US-Demokraten wählen Tom Perez zum Parteichef

USA Die Demokraten haben sich einen Clinton-Verbündeten an ihre Spitze geholt. Damit haben sie eine wichtige Chance verpasst, sich gegen Trump zu positionieren

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Thomas Perez gilt als Verbündeter Clintons
Thomas Perez gilt als Verbündeter Clintons

Foto: Alex Wong/AFP/Getty Images

Nichts ist so gut oder schlecht wie zuerst berichtet (oder newsbroken?), denn ein Parteichef in Amerika oder Großbritannien ist, ins Deutsche übertragen, eher eine Art Generalsekretär oder der Bundesgeschäftsführer, und nicht der Willy Brandt oder der Martin Schulz der Demokratischen Partei Amerikas. Er ist also nicht überwichtig.

In der Forderung jedoch, die John Nichols, Washington-Korrespondent des Nachrichtenmagazins "The Nation", an den frisch gewählten Parteichef Tom Perez richtet, deutet sich schon ein langfristiges Problem der Demokratischen Partei an. Nichols zitiert Perez:

"A united Democratic Party is not only our best hope," declared Perez, "it is Donald Trump’s worst nightmare." That is undoubtedly true.

Aber:

.. Perez clearly recognizes that he will have to work hard to first unite the party and then transform it into a dramatically more grassroots-oriented and ideologically progressive political force within a broader resistance to Trump.

Denn Perez, ein Verbündeter Hillary Clintons, gewann nur knapp relativ (235 zu 200 Stimmen) vor seinem Mitbewerber Keith Ellison, der Bernie Sanders unterstützt hatte. Und eine Basiswahl war das auch nicht.

Nichols erkennt offenbar die Herausforderung. Ob Tom Perez sie ebenfalls erkennt (oder anerkennt), wird sich zeigen müssen. Der Indikativ Nichols - Perez clearly recognizes - hofft offenbar das Beste.

Aber bisher spricht nicht viel für seine Hoffnungen.

Denn das Dem-Establishment hält sich die Ohren zu, wenn es kritisiert wird, oder wenn es sich Forderungen gegenübersieht. Hillary Clintons Pech war, dass sie der reformresistenten Partei-Elite ein Gesicht gab: viele potenzielle Dem-Wähler blieben lieber gleich zu Hause. Das könnte sich in zwei und in vier Jahren wiederholen.

Als Clintons Wahlkampfteam und die Geheimdienste ihren Verdacht hinsichtlich der durchaus informativen Hackings auf Russland richteten - ein nachvollziehbarer Verdacht, wie ich finde -, wurde Russland zum Auslandstrump: ein Feind, gegen den man auf Teufel komm' raus die Reihen schließen müsse. Und nun haben sie den Inlandstrump. Und jetzt erst recht sollen die Reformwilligen und Reformentschlossenen der Partei der leninistischen Maxime folgen, dass das, was gut für die Partei sei, letztlich auch ihnen nütze. So wollen es diejenigen, die sich Demokraten nennen, ohne Freunde der Demokratie zu sein.

Selbst wenn eine solche Art Geschlossenheit gut genug dazu sein sollte, die Dem-Mehrheiten im Kongress zurückgewinnen und in vier Jahren Trump aus dem Weißen Haus zu vertreiben: aus einer demokratischen Perspektive - die den Namen "demokratisch" wirklich verdienen würde, ist das ein Rohrkrepierer.

Wirkliche Stärke einer demokratischen Gesellschaft - oder einer Partei, die sich immerhin demokratisch nennt - würde darin bestehen, dass sie sich auch die Hinweise zunutze macht, die ihre Feinde ihr geben. Sie muss sich beim Signalgeber, dessen Absichten dabei ja keineswegs freundlich sind, nicht für seine Hinweise bedanken. Aber wenn sie lieber den Boten →tötet, als dass sie sich mit der Botschaft auseinandersetzt, bleibt sie nicht demokratisch.

Nun beschwört Perez wieder den gemeinsamen Feind: Donald Trump. Aber das tut die Parteiführung schon, seit der Inlandstrump zum ernst zu nehmenden Bewerber für das Präsidentenamt geworden war, also seit über einem Jahr.

Never change a losing strategy?

Das sieht auf den ersten Blick paradox aus. Aber eben nur auf den ersten Blick.

Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass Parteilinke und Parteirechte der Demokraten in ihrem Abscheu dem neuen Präsidenten gegenüber vereint sind. Es gibt aber durchaus Grund zu vermuten, dass das Parteiestablishment immer noch lieber Trump gewinnen lässt - zur Not auch 2020 -, als dass sie eine Demokratisierung der Demokratischen Partei zuließe.

Denn die Inhalte der im vergangenen Jahr geleakten Korrespondenz der Parteiführung selbst deuteten auf eine noch größere Angst der Parteiführung vor Bernie Sanders, als vor Donald Trump. Ihre Angst vor Sanders war eine Angst um die eigene Macht in der Partei. Mochte Clinton immerhin gegen Trump verlieren. Die Dems waren, was sie bleiben.

Wenn das, was bisher von Perez und seinen Unterstützern verlautete, Programm werden bzw. bleiben soll, müssen sie damit rechnen, dass die Parteilinke und ihre Unterstützer ihre - legitimen - Essentials nicht weniger wichtig nehmen, als die Parteirechte ihren Status Quo.

Und in dieser Verfassung sollen die US-Demokraten in zwei und vier Jahren wieder landesweit antreten?

Das riecht nicht nach Wahlsieg. Und nach Demokratie erst recht nicht.

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Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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