Die "Gute Chinastory", ortskundig erzählt

China Radio International CRI (früher Radio Peking) möchte mit einer "Lokalisierungsstrategie" die Akzeptanz bei den Hörern verbessern. Aber nicht alle Maßnahmen stärken die Glaubwürdigkeit.

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Am 25. März habe man ein Propaganda-Innovationsseminar im Presseraum des Chinesischen Journalistenverbandes abgehalten, so die Website des Verbands, wiedergegeben durch die Nachrichtenagentur Xinhua einen Tag später, am 26. März 2014. Soeben hatten der "Nationale Volkskongress" (Chinas "Parlament") und die "Konsultativkonferenz des Chinesischen Volks" ihre alljährlichen Frühjahrssitzungen beendet.

Im darauf folgenden Innovationsseminar der Journalisten ging es unter anderem um praktischen Erfahrungsaustausch. Zhang Hui, stellvertretende Direktorin der Zentralredaktion des chinesischen Auslandsradios, "China Radio International" (im folgenden CRI), verkündete zunächst Statistisches: über die gerade beendeten "Zwei Sitzungen" sei in 55 Fremdsprachen, vier Sprachen der "nationalen Minderheiten" Chinas, fünf Dialekten des Han-Chinesischen und dem Hochchinesischen unter mehr als 620 Titelzeilen berichtet worden. Schriftlich oder per Radio habe CRI in 42.000 Meldungen oder Artikeln und in 3.800 Hintergrundberichten über die Sitzungen berichtet, unter Verwendung von 7.600 Fotos. Radioberichte seien über Frequenzen im Kurz- und Mittelwellenbereich und digital ausgestrahlt worden, und weltweit 160 Länder und Regionen habe man damit erreicht. Über 72.000 Hörer- und Leserreaktionen seien (seinerzeit noch nicht vollständigen Statistiken zufolge) per Brief, Telefonanruf, Fax, Email oder SMS bei CRI eingegangen.

Im Verlauf der Berichterstattung habe CRI Interviews in vielen Sprachen und mit wichtigen Persönlichkeiten geführt, wie zum Beispiel dem serbischen Premierminister, den Botschaftern Russlands, Mexikos, Koumbiens, Italiens, der Mongolei und aus über sechzehn weiteren Staaten. Parlamentarier ausländischer Staaten und andere ausländische Besucher hätten ihre positiven Einschätzungen der chinesischen Erfolge übermittelt. Man habe multimedial gearbeitet und hinsichtlich traditioneller und neuer Medien einen integrativen Ansatz verfolgt. So weit, und noch viel mehr, und so weit nichts Besonderes.

Für einen guten chinesischen Vortrag - für den es definitiv keine Zwanzig-Minuten-Grenze gibt -, gilt, dass das Wichtigste erst am Ende kommt. (An dem Punkt der Rede, an dem der zuhörende Westmensch längst eingeschlafen ist, wird der Ostmensch von einer inneren Uhr geweckt und beginnt zuzuhören.) Und Zhang kam zum Grande Finale: der Lokalisierung der Medienarbeit. Zitat:

CRI brachte ausländische Medienkräfte ins Spiel, förderte die Lokalisierung der Produktionsarbeit, der Verbreitung und Interaktion, verwirklichte die führende Rolle an der Front, und berichtete flächendeckend global.

1. Lokalisierung führt Produktion und Sendung an die Zuhörer heran. CRI hat sich in den letzten Jahren auf Unternehmen gestützt, um das Tempo der "Go-out policy" zu steigern. In den hauptsächlichen Städten in Thailand, Laos, Kambodscha, Südkorea, Albanien und in weiteren Ländern wurde eine Lokalisierung bei Recherche, Produktion, Verbreitung und in den Arbeitsprozessen erreicht. In der Berichterstattung über die zwei Sitzungen haben Überseemediencluster eine besondere Rolle gespielt. Ein UKW-Sender in Lissabon sendete ein Spezialprogramm (ABC der Zwei Sitzungen), heiße Themen, Gästeinterviews, Auslandspresseschauen, usw.. Eine UKW-Station in Bangkok, Thailand sendete in ihrem Programm "Colorful World" in lockerer Sprache die Story der Zwei Sitzungen.

国 际台调动海外媒体力量,推进本土化制作、发布和互动,实现两会报道阵地前移、报道全球覆盖。1.本土化内容制播贴近受众需求。 近年来,国际台依托公司化运作加快“走出去”步伐,在泰国、老挝、柬埔寨、韩国、阿尔巴尼亚等多个国家的主要城市,实现了本土化采集、制作、发布和运营。 两会报道中,海外媒体集群发挥了独特作用。葡萄牙里斯本调频台播出特别节目《两会ABC》、热点问题、嘉宾访谈、外媒评论等。泰国曼谷调频台在《缤纷世 界》栏目中,以轻松活泼的形式讲述两会故事。

Im "Studio 93" und in ähnlichen Programmen des UKW-Senders in Vientiane, Laos, wurden in einer Sondersendung laotische Offizielle, Experten und Akademiker eingeladen, die Inhalte der zwei Sitzungen zu interpretieren. Im Programm "Zeitgeschichte in chinesischer Sprache" des albanischen UkW-Senders vermittelte man die Schwerpunkte des Tages mit den entsprechenden Schlagworten. CRI's Sender der CAMG-Mediengruppe in Melbourne, Auckland, Bangkok, Incheon, Colombo, Kathmandu, Ulaan Bataar und anderen Studios legten im Voraus die Nachrichtenprogramme über die Zwei Sitzungen fest, organisierten die Mechanismen der Berichterstattung, und gaben so ein Beispiel für die Vorteile der Lokalisierung. Das Studio in Bangkok vermittelte mit Hilfe örtlicher Moderatoren im Programm "Thai-chinesische Verwandtschaft" Erklärungen [zur Art und Weise] der zwei Sitzungen, in einer vertrauten Art und Weise und beträchtlichem Erfolg.

老挝万象调频台在《93 播放室》等栏目中开设两会专 栏,邀请老挝官员、专家学者,解读两会相关内容。阿尔巴尼亚调频台在《时事汉语》节目中,开设“两会热 词”,关注当天热点。国际台环球凯歌公司下属的墨尔本、奥克兰、曼谷、仁川、科伦坡、加德满都、乌兰巴托等节目制作室,提前制定中国两会报道方案,建立健 全报道机制,彰显本土化传播优势。泰国曼谷节目制作室通过《泰中一家亲》栏目,由泰国本土主持人向受众解读中国两会,报道贴心,实效显著。

2. Die Internationalisierung der Berichterstattung erfolgt in Übereinstimmung mit den Rundfunkbestimmungen. CRIs EDI Media in Nordamerika, GBTimes in Europa, und CAMG Media in Australien, Global Iberia in Portugal und anderen Überseefirmen entsandten neun Reporter in ihrer Eigenschaft als unabhängige Reporter zu den zwei Sitzungen, wo sie positiv aktiv waren. Louise, Andrew und Michael sowie andere Reporter von CAMG, IBTimes und EDI Media stellten getrennt voneinander fünfmal Fragen an die jeweiligen Minister und Abgeordneten, zur Vermögenssteuer, Umweltpolitik, Wirtschaftswachstum usw. und erzielten dabei breite Aufmerksamkeit in den in- und ausländischen Medien. Die neun Reporter [die über die "Zwei Sitzungen" berichteten] sendeten Kurzkommentare, Blogs, Vermischtes, heiße Themen auf den sozialen Netzwerken und Fotostories [an ihre jeweiligen Ortssender] und erzählten als geliehene ausländische Mitarbeiter [wörtlich: Mitarbeitermünder] und ausländische Medienunternehmen die gute chinesische Story. [...]

2. 国际化新闻运作遵循传播规律。国际台美国环球东方、欧洲环球时代、澳洲环球凯歌、葡萄牙环球伊比利亚等海外公司,派出9名记者以海外独立媒体记者身份 上会,积极活跃在两会会场内外。环球凯歌、环球时代、环球东方上会记者Louise、Andrew、Michael等分别就房产个税、环保治理、经济增长 等在记者会上向各位部长、人大代表提问达5次,受到中外媒体广泛关注。9名上会记者为海外媒体公司开设的网站和落地电台发回短评、记者博客、每日花絮、社 交媒体热议以及图片新闻等报道,实现了借用外籍员工之口和海外媒体平台讲好中国故事。[...]

In Zhang Huis Schlussbemerkungen tauchte dann ein wirkliches Schlagwort der Berichterstattung auf: das "geliehene Boot" als Propagandastrategie.

Ebenfalls ein Schlagwort nicht in, sondern hinter der frisierten Berichterstattung war das "Erzählen der guten chinesischen Story". Der Begriff wurde im vorigen Herbst von Staats- und Parteichef Xi Jinping geprägt; lässt aber in der Ausgestaltung viel Interpretationsspielraum für die jeweils ausführende Ebene - in diesem Fall das Management des Auslandssenders CRI -, und bei Bedarf, wenn es schiefgeht oder wirklich nicht im Sinne der zentralen Führung war, auch viel Raum für Schuldzuweisungen an die operative Ebene.

Dabei ist schwer zu sagen, ob die Idee, sich über nicht auf den ersten Blick erkennbare Beteiligungen an Auslandsmedien eine schöne Presse zu verschaffen, direkt in Beijing ausgebrütet wurde, oder ob es sich um Überseechinesen handelte, die Geschäftsinteresse und Patriotismus miteinander zu verbinden wussten.

In einer "Enthüllungsstory" der britischen Nachrichtenagentur Reuters jedenfalls, die Anfang November herauskam, spielen die Medienunternehmer James Su (EDI Media, USA), Zhao Yinong (GBTimes, Tampere, Finnland) und Tommy Jiang (CAMG, Melbourne, Australien) tragende Rollen. Jeder von ihnen gründete laut Reuters ein regionales Unternehmen, an dem eine hundertprozentige CRI-Tochter, die Guoguang Century, zu jeweils sechzig Prozent beteiligt ist. Mindestens James Su hielt schon vor Beginn dieser Form der Zusammenarbeit mit CRI Vorträge auf chinesischen Fachkongressen, in denen er seiner (chinesischen) Vaterlandsliebe freien Lauf ließ, die Diskriminierungen und Errungenschaften seiner damaligen Radiostation in Los Angeles beklagte und den chinesischen Auslandspropagandisten die Vorteile der Lokalisierung nahelegte, kurz darauf tatsächlich umgesetzt wurde und die sich mittlerweile - laut Reuters - zu einem Netzwerk von 33 Stationen in 26 Ländern entwickelt hat.

Es ist ein komplexer Bericht, an dem, ebenfalls laut Reuters, 39 Reporter mitgearbeitet haben sollen, und der rechtliche Auswirkungen haben könnte. Kurz nach der Veröffentlichung gaben die amerikanische Fernmeldebehörde FCC und das US-Justizministerium bekannt, dass - offenbar auf Basis eines Fernmeldegesetzes von 1934 und eines Foreign Agents Registration Acts gegen James Su entwickelt werde.

Dabei hätte die FCC, die nun auf Grundlage der Reuters-Berichte ermittle, in der Vergangenheit nur einmal sein ihr Radio einschalten müssen, spottete der Medienbeobachter Kai Ludwig in einer Notiz im Medienmagazin von Radio Eins am 7. November. Gemeint ist der Sender WCRW, der aus dem angrenzenden Virginia vor allem für das Zielgebiet Washington D.C. sendet, und dessen Sendezeit fast komplett von James Sus EDI Media angemietet wurde.

Der von Ludwig zitierte Medienexperte Kim Andrew Elliott, seinerseits Mitarbeiter des U. S. International Broadcasting Bureaus, dürfte jedenfalls damit recht haben, dass ein entspannter Umgang mit der "guten Chinastory" sehr viel klüger wäre Aktionismus.

Nicht ganz stillhalten wollte ihrerseits die halbamtliche chinesische Zeitung "Huanqiu Shibao". Sie bestritt im Besonderen den Wahrheitsgehalt des "Reuters"-Bericht und beschäftigte sich im Allgemeinen mit Chinas Kritikern und den Kritikern von Konfuzius-Instituten.

Das Shanghaier Magazin "Guanchazhe" hingegen hatte offenbar seinen Spaß an den Reuters-Nachrichten: aus den geliehenen Booten des chinesischen Auslandsradios machte "Guanchazhe" ein "geliehenes Huhn, das Eier legt".

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JR's China Blog

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