Bundespräsident kritisiert Regierungsbildung

Thüringen Dreimal Zoff im Jahr ist das Mindeste. Aber politisch erreicht Joachim Gauck zur Zeit seine Grenzen - auch wenn er verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite bleibt

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Haltlose Reden über deutsche Außenpolitik bescheinigte Martin Reeh von der "taz" Joachim Gauck im Juni, und pries Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Es ist der Moment, an dem man versteht, was Deutschland an Frank-Walter Steinmeier hat – und warum Gauck so auch als Bundespräsident eine Fehlbesetzung darstellt.

Dabei sagten Gauck und Steinmeier – jedenfalls vier Monate vorher, auf der Münchner Sicherheitskonferenz - so ziemlich das Gleiche. Gemeinsamer Nenner: Militäreinsätze ja, aber nur als "letztes" außenpolitisches Mittel.

Und man hatte nicht den Eindruck, die Bundesregierung hätte mit dem Auftritt Gaucks auf der Sicherheitskonferenz ein Problem gehabt.

Vielleicht aber war Gaucks Meinungsäußerung im Juni sogar in den Augen mancher Befürworter einer stärker militarisierten Außenpolitik ein bisschen too much – die dankenswerte Rede in München hätte es alleine ja auch getan. Für eine solche Einschätzung spräche auch, dass der Bundespräsident seinen Ausführungen zur Militärpolitik seit über vier Monate nichts mehr hinzugefügt hat.

Nun erforscht er die Möglichkeiten und Grenzen der Freiheit des Bundespräsidenten (Bundesverfassungsgericht) auf einem neuen Gebiet: Wie tagespolitisch und wie parteiisch darf er sich als Amtsinhaber äußern?

Antwort: sehr frei. Die Wette ist vielleicht erlaubt, dass Gauck die rechtlichen Grenzen seiner Meinungsfreiheit, wenn er sie weiter austesten möchte, noch längst nicht erreicht hat. Seine Bekundung seelischer Bauchschmerzen angesichts der sich abzeichnenden rot-rot-grünen Regierungsbildung in Thüringen würde einer verfassungsrechtlichen Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit standhalten.

Nun ist nicht alles, was ein Bundespräsident sagen darf, auch politisch sinnvoll oder dem Ansehen seines Amtes dienlich. Und bei der Bewertung dieser Dienlichkeit zählen nicht nur Meinungsumfragen: Die deutsche Öffentlichkeit bringt Sympathie für das Staatsoberhaupt und eine ablehnende Haltung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr durchaus unter einen Hut. Auch Gaucks Thüringsche Wahlanalyse wird seiner Popularität keinen Abbruch tun – zumal eine relative gesamtdeutsche Mehrheit einen "linken Ministerpräsidenten" dieser Umfrage zufolge ohnehin ablehnt. Den Rest besorgt eine kritikfreie Provinzpresse, die überwiegend – mein oberflächlicher Eindruck – der Öffentlichkeit auch die neueste Gaucksche Exploration erfolgreich als sinnstiftend vermittelt hat.

Unklug waren Gaucks Einlassungen trotzdem. Hätte die SPD-Basis eine rot-rot-grüne Koalition abgelehnt, wäre die Frage aufgekommen, wieviel das mit ihm zu tun hatte. Der Bundespräsident als Koalitionskiller? Das wäre ein Novum, und was neu ist, könnte auch konservative Geister aufschrecken.

Und wer politisch denkt, dem wird nicht entgehen, dass die Linkspartei die einzige Partei ist, die militärischen Einsätzen mehr oder weniger eindeutig ablehnend gegenübersteht. So gesehen hat Gauck seine Angriffsrichtung jetzt allenfalls um ein paar Grade geändert – insgesamt bleibt es die gleiche. Gerade politisch interessierte und mitdenkende Menschen finden solche Konditionierungstechniken vermutlich eher abstoßend.

Außenpolitisch aber ist das alles halb so wild. Gauck soll oder will offenbar vor allem auf die öffentliche Meinung im Inland Einfluss nehmen.

Für den Fall allerdings, dass irgendwo in der Welt ein Land den Eindruck bekommt, Gauck bereite einen Angriffskrieg vor, empfiehlt sich vielleicht eine Titelzeile auf der Website .bundespraesident.de:

Der tut nichts. Der will nur reden.

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