Privatisierte Gewinne, sozialisierte Schulden

Goldman Sachs Neoliberalismus funktioniert am besten, wenn er seine Leute zur richtigen Zeit an den richtigen Stellen hat

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Von J. Taylor, Hong Kong

Während Europa riesige Schulden aufhäuft, um einzelne Länder und das System zu retten, verdienen sich nicht immer nur die üblichen Verdächtigen daran dumm und dämlich. Die mächtigste Bank der Welt begann ihr unheimliches Werk in einem kleinen Büro in New York, in dem ein deutscher Einwanderer einst die Aktie erfand, das erste Schneeballsystem für Geldanlagen wurde dort geboren und in letzter Zeit erblickte dort das Abacus-System das Licht der Welt, ein im Kern simpler Finanztrick, mit dem alle Regierungen der Welt gezwungen werden können, zu machen, was Goldman Sachs nutzt. Diese Macht wurde der Bank nicht durch himmlische Gaben in den Schoß gelegt, sondern begründet sich auf das glückliche Zusammentreffen dreier Ereignisse, die in der Endsumme eine Art Alleinherrschaft manifestiert. Goldman Sachs besitzt eine umfangreicheLufthoheit über die Finanztöpfe von Staaten, was im Falle der Euro-Krise fatale Auswirkungen hat.

Die Deregulierung

Der Startschuss für das ganz große Geld und damit auch eine Ursache für die Euro-Krise war die Deregulierung der Finanzmärkte durch die Regierungen Reagan und Thatcher, ein Schritt, der jedwede Ethik und Moral des Geldes, selbst wenn die nur embryonal vorhanden waren, dem Gully übereignete. Unter Führung der Neocons im Umfeld des US-Präsidenten Reagan wurden alle Bremsen der Vernunft beseitigt, aus Bankiers wurden Banker. Nun war die Grundlage gelegt, aber erst durch einen Kredittrick mit dem Euroanwärter Griechenland im Jahre 2000 und den Synergien mit dem Abacus-System gelang es, alle wichtigen Zentralbanken und Regierungen auf die Linie der Bank zu zwingen.

Der Griechenlandtrick

Als absehbar war, dass Europa eine eigene Währung bekommen würde, die dem US-Dollar als Weltwährung den Rang streitig machen könnte, ersannen pfiffige Mitarbeiter der Bank einen genialen Plan. Um Griechenland, dem wirtschaftlich schwächsten Aspiranten in der EU, den Eintritt in den Euro zu ermöglichen, mussten die Staatsbilanzen „stimmen“. Für eine Bank wie Goldman Sachs kein Problem, denn mit Petros Christodoulou saß ein ehemaliger Mitarbeiter der Bank als Leiter der griechischen Schuldenmanagementagentur an der richtigen Stelle. Goldman Sachs drückte mit Devisen Swaps, die als OTC-Geschäft ohne Registrierung über den Tisch gehandelt werden konnten, die Schulden Griechenlands um wenige Prozent, was ausreichte, um die Kriterien für den Eurobeitritt zu schaffen. Griechenland war glücklich, denn durch den Beitritt zur Eurozone sanken die Zinsen, die Verschuldung stieg schnell auf 100% des BIP und schließlich machte Goldman Sachs den Sack zu. Erst knüppelten amerikanische Ratingagenturen die Bonität in den Keller, dadurch stiegen die Zinsen, dies senkte wieder das Rating, und schließlich hisste Griechenland die weiße Flagge. Goldman Sachs wusste, dass die Eurozone alles tun musste, um Griechenland zu retten, denn im anderen Fall würden Italien, Spanien und Portugal fallen. Der Plan ging auf. Seit diesem Tag retten Europas Steuerzahler auch die Gewinne von Goldman Sachs.

Das Abacus-System

Das Abacus-System ist so etwas wie die hohe Schule des Finanzmassage. Es tauchte zuerst als Kreditausfallversicherung (CDO) unter dem Namen Abacus 2007-AC1 in einem Verfahren gegen den Goldman Sachs Mitarbeiter Fabrice Tourre im Jahre 2007 auf. In diesem Jahr bündelte Goldman Sachs schlechte Immobilienkredite (Subprimes) zu Wertpapieren, besorgte von Ratingagenturen ein AAA-Rating und verkaufte die Papiere im großen Stil an Kunden, wettete aber gleichzeitig auf einen Ausfall dieser Forderungen. Frei nach dem Motto „Damit Goldman Sachs gewinnt, müssen andere verlieren“ war der finanzielle Verlust der Anleger fest einkalkuliert. Goldman Sachs war mit dieser Strategie so erfolgreich, dass im Jahr darauf der schärfste Konkurrent Lehman Brothers die Segel strich und mit ihm die gesamte Finanzwirtschaft auf der ganzen Welt einen grandiosen Abgang hinlegte. Im Jahre 2008, dem Jahr der weltweiten Finanzkrise, machte Goldman Sachs daher nur einen bescheidenen Gewinn in einstelliger Milliardenhöhe, was so nicht eingeplant war. Die Regierungen auf der ganzen Welt retteten brav und folgsam ihre Banken, ganz im Sinne von Goldman Sachs, denn das war eingeplant.

Fast wäre Goldman Sachs auf der Zielgeraden gescheitert, denn mit AIG drohte auch ein Kunde durch die Finanzkrise in die Pleite zu rutschen, der im Jahre 2000 einen 2-stelligen Milliardenkredit bekommen hatte. Nur gut, dass der für diesen Kredit zuständige Mitarbeiter der Bank damals Henry M. Paulson hieß, der Mann, der nun Finanzminister der Vereinigten Staaten von Amerika war. Der Zufall wollte es, dass der Finanzminister AIG rettete, damit auch den genannten Kredit, den er selbst eingefädelt hatte. Spötter merkten an, dass Goldman Sachs an diesem Tag wohl mehr Glück als Verstand hatte.

Das vorläufige Ergebnis

Die Eurokrise ist eine Meisterleistung der Bank. Unter der göttlichen Herrschaft dieser Bank, CEO Mr Lloyd Blankfein hatte 2009 in einem Interview voller Bescheidenheit und Demut gesagt „I'm doing God's work“ und damit den Draht zu Gott selbst offengelegt, konnte der Griechenlanddeal in Verbindung mit den Mechanismen des Abacus-Systems perfektioniert werden. Für einen Einsatz von heute nahezu lächerlichen 3 Milliarden US-Dollar im Jahre 2000 blähten sich die Schulden in den Euro-Staaten in die Billionen aus, denn Hunderte Milliarden mussten aufgebracht werden, um das marode Euro-System zu retten, nachdem ein zentraler Baustein entfernt war. Wäre es nicht so unendlich traurig, müsste man den Hut vor diesen Leuten ziehen. Die gesamte Schuldendiskussion Europas, ebenso die mehr als 20 Millionen Arbeitslosen, beruhen im Kern auf einem einmaligen Einsatz einer 1-stelligen Milliardensumme, einer Summe, die gerade einmal einen geringen Bruchteil des Jahresgewinns von Goldman Sachs ausmacht. Das ist Investmentbanking.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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