Public Diplomacy und schwarze Propaganda

Russland Einem "Soft-Power"-Index der britischen PR-Agentur Portland vom Juni zufolge ist Russlands weltweiter Einfluss gewachsen. Alles eine Frage der richtigen Medienpolitik?

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Welches Russlandbild soll man haben?
Welches Russlandbild soll man haben?

Bild: GIUSEPPE CACACE/AFP/Getty Images

"Russia calling - enhancing German-Russian business ties", titelt die Website "Think Russia". Das dazu gepostete Stockfoto wirkt seiner Funktion entsprechend dynamisch, ohne dabei unnötig konkret zu werden: ein sympathisch-alerter Mensch (Tendenz Marktanalytiker) verfolgt aufmerksam - überwiegend nach oben tendierende - Charts auf diversen Bildschirmen.

Ebenfalls unter den Titelstories bei "Think Russia": die Modernisierung des öffentlichen Moskauer Transportnetzes.

Diese Berichte gehören zu den neuesten und letzten Artikeln auf "Think Russia", veröffentlicht im April 2015. Bis zu dem Zeitpunkt wurde die Website von einem amerikanischen PR-Unternehmen, Ketchum, im Auftrag der Russischen Föderation betrieben, bzw. inhaltlich betreut. Nun liegt sie still.

Der Branchenzeitschrift "PR-Week" zufolge beendete Ketchum seine Zusammenarbeit mit Moskau im Frühjahr 2015. Schon gegen Ende 2014 hatte sich laut "PR-Week" angedeutet, dass Ketchums russisches Engagement nachgelassen habe - und schon ein Jahr zuvor hatte sich die PR-Agentur laut Reuters angesichts Washingtoner Auseinandersetzungen mit Moskau "über Syrien und Schwulenrechte" veranlasst gesehen zu betonen, man berate die Russische Föderation nicht außenpolitisch, auch nicht zur seinerzeitigen Lage in der Ukraine, sondern man konzentriere sich auf die Unterstützung wirtschaftlicher Entwicklung und von Investitionen in Russland, und auf die Unterstützung von Beziehungen zwischen Vertretern der Russischen Föderation und westlichen Medien.

Die Medienarbeit der PR-Agentur für Moskau habe wachsender "scrutiny" unterlegen, so Reuters im März 2014. Genauer wird der Artikel nicht; weder wird Washington als Ursache der Kooperationsbeendigung genannt, noch ergibt sich ein genaues Bild daraus, was scrutiny - ein relativ vielseitiger Begriff - in diesem Kontext denn eigentlich bedeutet. Allerdings zitierte der Reuters-Artikel ungenannte leitende Mitarbeiter der PR-Industrie, denen zufolge eine sich weiter verschlechternde Situation in der Ukraine Ketchums Ansehen schaden könne. Und nach Darstellung der russischen Nachrichtenagentur TASS beendete nicht Ketchum, sondern Moskau die Zusammenarbeit. Der Kreml werde jedoch seine Bemühungen um die Förderung eines objektiven Russlandbildes fortsetzen, zitierte TASS einen Präsidentensprecher.

Unter dem Eindruck der "Farbrevolutionen" ab Beginn des 21. Jahrhunderts, die Russland immer näherzurücken schienen, hatte sich die russische Führung dazu veranlasst gesehen, sich der Frage des nationalen Images zuzuwenden, notierte die chinesische Russlandbeobachterin Xu Hua im Frühjahr 2015. Diese Frage nach dem internationalen Russlandbild sei eine Frage gewesen, die auf russischer Seite im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ziemlich untergegangen sei. Im Westen habe sich in den 1990ern eine Sichtweise auf Russland entwickelt, die das Land für "rückständig" und "autoritär" gehalten habe, im Gegensatz zu dem, wofür der Westen selbst stehe, nämlich Demokratie, Freiheit, Märkte und Zivilisation. Dies wog umso schwerer, als sich das russische Image seinerzeit vollständig unter der Kontrolle der westlichen öffentlichen Meinung befunden habe, ohne dieser etwas entgegensetzen zu können, so Xu.

Das änderte sich in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren. Allerdings dürfte die Herausforderung, Russlands Außen- und Sicherheitspolitik international als glaubwürdig darzustellen, in den letzten zwei Jahren wieder gewachsen sein, denn manche Darstellung lässt sich an öffentlich zugänglichen Fakten messen. Unvorteilhaftes lässt sich zwar erklären und in ein weniger negatives Licht rücken, aber nicht eben nicht leugnen.

Steht Russland einerseits in Syrien auf der Seite der internationalen Ordnung, wie sie für Beziehungen zwischen souveränen Staaten vorgesehen sind, ist es andererseits in der Ukraine ein Aggressor gegen eben diese internationale Ordnung.

Xu Huas Märzartikel von vor anderthalb Jahren wirkt in dieser Hinsicht hin- und hergerissen: Putin als politischen Führer Russlands bewundert sie, was sich auch in einem weiteren von ihr verfassten Artikel, im Sommer 2015, →ausdrückte. Aber zur Ukraine-Krise schrieb sie:

Die Sprache ist ein wichtiges Instrument der russischen Soft Power. Wenn [dieses Instrument] in angemessener Weise genutzt wird, wird es bei der regionalen integration eine wichtige Rolle spielen. 2014 nutzte Russland gerade das Verlangen der Ukraine, den Status der russischen Sprache als "Amtssprache" abzuschaffen, als Grund dazu, sich unter dem fragwürdigen Banner der "legitimen Rechte der russischen Nationalität" in der Ukraine einzumischen. Es folgte nicht nur die Vereinigung Russlands mit der Krim, sondern im Osten der Ukraine wurde obendrein eine chaotische Lage geschaffen. Ob Russland mit dem Spielen der "Sprach- und Rechtekarte" seine strategischen Interessen verwirklichen kann, bleibt abzuwarten.

Russlands Propaganda enthält beides: positive PR, wie sie sich zum Beispiel in "Think Russia" ausdrückte, aber auch schwarze Propaganda, die insbesondere in Gesellschaften - oder in Gesellschaftssegmenten - →wirkungsvoll ist, die ihren jeweiligen einheimischen Institutionen oder Medien nicht oder nur wenig vertrauen.

Für russische PR, oder konkreter für die Public Diplomacy Russlands, dürften hingegen Organisationen und Institutionen wie die Russkiy Mir Stiftung, die Kommission für das Nationale Image , der Gorchakov Fund, oder Rossotrudnitschestwo zuständig sein. Diesen Organisationen geht es um ein positives Bild Russlands im Ausland - mindestens bei den drei erstgenannten auch um ein positives Bild Russlands im Westen, und z. B. das Yaroslavl Global Policy Forum oder der Valdai-Club machen Elitenpolitik - in diesem Fall public diplomacy auf den höchsten gesellschaftlichen Ebenen.

Alle diese Organisationen und Institutionen zählt Xu Hua in ihrer 2015er Übersicht der russischen Soft-Power-Politik auf, merkt aber auch an, der internationale Wirkungsgrad zumindest der internationalen Foren bei der Förderung russischer Soft Power bleibe bisher begrenzt. Hierzu zitiert sie auch Putin selbst mit der Bemerkung (vor oder in 2008), er habe - außerhalb der russischen Grenzen - noch keine Berichterstattung über diese Aktivitäten wahrgenommen.

Eine breitere öffentliche Wirkung im Ausland entfalten "Sputnik" und "RT", als Radio-, Internet- und Fernsehsender des russischen Auslandsmediendienstes Rossiya Segodnya. Darüber, wo auf einer Skala zwischen "due impartiality", PR und Desinformation diese relativen russischen Auslandsmassenmedien sich einordnen lassen, →besteht naheliegenderweise →keine übereinstimmende Sicht.

Was viele westliche Medienwerker und -politiker den russischen Auslandsmedien übelnehmen dürften - bewusst oder auch unbewusst -, ist die gestiegene öffentliche Wahrnehmung der "fehlenden Parts" in der westlichen (auch deutschen) Öffentlichkeit. Tatsächlich haben die Medien des Ende 2013 gegründeten Rossiya Segodnya in Deutschland mehr Kontroversen ausgelöst und damit wohl auch mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen als die Vorgängerorganisationen "RIA Novosti" oder die "Stimme Russlands" in den Jahrzehnten zuvor. Xu Hua bescheinigte in einem Artikel vom Sommer 2015 den russischen Auslandsmedien, das Monopol des Westens gebrochen zu haben.

Unterschätzt wird bei all diesen Propaganda- und Soft-Power-Überlegungen allerdings die Rolle der hard power Russlands in den letzten drei Jahren, die darin besteht, in →Syrien und in der Ukraine das durchzuziehen, was Moskau für im russischen Interesse erachtet.

Wenn die Regierung der Russischen Föderation stark sei, so wachse ihre Soft Power im Inland, bei der einheimischen Bevölkerung, so Xu in ihrem Märzartikel 2015. Gleichzeitig habe die Soft Power Russlands im Ausland durch die Ukraine-Krise gelitten. Hier ein Gleichgewicht zu finden, sei eine der Schlüsselfragen für die russische Soft-Power-Politik.

Aber bei einem nicht unerheblichen Teil der Auslandsöffentlichkeit kommt die russische "Stärke" in Syrien oder in der Ukraine durchaus gut an. Zumindest bei einem Teil der westlichen Massengesellschaft ist es demnach eine Verbindung aus russischen oder putinschen "Worten und Taten", die überzeugend wirkt oder Appeal entfaltet.

Einen positiven Effekt auf die westlichen Eliten erzielt Moskau damit freilich nicht. An diese richten sich weiterhin geschmeidigere Angebote wie etwa Russkiy Mir, oder das Yaroslavl Global Policy Forum. Wenn Rossiya Segodnya bei staatlichen und halbamtlichen Medienfunktionären in Deutschland und der EU überhaupt einen →Effekt gehabt hat, dann den, sie auf Konfrontation zu bürsten. Sie fordern eine propagandistische Nachrüstung.

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Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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