Die Supertugendhafte Zombiemonsterkanzlerin

Angela Merkel Es gibt Linke oder Linksliberale, die himmeln die Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik an. Es gibt welche mit punktuellem Respekt vor ihr. Und es gibt die Exorzisten.

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Es ist schwer zu glauben, aber es gibt vermutlich Linke, die Albrecht Müllers Appell, veröffentlicht am Donnerstag, nicht verstehen werden. Ich kenne selber welche, und ich kann das auch nicht glauben.

Merkel ist eine Teflon-Kanzlerin, so wie Ronald Reagan ein Teflon-Präsident war. Der alte Filmschauspieler, der meistens als Abrissbirne unterwegs war und die amerikanische verarbeitende Industrie (also Brutstätten kommunistischer Gewerkschaften) plättete, verprügelte sein Land, lächelte dazu, erzählte volkstümliche Witze und wurde dafür geliebt.

Nun sind Amerikaner ja bekanntermaßen doof, apolitisch und höchst verführbar. Das weiß jeder gute linke Deutsche. Aber leider sind neuerdings auch die Deutschen doof und manipulierbar - jedenfalls, wenn Angela Merkel Paul Gerhard singt.

Um klar zu sein: ich meine Albrecht Müller - mit seinem konkreten Appell - sehr gut zu verstehen. Ich verstehe die von ihm kritisierten Linken nicht, oder fast nicht, wenn sie sich mit Angela Merkel identifizieren.

Aber ich glaube nicht an Müllers Methodik. Wer z. B. Merkel die Modernisierung der amerikanischen atomaren Raketenflotte in Deutschland vorwirft, lässt dabei den geschichtlichen Umstand beiseite, dass ein sozialdemokratischer Bundeskanzler - Helmut Schmidt - eine atomare Nachrüstung in den 1970er/1980er Jahren nicht nur duldete, sondern energisch einforderte und verteidigte. Er tat das nicht, weil er einen unmittelbar bevorstehenden Angriff der UdSSR fürchtete, sondern weil er die Ansicht vertrat, bei einem "Ungleichgewicht" zwischen den ost-westlichen Mittelstreckenarsenalen bestehe eine Erpressbarkeit weiter Teile Westeuropas.

Es gab zwar damals eine Kriegs- und eine Enkelgeneration, die das nicht auf sich beruhen lassen wollte, und es gab Medien, die ihre Proteste für die Öffentlichkeit wahrnehmbar machten. Aber es gab auch eine satte bundesdeutsche Mehrheit, die nicht nur den Nachrüstungskanzler überaus toll fand, sondern die 1983, in künstlich eingeleiteteten Bundestagswahlen, die soeben neu gebildete Nachrüstungsmehrheit aus Union und FDP bestätigte. Warum auch immer sie das tat. Das wusste sie vielleicht selbst nicht so genau. Irgendwie war sie ja gegen die Nachrüstung.

Müller kann das nicht vergessen haben. Aber so funktioniert eben das Ausblenden: nützt es dem altbösen Feind, ist es des Teufels.

Auch Gerhard Schröder hätte im vorigen Sommer mit großer Wahrscheinlichkeit so entschieden wie Merkel.

Mit einem Unterschied vermutlich: er hätte in den Jahren davor der griechischen Öffentlichkeit gegenüber publikumswirksamer Sympathie geheuchelt als Merkel, und Deutschland damit vielleicht ein paar europäische Freunde mehr erhalten als die Amtsinhaberin. Wer aber glaubt, Hans Eichel oder Per Steinbrück hätten eine andere "Sanierungspolitik" gefahren als Schäuble, glaubt auch an den Weihnachtsmann.

In weiten Teilen hat Müller mit seinem Appell Recht. Aber das nützt ihm, seinem Appell, und allen Bundesbürgern guten Willens nichts, wenn dabei ein Feindbild gepflegt wird, auf dem zum Teil noch wildere Sittengemälde aufbauen als bei Müller - bis hin zu einem abergläubischen Hass, der nicht nur schon an sich Unrecht ist, sondern der außerdem genau das tut, was die "kritischen" Linken den "unkritischen" Linken vorwerfen: ein solcher Hass überhöht die Kanzlerin.

Es ist kein überzeugender Vorwurf gegen Merkel, dass sie eine unverdiente Popularität genieße. Es hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - vielleicht zeitweise mit Ausnahme Helmut Kohls - gar keine unpopulären Bundeskanzler gegeben. Diese kontinuierliche, amtszeitenübergreifende Popularität wäre aber nicht denkbar gewesen - sie hätte nicht funktioniert -, wenn nicht auch bei Merkels Vorgängern viele negative Sachverhalte in der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet worden wären. Die Nachschlagewerke der Spin-Doktoren, die vor 2005 im Bonner Kanzleramt tätig waren, waren gewiss nicht auf dem gleichen Stand wie die der für Merkel tätigen Propagandisten, aber sie dienten ebenso der Manipulation einer Massengesellschaft wie die heutigen.

Und da wäre anzusetzen: wie funktioniert das?

Wenn eine rationale, forschende Haltung Teil einer linken Identität ist, dann sollte sie nicht nur aufhören, Merkel zur Lichtgestalt zu erheben. Sie zu einem Medium des Bösen aufzublasen ist ebenso unvernünftig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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