Der Bürger als Meinungsmedium

Viele Worte ---

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Man könnte darüber schreiben, dass medienlesende Bürger fast nur auf Symbole reagieren: auf eine Präsidentschaftskandidatin, die es nach einem Schwächeanfall nicht mehr aus eigener Kraft ins Auto schafft, auf (Halb)vollverschleierungen, auf Putin, auf Broder, auf Trump, auf islamische Mit- oder Neubürger (es tut nichts, dass das voneinander ganz verschiedene Leute sind), auf einstürzende Großbauten oder auf öffentlich-rechtliches Fernsehen. Man könnte sich fragen, warum Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, denkende Menschen zu sein, solche Symbole zumindest als Startpilot benötigen, bevor sie ihre Gedanken entwickeln.

Und man könnte sich fragen, warum es ihnen auch in der hundertsten Runde noch von Belang sei, immer wieder die selben Gedanken zu äußern und die gleichen Gespräche zu führen.

Ein Wahlkämpfer muss das tun: er hält immer wieder die selben (oder jedenfalls gleichen) stomping speeches. Er verwendet immer wieder die selben Symbole. Allerdings will er damit nicht seine Meinung sagen. Man kann vermuten, dass er überhaupt nur sehr selten seine Meinung sagt. Seine Gratifikation ist nicht das Reden an sich, oder das Dabeisein, oder die Äußerung seiner Meinung, sondern die Aussicht auf das angestrebte öffentliche Amt.

Die Gratifikation für den durch Symbole mobilisierten oder meinungshabenden Normalstaatsbürger kann das aber nicht sein - selbst die Teilnahme an einer Demonstration führt bei ihm allenfalls zu dem Gefühl, das Richtige getan zu haben.

Vielleicht ist ja eben das der Lohn für den meinungsbeitragenden Bürger: das Gefühl, das Richtige gesagt zu haben. Egal, zum wievielten Mal. Es ist (ihm) nie genug.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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