Über das Rauchen

Emissionen Voraussichtlich ab 2016 greift ein verschärftes EU-Tabakgesetz. "Schockbilder" auf den Verpackungen sind vorgesehen, und mehr Reglementierung für Zusatzstoffe

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Ich rauche seit Jahrzehnten, und es ist immer das Zeug aus industrieller Produktion gewesen, mit allem, was "dazugehört": Nikotin sowieso, aber auch Teer, Ammoniak, Benzol, was weiß ich. Wenn es als schwierig gilt, Gesetze zu verabschieden, die klare Aussagen auf Lebensmittelverpackungen vorschreiben, so gilt das sicher auch für Inhaltsaussagen auf einer Drehtabakverpackung.

Bis vor kurzem hätte ich es mir kaum vorstellen können, mit dem Rauchen aufzuhören. "Rauchen tötet Gefühle", erklärte mir vor einigen Jahren eine Bekannte. Ich widersprach nicht, denn das schien ziemlich genau meiner Erfahrung zu entsprechen - auch das Töten von Gefühlen - die Unterdrückung von Angst oder Wut - war ein Grund für mich zu rauchen. (Selbstredend ist meine über viele Jahre entwickelte und gepflegte Sucht ebenfalls ein Grund.)

Manchmal, wenn in einem Meeting die Luft zwar frei von Tabakrauch, dafür aber vergiftet mit Sticheleien, Nervereien, nachdrücklich geäußerten Gedankenlosigkeiten und persönlichen Feindseligkeiten ist, frage ich mich, ob eine verqualmte Besprechung nicht das gesundheitlich kleinere Übel wäre, und noch dazu ein ergebnisreicheres. Aber natürlich würde dem jeder oder fast jeder widersprechen, der selbst nicht raucht. Warum sollte er sich einem giftigen Qualm aussetzen, den er nicht braucht, und der ihm schadet? (Eine andere Frage wäre, ob man alles außer Rauch einfach aus Mund und Eingeweiden quellen lassen darf, ohne Rücksicht auf die Umgebung.)

In diesem Jahr habe ich zum erstenmal selbst Tabak angepflanzt, und meine Einstellung zum Rauchen beginnt sich damit zu ändern. Wenn die Verarbeitung der - im Rahmen einer gesetzlichen Eigenbedarf-Tolerierung gezogenen - Menge funktioniert, kann ich schon Jahre vor der gesetzlich geregelten Frist frei von Zusatzstoffen rauchen. Es soll zwar Marken geben, die das heute schon ermöglichen würden, aber je genauer ich hinschaue oder nachfrage, desto weniger scheint das zu stimmen.

Die Beschäftigung mit der Saat, den Pflanzen und jetzt der Ernte verändert meine Einstellung zum Tabak. Noch kaufe ich, und ich merke, wie konsumfördernd das bei mir ist - ganz abgesehen von den im Tabak enthaltenen Suchtstoffen. Der Kauf ist so mühelos, wie der Verbrauch - scheinbar - folgenlos. Die Arbeit damit ist etwas ganz anderes. Mit ihr kommt der Tabak nicht "von selbst" - und das wird er auch nicht tun, wenn ich - je nach Erfolgsgrad - die Blätter fermentiere oder soßiere.

Mein Konsum hat schon in den letzten Monaten nachgelassen. Das entspricht anscheinend meiner neueren Wahrnehmung, dass die Verfügbarkeit von Tabak eben doch nicht so selbstverständlich ist: zahlen, drehen, rauchen. Und vielleicht an den Folgen schnell oder langsam erkranken und krepieren. Kaufen schafft kein Bewusstsein - jedenfalls nicht bei mir. Wenn das nicht nur meine Erfahrung ist, scheint hier ein mentales oder gesellschaftliches Problem zu bestehen, das über die spezifische Sucht weit hinausgeht, über das viele Kritiker des Tabaks aber weniger gerne sprechen.

Statt dessen wird dann gegiftet. Mit einem Ohr hörte ich heute früh einen Kommentar im Radio - als Raucher hätte ich den vermutlich als feindselig empfinden können - aber dafür war er längst nicht mehr außergewöhnlich genug.

Andererseits können auch Raucher sehr unentspannt sein, just in ihrer Eigenschaft als Raucher. Es ist gut möglich, dass ich mittlerweile auch so etwas wie ein Oppositionsraucher bin, der gegenüber der widerlichen Sittenpolizei einfach nicht nachgeben will. Aber bei allem rauchenden Ärger über den "Fahndungsdruck" der letzten Jahre: davon, dass unsereins im Schnitt viele Jahre früher ins Gras beißt als ein Nichtraucher, wird die Welt auch nicht besser. Davon, dass das Rauchen die körperliche Leistungsfähigkeit einschränkt, auch nicht.

Der Wunsch der politischen Klasse, Rauchen als mehr oder weniger asozial zu brandmarken, ist nur eine von sehr vielen Zumutungen, und nicht die wichtigste unter ihnen. Die wirkliche Zumutung besteht in einer viel allgemeineren Bevormundungsmentalität, und wer sich speziell über die gern geübte "Kritik" an seinen Rauchergewohnheiten stört, nimmt seine Zigarette womöglich tatsächlich zu wichtig. Und dann ist es vielleicht an der Zeit, dass man sich fragt, warum sie denn so wichtig ist.

Ich wäre bis vor kurzem für meine Umgebung schwer erträglich gewesen, hätte ich nicht regelmäßig zur Zichte gegriffen. Als Raucher war ich anscheinend ein ganz verträglicher Zeitgenosse. Aber womöglich bin ich jetzt altersbedingt auch ohne Zigarette etwas entspannter, als ich es früher gewesen wäre. So langsam kann ich es mir vorstellen. auf das Rauchen zu verzichten. Noch längst nicht durchgehend, aber immer öfter.

Nur eins will ich nie tun: die grundsätzliche Legitimität des Rauchens in Frage stellen. Wer raucht, hat dafür Gründe. Ob sie gut oder schlecht sind, ist nicht das Bier von Leuten, die sie im Einzelfall gar nicht kennen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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