Serbien schließt Auslandsrundfunk

Ende einer Ära Geht es nach Regierungsplänen, beendet Internationales Radio Serbien am 31. Juli seine Auslandssendungen und Internetauftritte in zwölf Sprachen

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Damit werde eine über 79 Jahre andauernde Tradition abgebrochen, so der Sender in seiner Ankündigung per Website und zu Beginn und Ende seiner täglichen Kurzwellensendungen.

Die Schließung des Auslandsrundfunks wird regelmäßig mit der laufenden Privatisierung serbischer Medien durch die Mitte-Rechts-Regierung in Belgrad in Verbindung gebracht. Während allerdings neben über 40 anderen serbischen Medienorganisationen die Nachrichtenagentur Tanjug (gegründet 1942) zum Verkauf stehen soll, traut man dem Internationalen Radio Serbien offenbar kein profitables Eigenleben zu und schließt ihn lieber gleich. Damit komme man im übrigen der Europäischen Union entgegen - so zumindest zitiert "Balkan Insight" die serbische Regierung. Warum es dann allerdings in der EU den BBC World Service, Radio France Internationale oder die Deutsche Welle noch geben darf, bleibt unklar.

Tatsächlich handelt es sich beim Auslandsrundfunk um ein Element der unter Außenpolitikern und Diplomaten gern beschworenen "public diplomacy" - oder auch der "digital diplomacy". Allerdings wirken die Auftritte Radio Serbiens, verglichen z. B. mit den stahlgrau aufgemotzten Seiten des Auslandsfernsehens und -radios Deutsche Welle, geradezu altbacken. Den Kontrast mögen Normalverbraucher zwar als wohltuend empfinden; am politischen Jetset aber möchte man von derart uncoolen Auftritten wohl nichts wissen.

Eine privatwirtschaftliche Existenz von Auslandssendern wäre nicht ganz ohne Beispiel. Die Vorläufer des öffentlichen US-Auslandsdienstes Voice of America waren privat betriebene Kurzwellenstationen. Der Kurzwellendienst des NBC soll vor dem Zweiten Weltkrieg in sechs verschiedenen Sprachen gesendet haben. Allerdings übernahm 1942 das Office of War Information die Auslandsprogramme, und nach Kriegsende das Department of State. Seit den 1980ern bemühen sich wieder amerikanische Privatsender auf Kurzwelle um Hörer im In- und Ausland - mit wechseldem Erfolg.

Der serbische Staat müsste sich seinen Auslandsrundfunk vermutlich etwas kosten lassen, wenn er ihn beibehalten – und damit konkret etwas anfangen – wollte. Dafür, dass man den Sender als zumindest potenziellen außenpolitischen Aktivposten betrachte, gab es aber in den vergangenen Jahren aber kaum Anzeichen.

Serbisch-Programme hatten einen recht hohen Anteil an der täglichen Sendezeit; ebenso Englisch, Deutsch und Russisch (wobei zuletzt womöglich nur noch in den Abenstunden gesendet wurde). Daneben ängstigten sich noch knappe fünfzehn Minuten Chinesisch am Tag im Programm, und verbraten wurden in den fünfzehn Minuten ungefähr die gleichen Themen wie in den ausführlicheren Programmen auf Englisch oder Deutsch, so als wären die EU-Beitrittsverhandlungen Serbiens für Chinesen von vergleichbarer Bedeutung wie für Kontinentaleuropäer. Um das wieder gut zu machen, sendete man aber offenbar auch nur für Auslandschinesen in Europa: der ferne Osten war gar nicht erst als Zielgebiet ausgewiesen.

Für nicht-englisch- oder serbischsprachige Hörer oder Leser wird nach der Schließung Radio Serbiens nicht viel Information aus dem Balkanland bleiben: Tanjug bietet online bisher jedenfalls nur serbisch- und englischsprachige Artikel an, darunter vor allem Nachrichtenartikel.

Es wäre naiv, Radio Serbien für eine objektive Informationsquelle zu halten - es gibt keine "public diplomacy" ohne mehr oder weniger gezielte Propaganda. Aber der Sender bietet das eine oder andere Kulturprogramm und serbische Musik.

Und wer glaubt, z. B. chinesische Hörer oder Leser gingen überwiegend entspannt mit der englischen Sprache um, kann über die Beijinger oder Shanghaier Geschäftswelt nicht weit hinausgekommen sein – von der ein Großteil im übrigen ebenfalls allenfalls dürftiges Englisch spricht.

Die Deutsche Welle hat ihre Selbstbeschränkung der letzten Jahre - und ihre Konzentration auf ein englischsprachiges Programm - vor allem damit begründet, man wolle sich auf "Meinungsbildner" oder "Meinungsführer" in den Zielländern konzentrieren. Zunehmend rückt auch eine angebliche Notwendigkeit in den Focus, sich »schwerpunktmäßig mit russischer Propaganda auseinanderzusetzen. Das sind vielleicht keine besonders klugen Pläne, aber es sind immerhin überhaupt Pläne.

Aus Belgrad aber scheint es keinen Plan zu geben, sondern lediglich ein unverhandelbares Ziel: weg mit dem Auslandssender. Das ist umso bedauerlicher, als Radio Serbien in der europäischen Medienlandschaft eine zwar kleine, aber auch oft abweichende Stimme vom EU-geleiteten Mainstream ist. Aber vielleicht ist das aus Sicht der Regierung in Belgrad auch just ein Problem.

In ausländischen Sprachen jedenfalls werden vor allem Stimmen von Politikern im Ruhestand vernehmbar, z. B. die des früheren Außenministers Živadin Jovanović (in der Spätphase der Regierung Miloševićs) und die ehemaligen Kulturminister Bratislav Petković (regierende Progressive Partei), Nebojša Bradić und Dragan Kojadinović. Als Fürsprecher des Senders sind sie offenbar wenig einflussreich, und alle politisch noch aktiven Fürsprecher des Senders scheinen Oppositionspolitiker zu sein.

Am 30. Juni verlängerte das serbische Parlament die Privatisierungsphase der dafür bestimmten Medienhäuser auf den 31. Oktober. Anträge der Oppositionsparteien, auch die Frist für Radio Serbien entsprechend zu verlängern, wurden laut einem recht bitter gefärbten Bericht des Senders vom gleichen Tag nicht angenommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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