Lee Kuan Yew, 1923 - 2015

Singapur Er galt als "Gründungsvater" Singapurs. Sowohl die Unabhängigkeit des Stadtstaats als auch seine rasante Entwicklung wird Lee Kuan Yew als Verdienst zugeschrieben

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Lee Kuan Yew, 1923 - 2015

Bild: Suhaimi Abdullah/Getty Images

Gott schuf Himmel und Erde, Pan Gu war Himmel und Erde, und Lee Kuan Yew erfand das Paradies. Das könnte man zumindest glauben, wenn man die Nachrufe liest.

Was Lee und seiner "People's Action Party" (PAP) allerdings zugeschrieben werden kann ist die Schaffung starker Institutionen und eine erfolgreiche Bildungs- und Wirtschaftspolitik.

Weniger groß ist der Beifall für Singapurs politisches System: es gebe keine Wahlfälschungen, so "Freedom House", aber die PAP beherrsche den politischen Prozess, nicht zuletzt mit Hilfe von Zensurmaßnahmen und einer Wahlleitung, die nicht unabhängig sei.

Die eigentliche Grundlage der politischen Legitimation Lees aber dürfte der wirtschaftliche Erfolg Singapurs gewesen sein.

Das galt auch im Ausland. Viele Asiaten, auch Chinesen und Taiwaner, bewundern Singapur als eines der am wenigsten korrupten Länder der Welt, im Gegensatz zu den Staaten, in denen sie selbst zu Hause sind. Auch der amerikanische Präsident gehörte offenbar zu Lees Bewunderern - was in das Bild passt, das konservative Republikaner und tea partisans ohnehin von ihrem Präsidenten haben. Der Diplomat und zeitweilige Mitarbeiter des National Security Council Jeffrey Bader in einem Beitrag für die Brookings Institution:

Lee met with President Obama in the Oval Office in 2009. In the pre-brief, Obama told me of his admiration for Lee, who he saw as a towering figure, a view affected by Obama’s youth in Indonesia at a time when Lee was coming to prominence. In response to a query about Singapore’s human rights record, Obama acknowledged issues, but noted that there weren’t an awful lot of countries that provided better lives to their citizens than Singapore.

Lee entwickelte, wie viele andere politische Führer Asiens, eine Art Philosophie, mit der er seinen Politikstil ideologisch begründete. Er galt wohl nicht als Konfuzianer, war aber nicht unberührt von ihren Vorstellungen. Dazu gehörte auch ein ausgeprägtes Loyalitätsverständnis.

33 mal habe Lee seit 1976 China besucht, so die chinesische "Volkszeitung" am Montag. Und 25 mal die "abtrünnige Provinz" Taiwan, laut einer Zählung des taiwanischen Auslandsradios.

Beijing ignorierte die Freundschaft des singaporianischen Machthabers mit der KMT-Regierung in Taipei weitgehend und konzentrierte sich, wie in der VR-Diplomatie nicht unüblich, auf Gemeinsamkeiten.

Ein "China-Experte" sei Lee gewesen, zitiert die "Volkszeitung" den Westen, und ein Westexperte sei er außerdem gewesen, zitiert die "Volkszeitung" China.

In der europäischen Presse lag der Schwerpunkt der Berichterstattung auf der Menschenrechtslage in Singapur, insbesondere, wenn das drakonische Justizsystem auch Ausländer in Singapur betraf, und Lee nahm auf Anfrage selbstbewusst Stellung dazu:

Die ganze Welt weiß: Wer in Singapur mit Drogen ankommt, der wird hängen. Wir sind ein wichtiger Knotenpunkt im Luft- und im Seeverkehr. Wer Drogen unter die Leute bringt, der zerstört Hunderttausende und liefert sie einem Schicksal aus, das schlimmer ist als der Tod.

Ein Land, über das er seine Meinung seit den 1990er Jahren graduell änderte, war Amerika. Nach ideologischen Konflikten in den 1990ern bemühte er sich in den letzten Jahren um eine Art Ausgleich zwischen Amerika und China:

Unlike US-Soviet relations during the Cold War, there is no bitter, irreconcilable ideological conflict between the US and a China that has enthusiast.

Und wenn Wahlen in Singapur auch eher eine Formalie sind als Teil eines demokratischen Prozesses: Lee war nicht blind für die Legitimation, die ein politischer Führer aus der Stimmabgabe seiner Wähler ziehen kann.

"Sie haben keine moralische Autorität", erklärte er laut AFP vor elf Jahren dem damaligen Hong Konger Chief Executive Tung Chee-hwa."Sie wurden von 400 Leuten ausgewählt, und nächstes Mal werden Sie von 800 Leuten ausgewählt. Tung würde über Autorität verfügen, wenn er von allen Wahlberechtigten Hong Kongs gewählt worden wäre.

Wenige Tage später dementierte Lee allerdings, so gesprochen zu haben. Er habe lediglich wiedergegeben, was die (von Lee keineswegs sonderlich respektierte) Hong Konger Opposition behaupte.

Wie das Verhältnis der nun von Lees Sohn geführten Regierung und Partei zur singapurianischen Opposition sich gestalten wird, bleibt abzuwarten. Alle großen Menschen seien immer noch Menschen, so Fang Yueguang, Generalsekretär der Demokratischen Fortschrittspartei Singapurs, laut "Lianhe Zaobao", mit Stärken und Schwächen. Aber in dieser Zeit der Trauer wolle man sich an die Beiträge erinnern, die Lee für das singapurianische Volk geleistet habe.

Mehr zum Thema


Thousands queue, 25.03.15


Updates


Indefinitely banned, 23.03.15
Chee Soon Juan, acc. 27.03.15

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

JR's China Blog

Kommentarfunktion deaktiviert

Die Kommentarfunktion wurde für diesen Beitrag deaktiviert. Deshalb können Sie das Eingabefeld für Kommentare nicht sehen.