Rossiya Segodnya: Information oder Tratsch?

Auslandspropaganda. Russlands Politik ist schwer vermittelbar. Rossiya Segodnya, Russia Today TV und rtdeutsch sollen es richten. Oder zum Schlammcatchen antreten.

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Lt. russischen Behörden, zitiert am 16. November von "Wavescan", einem Medienmagazin des internationalen Kurzwellensenders "Adventist World Radio", soll "Radio Sputnik" für das Jahr 2015 in 30 Sprachen für über 800 Programmstunden am Tag senden. Zu den vorgesehenen Empfangsgebieten gehören 130 Städte und 34 Länder, die über lokale Radiostationen erreicht werden sollen, sowie das Internet - zumindest in wirtschaftlich weit entwickelten Gebieten - als Breitenmedium. Der staatliche russische Auslandsmedienbund "Rossiya Segodnya" wird mit der Mitteilung zitiert, die Programme richteten sich an eine weltweite Hörerschaft, die neue Perspektiven suche und aggressiver Propaganda, welche eine unipolare Welt fördere, müde sei.

Neu an "Sputnik" sei, dass man sich an jeweils örtliche Hörer richte - fast alle Programme und Webseiteninhalte sollten vor Ort entwickelt werden. Zitiert wurde auch Rossiya Segodnyas Chefredakteurin Margarita Simonyan, in etwa so, wie auch hier von der alten "Stimme-Russlands"-Website wiedergegeben:

Menschen, die in Moskau tätig sind, können nicht so gut wie vor Ort alles wissen, kennen die lokalen Realien nicht und können lokale Newsmaker und Experten nicht ins Studio einladen.

In jedem Land, in dem es operiert, wird "Sputnik" lt. "Wavescan" ein Multimediencenter inklusive einer Radiostation für Hörer vor Ort betreiben, außerdem eine Website, eine Nachrichtenagentur, die exklusive Inhalte produziere, und ein Pressezentrum. Jedes dieser Multimedienzentren solle zwischen dreißig und hundert Mitarbeiter beschäftigen - alles "local professionals". Als Träger des Radioprogramms seien digitale Sendeformen wie DAB und DAB+, HD-Radio, FM-, Mobiltelefon- und Internetradio angekündigt. Mittelfristig wolle man rund um die Uhr senden.

Simonyan wird mit der Bemerkung zitiert, man habe aus vielen Ländern Angebote erhalten, dort auf FM zu senden. Man sei dort daran interessiert, "neue Inhalte" aus dem Medienmarkt aufzunehmen, darunter auch Angebote Rossiya Segodnyas.

Sputnik biete bereits 24-Stunden-Nachrichtenfeeds in Englisch, Spanisch und Arabisch an, und noch im Dezember solle ein chinesischsprachiger Feed hinzukommen. Tatsächlich startete der Chinesischdienst fahrplanmäßig, am 1. Dezember. Regionale Redaktionen in Washington D.C., Kairo, Beijing und Montevideo arbeiteten Tag und Nacht, rund um die Uhr.

Bisher allerdings sende "Sputnik" im Internet Programme der früheren "Voice of Russia", so "Wavescan" am 16. November. Auch auf Deutsch änderten sich Mitte vorigen Monats offenbar eher Namen als Inhalte. Das RBB-Medienmagazin meldete per 16. November, inzwischen würden auch in deutscher Sprache die Hörfunksendungen als „Radio Sputnik“ angesagt. Die deutschsprachigen Internetauftritte der Vorgängerorganisationen blieben zunächst noch unverändert, wobei Kommentare von Mitgliedern der Hörfunkredaktion auf de.ria.ru unter „Stimme Russlands / RIA Novosti“ erschienen.

Mit der Einstellung der Kurzwellensendungen im März - und dem stellenweisen Abriss von bis zum März 2014 von der "Voice of Russia" genutzten Kurzwellensendeanlagen, zum Beispiel in Samara - sparen die russischen Behörden viel Geld. Für die Neuorientierung der Auslandspropaganda galt zunächst, dass die vor einem Jahr gegründete Rossiya Segodnya mit den gleichen Budgets auskommen müsse wie ihre Vorläuferorganisationen schon bisher. Man müsse also optimieren,

um Ressourcen für etwas Moderneres zu kriegen. Wir werden aufhören, veraltete Radiosendemethoden anzuwenden, bei denen das Signal ohne Kontrolle übertragen wird und wo es unmöglich zu berechnen ist, wer wo zuhört.

Inzwischen wurde das Budget für 2015 laut RFE/RL aber offenbar deutlich erhöht: "Russia Today", das getrennt von Rossiya Segodnya existierende Auslandsfernsehen, erhalte dann 15,38 Mrd Rubel (per Oktober ca. 362 Millionen US-$) und damit 30% mehr als 2014. Rossiya Segodnya (was ebenfalls Russland Heute heißt), solle nahezu das Dreifache seines bisherigen Budgets erhalten, mit dann 648 6,48 Mrd Rubel (per Oktober ca. 153 Millionen US-$).

https://justrecently.files.wordpress.com/2014/12/datenblatt_rossiya_segodnya_20151.jpg

Verglichen mit dem, was die alte Sowjetunion in den 1980ern jährlich ausgab, ist das vermutlich immer noch relativ wenig Geld, selbst wenn zwei Milliarden US-Dollar , 1984 im '"Spiegel" als vermutetes damaliges jährliches Budget genannt, übertrieben sein mögen. Aber auch die Deutsche Welle (DW), der deutsche Auslandssender, hat schon bessere Tage gesehen. 2014 erhielt der Multimediasender 280 Millionen Euro (also etwa 345 US-$), inklusive 3,5 Millionen, die im Juni vom Deutschen Bundestag für einen Ausbau der Programmangebote für Russland und die Ukraine bewilligt wurden. Für 2015 hätte die DW gerne noch etwas mehr. Auf Seiten der Politik sind für die Bewilligungsverfahren der Budgets die Kulturstaatsministerin im Kanzleramt und der Bundestag zuständig .

Nicht zuletzt möchte DW-Intendant Peter Limbourg ein englischsprachiges Gegengewicht zum Staatssender "Russia Today" aufbauen, so die "Kölnische Rundschau" am 1. Oktober.

Um mit dem russischen Auslandsfernsehen finanziell gleichzuziehen, bräuchte allein schon das DW-Fernsehprogramm noch erhebliche Unterstützung: die komplette Deutsche Welle - Fernsehen, Internet und Hörfunk - muss mit weniger auskommen als "Russia-Today" TV.

"Ein Stück" in einen solchen internationalen Wettbewerb einzusteigen sei "ziemlich teuer", bemerkte der DW-Intendant im November in der ZDF-Sendung "Berlin Direkt".

Vom auslandsmedialen Rüstungsniveau des Kalten Kriegs aber dürften sowohl Deutschland als auch Russland noch weit entfernt sein. 600 Millionen DM erhielt die DW in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Dabei steckte das DW-Fernsehen damals noch in den Kinderschuhen: der Auslandsrundfunk "erbte" das Fernsehen 1992 vom Berliner RIAS, der sein Fernsehprogramm selbst erst 1988 gestartet hatte. Ein weiterer quantitativer Indikator aus den 1980er Jahren: etwa einhundert Millionen US-$ wendete die Sowjetunion seinerzeit - Schätzungen oder auch Spekulationen zufolge - allein schon für das Jamming insbesondere westlicher Radiosendungen auf.

Trotzdem lässt sich Russland seine Auslandspropaganda im momentanen internationalen Vergleich viel kosten, zumal angesichts einer laut "Economist" verwundeten Wirtschaft, die sowohl unter fallenden Ölpreisen als auch unter politischen Versäumnissen der bisherigen Putin-Ära leide.

Und so gilt heute für Russland das, womit, der "Spiegel" vor dreißig Jahren Carl Rowan, einen US-Propagandisten und Journalisten, zitierte: Rundfunksendungen könnten "falsche politische Entscheidungen nicht revidieren".

Aber darum gehe es auch gar nicht, so der "Freitag" in seiner Printausgabe vom 27. November über "RT Deutsch" ("Im Namen des Kreml", S. 21):

Das Ziel von RT Deutsch ist es nicht, als superseriöse Medienmarke aufzutreten, sondern die anderen im Ansehen auf dieselbe Ebene herunterzuziehen. Eben dorthin, wo es heißt: "Ihr lügt doch alle." Jeder dann halt nur auf seine Weise.

Und in der ZDF-Sendung "Berlin Direkt am 16. November vertrat Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik", die Ansicht,

die Propaganda zielt darauf ab, die westlichen Medien auf die eigene Stufe herunterzuziehen und sie als genauso mainstreamgesteuert, staatsgesteuert, CIA-gekauft undsoweiter darzustellen. Was wir sehen ist, dass man im Grunde genommen die komplette Skrupellosigkeit bei der BGerichterstattung dazu nutzt, um gleichzeitig die westlichen Medien zu desavouieren, zu sagen, "wir lügen, wir geben es ja zu, aber ihr lügt auch."

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Buying Airtime, 13.11.14

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