Rede der taiwanischen Präsidentin

Revolutionskladde 2016 (2)

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Präsidentin Tsai Ing-wen hielt die nachstehende Rede anlässlich des 105. Jahrestags der Republik China, am 10.10.16 in Taipei, Taiwan.

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Heute ist der 105. Nationalfeiertag der Republik China. Ich möchte besonders unseren internationalen Gästen danken, die von weit hergekommen sind, und unseren Landsleuten aus Übersee, die nach Taiwan nach Hause gekommen sind. Danke an Sie alle dafür, dass Sie mit uns hier sind, um Zeugen dieser großen nationalen Feier zu sein. Mein besonderer Dank geht an Herrn Chen Chin-feng. heute hat er sein vertrautes Baseballfeld verlassen, und hat die Rolle des Vorsängers für uns beim Singen der Nationalhymne übernommen. Er ist ein wahrer Held in den Herzen aller Taiwaner.

Heute, am Geburtstag unseres Landes, zolle ich allen, die Opfer brachten oder ihr Leben für dieses Land gaben, meinen tiefsten Respekt.

Dieses Land erlebte ein autoritäres Regime, soziale Konflikte, und scharfe Differenzen in der Frage seiner nationalen Identität. Im Rückblick sind wir von Dankbarkeit erfüllt. Und nun übernimmt die neue Regierung die Verantwortung dafür, dieses Land umzuformen und zu erneuern.

In meiner Amtseinführungsrede am 20. Mai sagte ich, dass "in der Berichtigung der Probleme der jungen Menschen die Berichtigung der Probleme des Landes liegt". Hier liegt der Kern jeder Reform, die wir in den vorigen Monaten angeschoben haben.

Junge Menschen sind aufgrund der Wohnungskosten besorgt, die zu hoch sind und zu einer ohnehin schweren Bürde beitragen. Wir weiten den sozialen Wohnungsbau aus - 80.000 Einheiten binnen der nächsten vier Jahre, und geplante 200.000 binnen der nächsten acht Jahre. Wie in vielen hochentwickelten Ländern wird der Zugang zu Sozialwohnungen in Taiwan allgemeingültig werden.

Junge Menschen wollen ihre Karrieren beschleunigen. Die Regierung muss sie daher in die Lage versetzen, dies ohne Sorge zu tun. Die Älteren zu Hause müssen betreut werden, also bringen wir ein langfristiges Betreuungssystem an den Start. Die Kinder zu Hause brauchen ebenfalls Betreuung, also fördern wir ein Kindertagesstättenprogramm.

Unser Rentensystem könnte pleitegehen. Daher gehen wir dieses Problem mit größtem Ernst und größter Vorsicht an. Nach der Rentenreform werden junge Menschen eie vergleichsweise leichtere Last tragen, und sie müssen nicht befürchten, dass sie für nichts einzahlen. Dieses Land wird auf gerechte Weise allen Bürgern ein würdiges Leben nach dem Renteneintritt garantieren.

Das gleiche Prinzip liegt unseren Bemühungen um transitional justice zugrunde. Die neue Regierung muss einen Neubeginn für Taiwans demokratische Politik einleiten und unseren jungen Menschen eine gesunde und vielfältige Demokratie geben. Das ist die wahre Bedeutung unserer Arbeit an transitional justice.

Zusätzlich zu den schon genannten politischen politischen Vorgehensweisen, die im Gange sind, arbeiten wir auch an einer Wiederbelebung unserer Wirtschaft und Industrie. Wir haben "5+2 innovative Industrien" vorgeschlagen, die von Innovation, Forschung und Entwicklung angetrieben werden sollen. Diese Pläne und die dazugehörigen regulatorischen Anpassungen sind einer nach dem anderen gestartet worden. Unser Ziel ist klar: hochklassige Arbeitsgelegenheiten für unsere jungen Menschen zu schaffen und ihre Gehälter anzuheben.

Industrieller Wandel ist das grundlegende Mittel zur Wiederbelebung der Wirtschaft des Landes, und wir werden dabei nicht zaudern. Der Weg vor uns ist lang, aber wir sind entschlossen, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Die Regierung hat Maßnahmen zur Ausweitung von Investitionen vorgeschlagen. Mit einem mehrzweigigen Herangehen, das Verbesserungen der Investitionsumgebung, Anreize für Investitionen der Privatwirtschaft, die Stärkung von Investitionen durch Staatsbetriebe und Verstärkung der Innvationen werden wir eine Wirtschaft wenden, die seit Jahren stagniert.

Unsere Bemühungen zeigen erste Erfolge. In der vorigen Woche, bei der Taiwan Business Alliance Conference 2016 in Taipei, signalisierten ausländische Investoren ihre Absicht, mehr als in den vergangenen Jahren in Taiwan zu investieren. Dank unserer festen Entschlossenheit und unserem Mut zur Reform ist das Vertrauen ausländischer Investoren in Taiwan wieder neu belebt. Wir selbst haben den Schlüssel zu Taiwans wirtschaftlicher Wiederbelebung und seinem industriellen Wandel in der Hand.

Liebe Landsleute: ein Weg der Reformen wird ganz sicher Höhen und Tiefen haben. Aber ich rufe Sie alle ernstlich auf: verlieren Sie dabei nicht Ihre Hoffnung auf Taiwan.

Dies ist das erste Mal, dass wir alle in diesem Land uns wirklich zusammensetzen und darüber nachdenken können, was für ein Land wir unserer jungen Generation hinterlassen wollen. Wir dürfen diese Gelegenheit nicht entgleiten lassen. Die Macht zur Entscheidung liegt in den Händen unserer Generation.

Die Blaupause der neuen Regierung ist klar.Alles, was wir in den letzten Monaten getan haben, war darauf gerichtet, dieses Land aus der Stagnation zu heben. Industrieller Wandel wird Taiwans wirtschaftliche Entwicklung vorwärts führen. Das soziale Netz wird Sicherheit für die Bürger gewährleisten. Die Rentenreform wird die finanzielle Gesundheit und das Rentenleben des Volkes sicherstellen. Transitional justice wird unsere Demokratie in die Lage versetzen, neu zu beginnen. Und gleichzeitig arbeiten wir hart daran, eine Justizreform vorzubereiten. Sobald die neue Führung des →Justizhofes eingesetzt ist, wird sich die Reform beschleunigen.

Wir werden dabei, dieses Land vorwärtszubringen, nicht lockerlassen. Unsere Richtung ist festgelegt. Wir gehen furchtlos voran.

Das taiwanische Volk erstrebt Frieden, Demokratie, und danach, in die Welt hinauszugehen und Beiträge für die internationale Gemeinschaft zu leisten.

Nach Amtsantritt der neuen Regierung besuchte ich unsere diplomatischen Verbündeten Paraguay und Panama, mit den Prinzipien "Standhafte Diplomatie" und "Gegenseitige Hilfe". Ich traf die Staatsoberhäupter oder stellvertretenden Staatsoberheäupter vieler Länder, darunter Panama, paraguay, die Dominikanische Republik, Honduras, Belize, El Salvador und Guatemala. [Taiwans] Vizepräsident Chen Chien-jen besuchte auch die Dominikanische Republik und den Heiligen Stuhl. Unsere Hoffnung ist, dass Diplomatie kein einseitiges Geben sein wird, sondern eine Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen, die wir zusammen mit unseren Verbündeten planen und aufbauen können.

Wir gehen mit eigener Initiative in die Welt. Wenn der Weg zur Teilnahme in internationalen Organisationen auch nicht leicht ist, bleiben wir standhaft und machen weiter. Taiwan stand bei wichtigen globalen Angelegenheiten nie abseits. Selbst unter Druck stehen wir auf der Seite aller wichtigen demokratischen Länder in unserem Wunsch, sinnvolle Beiträge zur Menschheit zu leisten.

In den letzten Monaten haben wir mit befreundeten Nationen zusammengearbeitet, um mehrere internationale Aktivitäten zu organisieren. Diese Aktivitäten richteten sich auf gesundheitliche Vorbeugung und Behandlung, Energieeffizienz, Empowerment von Frauen, und elektronischen Handel - zur Verringerung von digitalen Barrieren in der Region.

Mit konkretem Handeln tragen wir zur regionalen Entwicklung bei. Mit verschiedenen Ländern haben wir Katastrophenvorbeugung und Rettungsarbeit, Such- und Rettungsdienste zur See, und viele andere Angelegenheiten maritimer Zusammenarbeit diskutiert. Taiwans Fähigkeit, zur internationalen Gemeinschaft beizutragen, verdient unseren Stolz.

Seit dem 20. Mai hat es substanzielles Wachstum in unseren Beziehungen mit den USA, Japan, Europa und anderen Demokratien gegeben, und diese Länder unterstützen Taiwans internationale Teilnahme stärker als in der Vergangenheit. Bei dieser Gelegenheit und im Namen unseres Landes möchte ich diesen guten internationalen Freunden den Dank der Taiwaner übermitteln.

Gleichzeitig versuchen wir, Taiwans Rolle in der Asien-Pazifikregion neu zu bestimmen, und eine neue treibende Kraft für Wachstum zu finden. Wir verfolgen aktiv die Förderung unserer New Southbound Policy, mit gut definierten Richtlinien und Umsetzungsplänen. Wir werden stärkere Partnerschaften zum gegenseitigen Nutzen mit den Nationen Südostasiens und Südasiens, Australiens und Neuseelands auf den Gebieten von Wirtschaft und Handel, Wissenschaft und Technologie, Bildung, Kultur, Tourismus und anderem aufbauen. Durch Mechanismen zu Verhandlungen und zum Dialog mit großer Bandbreite werden wir Übereinstimmungen für Zusammenarbeit und zur Reduzierungen von Hemmnissen entwickeln.

Im Ablauf der regionalen Entwicklung unterscheidet sich unsere Rolle von der Festlandchinas. Taiwan verfügt über substanzielle Erfahrungen und Vorteile in Talentpflege, landwirtschaftlicher Entwicklung, der Innovation von Wissenschaft und Technik, medizinische Versorgung, kleine und mittlere Unternehmen und auf anderen Gebieten, und wir werden uns diese Vorteile vollumfänglich zunutze machen, um aktiv zur regionalen Entwicklung beizutragen. Hinsichtlich regionaler Infrastrukturentwicklung und bei multilateraler Wirtschafts- und Handelszusammenarbeit sind wir auch bereit, mit der anderen Seite der Taiwanstraße [China] zu verhandeln, um gemeinsam historische Meilensteine zu erreichen.

Hinsichtlich der → Beziehungen über die Taiwanstraße wiederhole ich die unveränderliche Position der neuen Regierung, die darin besteht, eine stetige, berechenbare und nachhaltige Beziehung über die Taiwanstraße zu eröffnen und sowohl Taiwans Demokratie als auch den friedlichen Status Quo der Taiwanstraße aufrechtzuerhalten.

Den "Status Quo" aufrechtzuerhalten ist das Versprechen, dass ich den Wählern gemacht habe. Nicht ein einziger Satz meiner Amtseinführungsrede vom 20. Mai hat sich geändert. Die neue Regierung wird Angelegenheiten der Taiwanstraße in Übereinstimmung mit der Verfassung der Republik China, dem Act Governing Relations between the People of the Taiwan Area and the Mainland Area, und den anderen einschlägigen Gesetzen behandeln. Wir werden alle Anstrengungen machen, Einrichtungen für den Dialog und die Kommunikation über die Taiwanstraße aufrechtzuerhalten.

Wir respektieren die historische Tatsache, dass es 1992 Gespräche zwischen den beiden Seiten der Taiwanstraße gab. Wir sind der Ansicht, beide Seiten sollten das wertschätzen und aufrechterhalten, was in über zwanzig Jahren der Interaktionen und Verhandlungen über die Taiwanstraße hinweg erreicht wurde, und sollten stabile und friedliche Entwicklung der Beziehungen über die Taiwanstraße, basierend auf solchen bestehenden politischen Fundamenten, fortwährend fördern. Ich rufe die beiden regierenden Seiten auf beiden Seiten der Taiwanstraße auch dazu auf, das Gepäck der Geschichte beiseitezustellen und in einen positiven Dialog zum Nutzen der Menschen auf beiden Seiten einzutreten.

Wenngleich die Beziehungen über die Taiwanstraße in den letezten Monaten ihre Höhen und Tiefen hatten, bleibt unsere Position konsequent und fest. An unseren Zusagen wird sich nichts ändern, und unser guter Wille bleibt unverändert. Aber wir werden uns keinem Druck beugen, und wir werden erst recht nicht den alten Pfad der Konfrontation beschreiten. Dies ist unsere grundlegende Haltung zur Aufrechterhaltung des Status Quo, und sie gründet auf der gemeinsamen Hoffnung auf Frieden an der Taiwanstraße.

Ich möchte betonen dass das "Aufrechterhalten des Status Quo" eine proaktivere und zukunftsweisendere Bedeutung hat: mit sich vertiefender Demokratie als Grundlage werden wir proaktive und vorausschauende Maßnahmen zur Förderung konstruktiven Austauschs und Dialogs über die Taiwanstraße ergreifen, um eine friedliche und stabile Beziehung über die Taiwanstraße zu errichten, die Bestand hat.

Ich rufe die Behörden Festlandchinas dazu auf, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass die Republik China existiert, und dass die Taiwaner unerschütterliches Vertrauen in das demokratische System haben. Die beiden Seiten der Taiwanstraße sollten sich so bald wie möglich zusammensetzen und miteinander sprechen. Alles kann besprochen werden, so lange es der Entwicklung der Beziehungen über die Taiwanstraße und dem Wohl der Menschen auf beiden Seiten dienlich ist. Die Führer beider Seiten sollten gemeinsam Weisheit und Flexibilität an den Tag legen, und gemeinsam eine geteilte Gegenwart in eine Zukunft gemeinsamen Gewinns führen.

Seit dem 20. Mai sind über hundert Tage vergangen. Schritt für Schritt wurden viele Aufgaben angegangen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit besondere Worte des Dankes an den Exekutivrat unter Leitung seines Vorsitzenden Lin Chuan richten. Es gibt kein Schnellverfahren zur Reform. REformen, die Abkürzungen wählen, sind gewöhnlich keine echten Reformen. Um dieses Land wirklich umzuwandeln und zu erneuern, wählt die neue Regierung ein schrittweises Vorgehen mit Pragmatismus und in unerschütterlicher Absicht. Was auch immer nicht richtig ist, bringen wir in Ordnung. Was richtig ist, verfolgen wir mit stetigem Kurs weiter, ohne Furcht vor Spott oder Tadel. Das, meine ich, ist die Art von Regierung, die das Volk von Taiwan von uns erwartet.

Im Juni, als ich Paraguay besuchte, sagte mir Präsident Horacio Cartes: "Dein Land ist viel größer, als du es dir vorstellen kannst." Das möchte ich zum Abschluss meiner Rede an alle Landsleute weitergeben. Unser Auftrag besteht nun darin, dem Volk Vertrauen zu vermitteln, dass dieses Land durch Reformen größer wird.

Danke an alle. Ich wünsche unserem Land Glück und Wohlstand, und alles Gute.

Dieser Übersetzung liegen die chinesischsprachige Veröffentlichung und eine englischsprachige Übersetzung der taiwanischen Central News Agency (CNA) zugrunde.

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