nicht-ganz-so-liberalen Leitmeidien wie der taz oder der FR)
Auf der Startseite von SPON sucht man ihn völlig vergebens.
Eine solche Beobachtung sagt vielleicht etwas über SPON aus, nicht über "unsere liberalen Leitmedien" im Allgemeinen.
Afghanistan ist zwar nur ein verwandtes Thema zum Konflikt in Syrien und dem Irak, die Fehler in beiden Regionen und ihre jetzt auch hier spürbaren Konsequenzen werden uns allerdings gleichermaßen weiter beschäftigen, auch weil sie eng verwandte Ursachen und Folgen haben.
"Aus den Schlagzeilen unserer liberalen Leitmedien ist dieser "tragische Vorfall" in Kundus jedenfalls heute schon wieder verschwunden.
Das trifft nicht zu (Belege folgen)."
Gut, das traf in dem Moment in dem Maße nicht zu. Ich habe morgens vielleicht ein wenig heftig auf diese Bomben reagiert und vielleicht zu schnell gepostet Ohne meine ersten Eindrücke zu überprüfen. Aber grundsätzlich ändert das wenig an meiner Einschätzung. Und Ihr Argument "Aus den Nachriten-Seiten ist der Vorfall verschwunden, weil da alles sofort veraltet, was nicht neu ist." überzeugt mich gar nicht. Eben weil die Nachrichten ja auch sonst in der Lage sind, sogar aus nichts als Spekulationen ein Thema zu machen, das sich tagelang in den Schlagzeilen hält. Wie z.B. die falschen Bomben der Russen auf die falschen Terroristen. Natürlich zeigen die liberalen Redaktionen und Leitartikler Betroffenheit. Die nehme ich ihnen sogar ab, weil praktisch jeder hier das dazu gehörige humanistische Ethos verinnerlicht hat. Aber in der Praxis bestimmt dann Ideologie, wie die Medien konkret mit einem solchen Ereignis umgehen. Und da sehe ich nach wie vor eine ziemliche Schieflage.
Und die zieht sich meines Erachtens, durch die Berichterstattung der gesamten Leitmedien. Die einfach gar nicht mehr auf die Hintergründe eingehen, die zu den aktuellen Problemen und Zuständen geführt haben. Und an denen die Amerikaner fast überall entscheidend beteiligt waren. Kunduz war nur der Tropfen, der dieses Faß jetzt einen Moment lang zum Überlaufen gebracht hat. Und jetzt sind die PR Strategen schon wieder dabei, Schuld auf die Afghanen abzuwälzen, die den Einsatz ja angefordert haben, die armen Amerikaner also zu etwas gedungen haben was ihnen sonst in der Form vermutlich nicht passiert wäre. Das bleibt hängen. Und auch, wenn das nicht eins zu eins übernommen wird: So wird das Bild unserer eigentlich guten Partner gepflegt und aufrecht erhalten. Und obwohl die amerikanischen Strategien an keiner Stelle und zu keiner Zeit aufgegangen sind und überall nur Chaos hinterlassen haben wird weiterhin hier so unausgewogen berichtet. Da kann einem schon mal der Kragen platzen. Und wo, wenn nicht in diesem Forum (Oder bei Telepolis) hat man sonst die Möglichkeit seiner eigenen Betroffenheit ein wenig Ausdruck zu verleihen?
Keine Frage, die Klarheit, die nötig wäre, ist bei den meisten Kommentatoren nicht da. Die kommt vielleicht irgendwann später einmal, so wie jetzt nach dem Facebook-Urteil, das ein einzelner ehemaliger Jura-Student erstritten hat, plötzlich für fast alle Kommentatoren alles klar und eindeutig ist, was vorher so punktgenau nie gesagt wurde.
Das Putin-Bashing hat übrigens gestern der Kollege Christ, der immer schon für derbe Polemiken bekannt ist, weit unter dem Niveau jeder Analyse auf die Spitze geschrieben:
http://www.huffingtonpost.de/2015/10/06/putin-syrien-angriffe-brief_n_8250024.html?ncid=fcbklnkdehpmg00000002
Solche Polemik kann aber nicht verschleiern, was mittlerweile den führenden westlichen Politikern durch Putins Auftauchen klar zu sein scheint (mich selbst aus einer gestrien fb-Diskussion mit türkischen Freunden zitierend:)
Europa wird das Flüchtlingsproblem nur MIT den maßgeblichen Akteuren in den Herkunfst- und Durchgangsländern lösen, ebenso wie das Problem der zerfallenden Staaten im Nahen Osten. Zu diesen wichtigen Akteuren, ohne die keine Lösung möglich ist, gehört Erdogan zweifellos, aber auch Putin, Assad, Netanjahu, Rohani, Barzani, Talabani, Salih Muslim und einige andere mehr. Wäre schön, wenn es einfacher ginge, aber das wird nichts werden.
Die Frage ist nur, ob Europa schnell genug in der Lage ist, daraus vernünftige Konsequenzen zu ziehen. Unser Selbstbild ist so oder so bedroht.