Syriens Parteizeitung zweifelt an de Mistura

"Gerede, merkwürdig" Die Parteizeitung der syrischen Baath-Partei kritisiert laut Radio Damaskus Äußerungen Staffan de Misturas, und vermisst ein überzeugendes Dementi.

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Staffan de Mistura, Gesandter der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga nach Syrien, habe in einem Telefongespräch mit dem iranischen Vizeaußenminister Hossein Amir Abdollahian am 23. Juni unter anderem über seine Gespräche mit den syrischen Seiten (syrischen Oppositionsparteien) in Genf informiert, so die iranische Nachrichtenagentur FARS. Eine Woche zuvor war de Mistura mit dem syrischen Präsidenten Assad zusammengetroffen, und hatte ihn über Gespräche informiert, die er in Genf mit Vertretern syrischer Oppositionsgruppen geführt hatte.

Der deutschsprachige Dienst von Radio Damaskus am 16. Juni:

Staatspräsident Bashaar al-Assad empfing heute morgen den UNO-Gesandten nach Syrien, Staffan de Mistura, und dessen begleitende Delegation. Während des Treffens erklärte de Mistura, das Ziel seines gegenwärtigen Besuches sei, Präsident al-Assad die Ergebnisse seiner Besprechungen mit Syrern in Genf zu zeigen, die unterschiedliche Gruppen der syrischen Gesellschaft vertreten, sowie die kommenden Schritte bezüglich der Vollendung seines Berichts über Syrien mit der syrischen Staatsführung zu besprechen, den er dem Weltsicherheitsrat im kommenden Juli vorlegen will.

Die syrischen Oppositionsgruppen hatten zuvor, am 8. und 9. Juni, Gespräche untereinander in Kairo geführt, um ihre Gespräche mit de Mistura in Genf vorzubereiten. Die Hälfte der Teilnehmer sei dabei direkt aus Syrien zur Konferenz gereist; die andere aus dem Exil, so die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro". Ziel war dabei laut dem britischen "Telegraph" die Bildung eines neuen oppositionellen Bündnisses, als Alternative zur vom Westen und der Arabischen Liga unterstützten (und bei diesen weithin diplomatisch anerkannten) Syrian National Coalition. Das hinderte aber laut AFP weder Nabil al-Arabi, den Generalsekretär der Arabischen Liga, noch einzelne Mitglieder der National Coaliton daran, zu dem in Kairo versammelten "alternativen" Oppositionellentreffen anzureisen.

Der in der Radiomeldung erwähnte Bericht, den de Mistura im Juli dem Weltsicherheitsrat vorlegen soll, dürfte angesichts der chinesischen und insbesondere russischen Unterstützung für das Assad-Regime zu keinen besonderen Änderungen der internationalen Haltung gegenüber Syrien führen.

Gleichwohl nahm die syrische Parteizeitung "Al-Thawra" die Gespräche de Misturas' mit den syrischen Oppositionellen zum Anlass zu Spekulationen über die Motive des Gesandten der UN und der Arabischen Liga. In einer Wiedergabe durch die Presseschau des deutschsprachigen Dienstes von Radio Damaskus am 16. Juni hieß es:

Nähert sich die Mission des UNO-Gesandten nach Syrien, Staffan de Mistura, etwa einem gescheiterten Ende an? Dies lassen zumindest die jüngsten Gespräche de Misturas mit der syrischen Regierung und die Äußerungen, die ihm in einigen Medien zugeschrieben wurden, befürchten. Würden diese erwähnten Äußerungen nicht von ihm stammen, hätte er dies möglichst schnell aufgeklärt und diese Äußerungen dementiert, um eventuelle Missverständnisse zu beheben. Diese Äußerungen lassen befürchten, dass die USA den geraden, unparteiischen Kurs de Misturas und dessen Einhalten des Kerns der ihm gegebenen Mission in Syrien in Richtung der Verschwörungsträger gegen Syrien umlenken konnten. In diesen ihm zugeschriebenen Äußerungen soll de Mistura über eine Rolle der Auslandsopposition bei der Herbeiführung einer politischen Lösung der Krise in Syrien gesprochen haben, was nicht einmal theoretisch möglich wäre. Denn mittlerweile gestehen sogar die Arbeitgeber dieser angeblichen Auslandsopposition - ob explizit oder implizit -, dass ihre söldnerischen Knaben gar nicht in der Lage sind, irgendwelche Rolle mehr zu spielen oder den geringsten Einfluss auf die Terrororganisationen in Syrien auszuüben.

Viel merkwürdiger war in diesen Äußerungen aber das Gerede de Misturas über die Möglichkeit einer Vereinbarung der Terrororganisation IS. Diese Äußerungen, falls sie wirklich aus de Mistura stammen sollen, was höchst wahrscheinlich der Fall ist, erinnern uns an die Versuche der Verschwörungsträger gegen Syrien, zur Rechtfertigung des Terrors in Syrien und zu dessen Darstellung als gemäßigte syrische Opposition. Diese Äußerungen würden zudem eine Verkündigung eines endgültigen Scheiterns der gesamten Mission de Misturas sein, was ihn in eine Stufe mit al-Ibrahimi und Annan stellen würde. Seit dem Amtsantritt des Sondergesandten de Mistura strebt die syrische Regierung danach, seine Mission zum Erfolg zu bringen. Sie beharrte immer auf einer ernsthaften Kooperation mit ihm und leistete seiner Arbeit und seinen vorgeschlagenen Lösungen jede Art von Unterstützung, um die Krise in Syrien zu beenden.

Diplomatischer drückte sich Präsident al-Assad selbst gegenüber de Mistura aus. Die syrische Nachrichtenagentur SANA, ebenfalls am 16. Juni:

President Bashar al-Assad said on Tuesday the entire world must realize the threat posed by terrorism on its security and stability.

He was speaking to the UN Special Envoy for Syria Staffan de Mistura, who arrived in Damascus on Monday.

The discussion revolved around the massacre which terrorists committed in Aleppo on Monday shelling civilians with rockets, whose death toll has reached 23, with this number likely to rise due to the critical cases of many of the over 100 wounded.

[...]

[Assad] made it clear that remaining silent in response to the terrorists’ crimes encourages them to commit more acts of terror.

Möglicherweise bezog sich der "al-Thawra"-Kommentar auf Äußerungen - ob nun de Misturas oder anderer Diplomaten, denen zufolge jeder Friedensschluss die IS und die al-Nusra-Front aufgrund der von ihnen ausgeübten Macht in Syrien in irgendeiner Weise einbeziehen müsse. Entsprechend zitierte die BBC bereits im Mai Diplomaten bei einer Konferenz verschiedener Kriegsparteien in Genf.

Mit größerer Wahrscheinlichkeit aber geht es bei den Fragezeichen, die die Zeitung hinter der Vermittlungstätigkeit de Misturas setzt, vor allem um eines: das politische Überleben des syrischen Regimes. "Daily Beast" zitierte im März angebliche Äußerungen, die de Mistura Ende Februar oder Anfang März in Genf bei Gesprächen mit syrisch-amerikanischen Organisationen gemacht haben sollte, und denen zufolge Assad "gehen müsse".

Diese Ausführungen waren zwar alles andere als gut belegt, aber was eine Sprecherin de Misturas dazu laut "Daily Beast" zu sagen hatte, kann ebenfalls keine Musik in den Ohren der Baath-Partei gewesen sein: man gebe keine Kommentare zur Substanz von Diskussionen ab, die mit Delegationen in Genf geführt würden. Und dass Assad Teil der Lösung der syrischen Probleme sein könne, habe de Mistura im konkreten Zusammenhang mit dem Ende von Luftbombardements gesagt. Es sei am syrischen Volk zu entscheiden, wer ihr Präsident sein solle.

Immerhin: schuld sind aus Sicht der Parteizeitung die Verschwörungsträger, und nicht de Mistura selbst.

Die libanesische Website "al-Akhbar" befand im Januar, de Mistura habe es seit seiner Berufung im Juli 2014 nicht vermocht, das Vertrauen der Kriegsparteien in Syrien zu gewinnen. Zwar habe Damaskus den Kontakt mit de Mistura aufrechterhalten; jedoch betrachte man ihn dort als amerikanischen und französischen Gesandten. De Mistura habe hinsichtlich einer - angedachten - Pufferzone von Aleppo bis zur türkischen Grenze Versprechungen sowohl an Damaskus als auch an türkische und westliche Vertreter gemacht - jeweils das, was seine Adressaten hören wollten.

"Out of the picture" allerdings, wie es eine arabische Quelle im Januar angeblich gewusst haben wollte, ist de Mistura bis heute nicht. Südafrikanische Gesandte mögen eine sinnvolle diplomatische Ergänzung sein, aber kein Ersatz für den Gesandten der UN und der Arabischen Liga. Zumal dann nicht, wenn Russland einstweilen weiter an einer Unterstützung für de Mistura festhält.

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JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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