Deine Freunde sind nicht meine Freunde

Siegesfeier in Beijing ---

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Omar Hassan al-Bashir, Präsident des Sudan und in Den Haag ein sehr »gesuchter Mann, mag unter eingeschränkter Reisefreiheit leiden. Aber am 3. September unternahm er nicht nur eine Fernreise, er bekam richtig etwas zu sehen: die Militärparade einer angehenden Supermacht, oder, wie der "Economist" unlängst monierte, einer (kommunistischen) Partei, die die Historie plündere, um ihre gegenwärtigen Ambitionen zu rechtfertigen. Für den Staatschef eines Entwicklungslandes, das gerade einen erheblichen Teil seines Territoriums in die Unabhängigkeit entlassen musste, dürfte das ziemlich großes Kino sein.

Hans Dietmar Schweisgut hingegen, Chefdiplomat der Europäischen Union in Beijing und Ulaanbaatar, findet Militärparaden (laut Associated Press) nicht so schön: er erklärte die weitgehende Abwesenheit europäischer Führer bei der chinesischen Feier laut Associated Press damit, es habe "stets ein Unbehagen hinsichtlich solcher Militärparaden gegeben".

Tony Blair, der Großbritannien anstelle des amtierenden Premierministers Cameron vertrat, wird das martialische Schauspiel gelassen ausgehalten haben. Im Gegensatz zu seinem Nachnachfolger Cameron hatte er schließlich noch Verwendung fürs Militär.

Weiteren Mutmaßungen zufolge wollte man sich im Westen nicht propagandistisch gegen Japan in Stellung bringen lassen.

Aber vielleicht war es auch gar nicht das Kriegsgerät, das den Westbesuch abschreckte, sondern eher die Gästeliste. Es ist schließlich anstrengend, ständig an anderen Gästen vorbeigucken zu müssen. Mancherorts wird die Einladung des sudanesischen Staatschefs als Skandal gehandelt.

Aber nicht, wenn man Hua Chunying fragt, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Ein paar Fragen und Antworten aus einer Pressekonferenz am Dienstag:

Frage (Fragesteller bleiben im Protokoll ungenannt):

Sudans Präsident Omar al-Bashar wird an den Aktivitäten am 3. September teilnehmen. Präsident Xi Jinping wird ihn ebenfalls treffen. Bashir wird vom Internationalen Strafgericht wegen Kriegsverbrechen gesucht. Liegt ein Widerspruch darin, dass China ihn zu Aktivitäten einlädt, die den Sieg im 2. Weltkrieg feiern?

Antwort:

Afrikanische Völker, darunter auch das sudanesische Volk, haben wichtige Beiträge zum Sieg des globalen antifaschistischen Krieges geleistet. Es ist richtig und vernünftig, dass China Präsident Bashir zu den Erinnerungsaktivitäten einlädt. China wird in angemessener Weise mit ihm umgehen, während er hier ist.
Beijing ist kein Unterzeichnerstaat des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes. China wird mit den einschlägigen Angelegenheiten auf Grundlage der Prinzipien internationalen Rechts verfahren.

Man könnte nun fragen, warum China kein Unterzeichnerstaat des Römischen Statuts sei. Die der diplomatischen Platitüde Huas zugrundeliegende Antwort mag die sein, dass Omar al-Bashir in Beijings Augen zuallererst der Präsident Sudans ist und nur in zweiter Linie Beijings Hundesohn alter Freund. Dass, anders gesagt, al-Bashirs Immunität für Beijing eine Sache staatlicher Souveränität und nicht persönlicher Verantwortung oder Schuld sei. Laut Professor Zhu Wenqi, Professor und Mitarbeiter des chinesischen Erziehungsministeriums und an der People's (Renmin) University, hatte Chinas Diplomatie an der Erarbeitung eines Konzepts zur internationalen Strafgerichtsbarkeit durchaus interessiert mitgearbeitet - der entscheidende Grund zur Nichtannahme des letztlichen Konzepts sei gewesen, dass die Entscheidung über die Zuständigkeit des Gerichts nicht bei den einzelnen Staaten liege.

Davon abgesehen passt Beijings Auffassung am besten zu seiner Afrikapolitik, und schließlich mag es unter Chinas "Eliten" immer noch eine Restbefürchtung geben, im schlimmsten Falle selbst einmal zum Ziel internationaler Strafjustiz zu werden.

Geht es um Fälle wie al-Bashirs, haben Beijings Kritiker unrecht, und Beijing hat nahezu hundertprozentig recht. Es kann keine Justiz geben, wenn die Führer kleinerer Länder sich einem Gericht stellen müssen, die größerer Mächte hingegen nicht. Frieden mag "eine Reise, ein nicht endender Prozess" sein, denn Dialog ist eine freiwillige Wahl. Aber wenn es um Justiz geht, müssen strengere Maßstäbe angelegt werden. Ungleiche Justiz ist ein Widerspruch in sich.

Hua Chunyings Bezugnahme auf das Römische Statut ist außerdem ein netter Seitenhieb gegen amerikanische Kritiker: Washington hat zwar das Statut unterzeichnet, es aber nie ratifiziert.

Am Mittwoch war es dann an Washington, für die angemessene Würdigung eines international weitgehend vergessenen Staates und seiner Beiträge zum VJ-Day zu sorgen. Taiwans englischsprachige Zeitung, die "China Post":

In a highly symbolic move, Taiwan’s representative to the United States attended an event in Washington D.C. Wednesday to commemorate the Allied Forces victory in the Pacific and the end of World War II.

Shen Lyushun’s (沈呂巡) attendance was the first time Taiwan’s top diplomat had been invited to attend similar events in the United States.

Und Bingo: Beijing gefiel die Gästeliste nicht:

China’s ambassador to the United States Cui Tiankai did not attend the event even though he had been invited. Chinese officials have protested the inclusion of Taiwan’s presence at the event.

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