Chinas Rundfunk erklärt Vietnams Diplomatie

Diplomatie Die Beziehungen vieler ost- und südostasiatische Staaten gegenüber sind von Nachbarschaftsproblemen geprägt – insbesondere mit China. Die USA profitieren davon

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Vermeintliche Einigkeit: Die Ministerpräsidenten auf dem Gipfeltreffen des ASEAN, dem Verband Südostasiatischer Nationen am 11 Mai
Vermeintliche Einigkeit: Die Ministerpräsidenten auf dem Gipfeltreffen des ASEAN, dem Verband Südostasiatischer Nationen am 11 Mai

Foto: YE AUNG THU/ AFP/ Getty Images

Am Rande des Außenministertreffen der ASEAN und des Ostasiengipfels in der burmesischen Hauptstadt Naypyidaw trafen sich auch Chefdiplomaten, die einander sonst zur Zeit eher selten zu Gesicht bekommen: so führte der japanische Außenminister Fumio Kishida ein Gespräch mit seinem nordkoreanischen Amtskollegen Ri Su Yong und ein weiteres mit dem südkoreanischen Außenminister Yun Byung-se.

Sowohl Japans Beziehungen mit Pyongyang als auch die mit Seoul gelten als verbesserungswürdig. Voraussetzung für Verbesserungen sei eine japanische Aufrichtigkeit hinsichtlich historischer Angelegenheiten und Kriegsverbrechen, gab der Südkoreaner Kishida mit auf den Weg.

Am Abend des 9. August traf Kishida auch mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi zusammen. Das Treffen fand Berichten zufolge auf Kishidas Wunsch statt - es war ihr erstes Treffen als Außenminister, und das erste Treffen eines chinesischen und japanischen Außenministers seit September 2012. Damals hatten ihre jeweiligen Vorgänger im Amt eine Begegnung gehabt, die der damalige japanische Außenminister Koichiro Gemba in etwa als "heftig" oder "scharf" bezeichnete. Sowohl praktische Dispute wie der um die Senkaku-Inseln (chinesisch: Diaoyutai) als auch der Umgang der japanischen Regierung mit der Erinnerung an die Kriegsverbrechen des zweiten Weltkriegs sorgten dafür, dass hochrangige Gespräche auf Eis gelegt wurden.

Wenn Kishida Begegnungen der schwierigeren Art mit seinen koreanischen Amtskollegen hatte, so fiel auch Wang Yi's Begegnung mit dem vietnamesischen Außenminister nicht just gesellig aus. Das chinesische Parteiorgan "Volkszeitung":

Am 8. August traf Außenminister Wang Yi beim ASEAN-Außenministertreffen in der burmesischen Hauptstadt Naypyidaw mit dem vietnamesischen Vizeministerpräsidenten und Außenminister Pham Binh Minh zusammen. Pham Binh Minh, sprach China im Namen von Partei und Staat in Vietnam sein Beileid wegen der Erdbebenkatastrophe in Ludian, Provinz Yunnan, aus. Wang Yi bedankte sich.
Wang Yi sagte, China und Vietnam seien enge Nachbarn, und beide befänden sich in einer kritischen Phase ihrer Reformen und ihrer Entwicklung. Sie sähen sich komplizierten inneren und äußeren Herausforderungen gegenüber. Beide Seiten sollten ihre Zusammenarbeit stärken und eine gemeinsame Entwicklung erreichen. Was die momentanen Probleme betreffe, sollten beide Seiten gewissenhaft einen Konsens auf den höchsten [politischen] Ebenen erreichen, das gesamte Feld der chinesisch-vietnamesischen Beziehungen im Auge behalten, an der bilateralen Kommunikation festhalten, mit den bestehenden Problemen korrekt umgehen, und damit die bilateralen Beziehungen möglichst bald wieder auf die richtigen Gleise bringen.

Dann kam Wang zum Auslöser der derzeitigen akuten Probleme, den Gebietsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer (chinesisch: Südmeer; vietnamesisch: Ostmeer):

Wang legte umfassend Chinas prinzipientreuen Standpunkt hinsichtlich der Seefrage dar und sagte, China werde alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um seine staatliche Souveränität und maritimen Rechte Rechte und Interessen zu verteidigen. Vietnam solle an den Nachwirkungen der Vandalismus- und Plünderungszwischenfälle [in Vietnam im Mai 2014] arbeiten, um die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Beziehungen beider Seiten zu schaffen.

Nicht weniger würdevoll lautete die Antwort des Vietnamesen ("Vietnam News"):

Minh sagte während des Treffens, Vietnam schätze die gute Nachbarschaft und umfassende strategische Partnerschaft mit China. Allerdings, bemerkte er, seien die Beziehungen letzthin durch die Spannungen auf See beeinträchtigt. Diese [Spannungen] gingen auf die illegale Platzierung einer Ölbohrplattform Chinas in Vietnams ausschließlicher Wirtschaftszone zurück und verletzten Vietnams Souveränität und seine hoheitlichen Rechte.

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Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer - Voice of America / Wikipedia

Nachbarschaftsproblemen sehen sich viele ost- und südostasiatische Staaten gegenüber: das gilt für die Beziehungen zwischen Japan und den beiden koreanischen Staaten, für das chinesisch-japanische Verhältnis, für das chinesisch-vietnamesische Verhältnis sowie für die Beziehungen fast aller Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres mit Beijing.

Da sie weder alleine noch gemeinsam bei Verhandlungen ein regelrechtes Gegengewicht zu China bilden können, pflegen insbesondere die Philippinen und Vietnam zunehmend enge Beziehungen mit den USA. Je mehr sich die Konflikte mit dem historisch dominanten Nachbarn China zu verschärfen scheinen, desto offener wird Vietnam für eine Zusammenarbeit mit Amerika - ungeachtet der Tatsache, dass es ebenso wie China "kommunistisch " verfasst ist.

Das will einer chinesischen Öffentlichkeit erst einmal vermittelt werden. Provinzialität ist für die bei Auslandsthemen zur Zeit offenbar relativ eng geführten chinesischen Presse allerdings keine Option. Dafür sind die chinesischen Leser – ob liberal, nationalistisch oder vordergründig "unpolitisch" – zu sehr an dem interessiert, was jenseits der Grenzen vor sich geht.

Nachdem der amerikanische Generalstabschef Martin Dempsey vorige Woche während eines Vietnam-Besuchs eine zumindest teilweise Aufhebung des seit 1984 bestehenden amerikanischen Waffenembargos gegen das Land angedeutet hatte, stellte das chinesische Inlandsradio mehreren chinesischen Fachleuten die Frage nach den Motiven für die amerikanisch-vietnamesische Annäherung. Yu Hao, ein außenpolitischer Beobachter beim chinesischen Rundfunk, befand, dass sowohl Amerika als auch Vietnam misstrauisch gegenüber China geworden seien und ihre militärische Zusammenarbeit verstärkt hätten. Man habe sogar die Möglichkeit untersucht, die Marinebasis Cam Ranh Bay für US-Kriegsschiffe zu öffnen.

Xu Liping, Direktor des China Network for the Asia-Pacific Research bei der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften betrachtet Dempseys Vietnam-Besuch als ein Element in einem größeren Muster: neben den amerikanisch-vietnamesischen Beziehungen seien auch die Beziehungen zwischen den USA und Indonesien auf die Stufe einer umfassenden Partnerschaft gehoben worden. Es handle sich bei der umfassenden Partnerschaft um eine neue Form amerikanischer Beziehungen zu asiatischen Ländern überhaupt. Selbst die verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit sei Teil des amerikanischen Pivots nach Asien.

Die Frage, ob dies verstärkten Druck auf China bedeute, beantwortete Xu damit, dass Amerika durchaus auch das Südchinesische Meer im Auge habe und Vietnam zu einer Schachfigur gegen China machen wolle. (Die "Schachfigur" ist ein beliebtes Denkmodell in außenpolitischen Artikeln.) Die Zusammenarbeit werde aber begrenzt bleiben, weil in Vietnam weiterhin Vorbehalte gegen die USA bestünden. Umgekehrt sei das amerikanische Inland hinsichtlich Vietnams ebenfalls nicht allzu entspannt, so Xu. Damit aber, dass mit einer Aufhebung des amerikanischen Waffenembargos Vietnams Verteidigungsfähigkeit steige und Amerikas Rüstungsindustrie an neue Aufträge komme, erhielten beide Seiten das, was sie bräuchten.

Im übrigen würde Vietnams Außenministerium am liebsten mit allen fünf permanenten Mitgliedsstaaten im Weltsicherheitsrat strategische Partnerschaften etablieren, fügte Xu hinzu. Als zweite Wahl sei es nun eben erst einmal Amerika. Vietnam habe nicht vor, lediglich auf der Seite nur einer Großmacht zu stehen, sondern versuche seinerseits einen Gewichtsausgleich zwischen den Großmächten.

Verglichen mit vielen Spannungsfeldern in Ost-, Südost- und Südasien darf Europa auch in den Zeiten der Ukraine-Krise als übersichtlich gelten. Nicht nur die Zusammenarbeit mit Vietnam oder Südkorea stellt für Washington eine permanente Herausforderung dar; auch in Amerikas Verhältnis zu Japan – seit den 1950ern ein fast schon "traditioneller" US-Verbündeter – ergeben sich neue Entwicklungen, wie hier in einem Bericht für den "Council on Foreign Relations" dargestellt.

Die USA würden nicht wegschauen, wenn grundlegende Prinzipien der internationalen Ordnung herausgefordert würden, so US-Verteidigungsminister Chuck Hagel im Mai. Seine Warnung richtete er an China.

Huolong, ein Blogger und Übersetzer in der chinesischen Hauptstadt, sah das anders. Hagel möge das doch seinem japanischen Amtskollegen Itsunori Onodera erzählen.

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