Just a Girl: Jener Tag im Jahr 1945

Radio und Internet Japanische Gedenkkultur ist eine Herausforderung.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Hiroko Watanabe

An diesem Samstag, und an den drei vorigen Samstagen, sendete Radio Japan, ein Kurzwellendienst der Japanischen Rundfunkgesellschaft NHK, die englischsprachige Fassung einer ursprünglich für den regionalen Hörfunk Hiroshimas Gedenksendung. "On that Day in 1945, My Mother was Just a Girl".

Zusammengenommen ist die dreiteilige Serie etwa 45 Minuten lang. Es handelt sich um eine Art bildungserzieherisches Programm, das umso mehr in diese Richtung wirkt, als der hauptsächliche Erzähler als öffentlich Bediensteter an den jährlichen Gedenktagen am Hiroshima Peace Memorial ausländische Besucher begleitet. Die eigentliche Hauptperson und Miterzählerin allerdings ist seine Mutter. Als sie die Explosion der Bombe erlebte, war sie dreizehn Jahre alt.

Die Sendung spricht die Emotionen des Hörers an - zurückhaltend, aber wirkungsvoll. Sie dreht sich um Schmerz, Trauer, ein pietätvolles Sohn-Mutterverhältnis und um schweres seelisches Gepäck.

Wie auch sonst nicht unüblich in Japan, wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht, muss sich ein Hörer, der sich ein Bild ohne erhebliche geschichtliche Auslassungen zu machen versucht, vieles hinzudenken. Der frühere Japan-Korrespondent James Fallows beschreibt die typischen Lücken anhand eines grafischen Beispiels aus dem japanischen Geschichtsunterricht eins seiner Kinder:

When we lived in Japan our children went to Japanese public schools. In the sixth-grade world-history class that one of them took, the historical time-chart running along one wall showed a mainly blank space between about 1937 and the summer of 1945, when the start of the postwar era was delineated with a mushroom cloud.

Als wir in Japan lebten, gingen unsere Kinder in japanische staatliche Schulen. Im Kurs für Weltgeschichte im sechsten Jahrgang, den eins von ihnen besuchte, zeigte die historische Zeitleiste entlang einer Wand eine überwiegend leere Fläche zwischen 1937 und dem Sommer 1945, an dem der Beginn der Nachkriegsära mit einem Atompilz dargestellt wurde.

"On that Day in 1945" ist - auch - Propaganda, und gleichwohl hörenswert. Mehr noch gilt das für die regelmäßige samstägliche Kurzgeschichtenrubrik.

Kim Bok Dong

Die zwei Bilder gleichen sich sehr: das gezeichnete Porträt Hiroko Watanabes (mit ihrem Sohn), und das fotografierte Bild Kim Bok Dongs, verwendet in einem heute von der "Berliner Zeitung" veröffentlichten Artikel. Watanabe ist in ihren mittleren Achtzigern, Kim in ihren frühen Neunzigern. 1940 wurde sie von der japanischen Armee zwangsprostituiert. Sie war, schreibt der Verfasser, gerade mal 14 Jahre alt.

Wie ihr erging es vielen Frauen und Mädchen, vor allem aus Korea, China und den Philippinen.

Radio Japan sendet tägliche Kurzwellenprogramme über die österreichische Station Moosbrunn, auf 5975 kHz um sieben Uhr MESZ (Sommer), und um sechs Uhr MEZ (Winter). Weitere Hörmöglichkeiten finden sich auf der Website des japanischen Auslandsradios.

Ebenfalls aus Moosbrunn sendet der österreichische Rundfunk selbst, von sieben bis kurz nach acht Uhr (MESZ und MEZ), auf 6155 kHz.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

JR's China Blog

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden