Feuer und Flamme für Ostasien?

Trumps Gesichtsverlust Donald Trump riskiert zwar nicht Amerikas Bündnisfähigkeit in Ostasien, aber er und sein Land verlieren unnötig viel Gesicht.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Donald Trump bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung
Donald Trump bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung

Foto: Timothy A. Clary/AFP/Getty Images

Die Botschaft schien unmissverständlich - US-Präsident Trump in seiner Rede an die UN-Vollversammlung am Dienstag:

Es ist empörend, dass einige Nationen nicht nur mit einem solchen Regime Handel treiben, sondern ein Land bewaffnen, beliefern und finanziell unterstützen, das die Welt in die Gefahr eines nuklearen Konfliktes bringt. Keine Nation der Welt hat ein Interesse daran, dass diese Bande von Kriminellen sich mit nuklearen Waffen und Raketen bewaffnet.

Die Vereinigten Staaten verfügen über große Stärke und Geduld, aber wenn sie gezwungen sind, sich selbst oder ihre Alliierten zu verteidigen, werden wir keine andere Wahl haben,als Nordkorea vollständig zu zerstören. Rocket Man ist auf einer Selbstmordmission für sich selbst und sein Regime. Die Vereinigten Staaten sind vorbereitet, bereit und dazu in der Lage, aber es wird hoffentlich nicht nötig sein. Darum geht es bei den Vereinten Nationen; dafür sind sie da. Wir werden sehen, wie sie sich machen.

[...]

Aber wir müssen mehr tun. Es ist Zeit für alle Nationen der Welt, das Kim-Regime zu isolieren, bis sein feindseliges Verhalten aufhört.

Wir stehen nicht nur hinsichtlich Koreas vor dieser Entscheidung. Es ist überfällig, dass die Nationen der Welt sich auch einem anderen rücksichtslosen Regime stellen - eines, das offen vom Massenmord spricht, das Amerika den Tod und Israel die Zerstörung schwört, und den Ruin vieler Führer und Nationen in diesem Raum.

Damit hatte sich Trump dem Iran zugewandt. Verdächtigt werden Pyongyang und Teheran schon lange, auf dem Gebiet atomarer Bewaffnung zusammenzuarbeiten. Entsprechende Anschuldigungen erschienen immer wieder; auch Hans Rühle, in den ersten sechs Jahren der Kanzlerschaft Helmut Kohls Leiter des Planungsstabes im Bundesverteidigungsministerium, und später "Experte für Atomtechnologie und -waffen", beteiligte sich 2012 daran. Und in Amerika übernahm das Orakel persönlich, Henry Kissinger, die Aufgabe, Pyongyang die - mutmaßliche, wie er sagte - Weiterverbreitung seiner nuklearen Waffen in den Iran anzulasten, nachdem er gefragt worden war, ob man sich mit der nuklearen Bewaffnung Nordkoreas nicht einfach abfinden könne.

Trumps Rede schlug diesen Bogen nicht, unterstellte aber dem 2015 zwischen dem Iran und den UN-Vetomächten plus Deutschland geschlossenen Atomabkommen, fortdauernde Atomwaffenprogramme des Iran zu kaschieren.

Das Iranabkommen war eins der schlechtesten und einseitigsten Geschäfte, die die Vereinigten Staaten jemals eingegangen sind. Ehrlich gesagt, jenes Abkommen ist eine Peinlichkeit für die Vereinigten Staaten, und ich glaube nicht, dass Siezum letztenmal davon gehört haben - glauben Sie mir. (The Iran Deal was one of the worst and most one-sided transactions the United States has ever entered into. Frankly, that deal is an embarrassment to the United States, and I don’t think you’ve heard the last of it -- believe me.)

Damit kritisierte Trump seinen Amtsvorgänger Obama, der gegenüber Kongress und Öffentlichkeit erfolgreich für die Ratifikation des Abkommens geworben hatte:

Die Geschichte zeigt, dass Amerika nicht nur mit unserer Macht führen darf, sondern mit unseren Prinzipien. Sie zeigt, dass wir nicht dann stärker sind, wenn wir alleine sind, sondern wenn wir die Welt zusammenbringen. (History shows that America must lead not just with our might, but with our principles. It shows we are stronger not when we are alone, but when we bring the world together. )

Trump und sein Außenminister Tillerson fanden allerdings mit ihren Forderungen auf Nachverhandlung des Abkommens bei den übrigen Vertragsbeteiligten keine Gegenliebe. Und auch die Nordkorea-Linie des Präsidenten dürfte in Ostasien nicht auf Gefallen stoßen. Allerdings zeigt die historische Erfahrung, dass die Toleranz der im Kriegsfall unmittelbar betroffenen Völker sehr belastbar ist, wenn von eben diesem Kriegsfall gesprochen wird. Als Ronald Reagan sein Amt antrat, fielen sowohl er selbst als auch seine neuen Minister in Europa durch Ansagen auf, die man wahlweise als Ahnungslosigkeit oder als feurigen Wahnsinn der neuen Administration deuten mochte. Aber sie sprengten nicht das nordatlantische Bündnis, sondern brachten es binnen eines Jahrzehnts um seinen Feind östlich der Elbe.

Trump verbraucht jedoch etwas anderes: das Ansehen seines Landes. Just in Ostasien wirkt sich Gesichtsverlust auch auf den realen Einfluss aus. Es macht sich nicht gut, wenn der - angeblich - mächtigste Mann der Welt seinen nordkoreanischen Gegner als rocket man bezeichnet. Geht es um dumme Sprüche, betritt Trump nämlich ein Feld, auf dem Waffengleichheit herrscht: Ri Yong Ho, Nordkoreas Außenminister, der ebenfalls an den Herbstsitzungen der UN-Vollversammlung teilnimmt, glaubte nach der Rede des amerikanischen Präsidenten, "Hundegebell" gehört zu haben, und drückte Trumps Beratern sein Mitgefühl aus.

Um vor den Augen seiner Unterstützer - sprich: Wähler - in den USA bestehen zu können, bräuchte Trump ebenfalls keine Wutreden, sondern Erfolge bei seiner außenpolitischen Agenda. Aber weder Feinde, Gegner, Partner, noch Verbündete sehen so aus, als wollten sie ihm dabei helfen.

Beijing, das aufgrund seiner Schlüsselrolle in der Denuklearisierungsfrage vom Weißen Haus abwechselnd belobigt und kritisiert wird, definiert seine Schmerzgrenze gegenüber Pyongyang jedenfalls eher großzügig. Nach dem neuesten Atomtest Nordkoreas hieß es in einem Leitartikel de parteieigenen "Huanqiu Shibao", Anfang des Monats, Nordkorea dürfe die Sicherheit des chinesischen Nordostens nicht gefährden:

Die Sicherheit des Nordostens [i. e. der Provinzen Jilin, Heilongjiang und Liaoning] hat Vorrang. Wir müssen Pyongyang durch alle Arten von Kanälen mitteilen, dass seine Tests nicht den Nordosten [Chinas] kontaminieren dürfen. Chinas strategische und umwelttechnische Sicherheit sind die Grundlinie Chinas, bis zu der es sich Zurückhaltung auferlegen wird. Man muss hoffen, dass dies klar zwischen China und Nordkorea kommuniziert wird, und dass dies Nordkorea hilft, die Feierlichkeit und den Ernst der chinesischen Herangehensweise zu verstehen. Wenn Nordkorea sich an diese Grundlinie nicht hält, und wenn sein eigenes Territorium und die anliegenden Gebiete Nordostchinas kontaminiert werden, wird der gegenwärtige Rahmen der chinesisch-nordkoreanischen Beziehungen nicht mehr existieren.

So lange das nicht passiert, wird man davon ausgehen können - oder müssen -, dass Beijing seinen obstinaten Bündnispartner zwar im Rahmen der UN-Sanktionen piesacken, aber den Sturz des Regimes nicht zulassen wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

JR's China Blog

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden