Verfassungsrichter setzen Frist für Homo-Ehe

Taiwan 46% dafür; 45% dagegen - so eine Meinungsumfrage zum Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung. Das Urteil der Taiwaner Verfassungsrichter fällt klarer aus

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Vor allem jüngere Menschen in Taiwan sprachen sich für eine Gleichstellung aus
Vor allem jüngere Menschen in Taiwan sprachen sich für eine Gleichstellung aus

Foto: SAM YEH/AFP/Getty Images

Noch schreibt Taiwans Zivilgesetzbuch vor, dass "ein Mann und eine Frau aus jeweils eigenem Entschluss" eine Ehe eingehen sollen. Die seit einem Jahr amtierende taiwanische DPP-Regierung verfolgte allerdings von Anfang an eine Gesetzesreform, der zufolge die Möglichkeit zu einer Eheschließung nicht auf heterosexuelle Paare beschränkt bleiben sollte.

Nun hat das Taiwaner Verfassungsgericht den Gesetzgebern eine Frist von zwei Jahren gesetzt, um das Zivilrecht in Übereinstimmung mit den Rechten homosexueller Heiratswilliger zu bringen. Sollte das Parlament die gesetzlichen Regelungen bis dahin nicht vornehmen, gelte das Recht auf Ehe aufgrund der Auslegung durch das Verfassungsgericht.

Ein Sprecher der taiwanischen Regierung erklärte am Donnerstag, die Anpassung des Rechts auf die Homo-Ehe berühre viele Ebenen, zum Beispiel eheliche Vermögensregelungen, die Gesetzgebung für künstliche Fortpflanzung, steuerliche Angelegenheiten, oder die Aufhebung der Kriminalisierung des Ehebruchs.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen, deren DPP-Partei im Parlament über eine Mehrheit verfügt, hatte sich bereits im Wahlkampf für eine Reform der Ehegesetze ausgesprochen. Laut dem taiwanischen Auslandsradio RTI ließ sie über eine von ihr eingesetzte Arbeitsgruppe fünf neue Verfassungsrichter ernennen.

Die neuen Richter traten ihre Ämter am 1. November 2016 an; zusätzlich wurden die Ämter des Gerichtspräsidenten und seines Stellvertreters neu besetzt. Allerdings gelangen diese Neubesetzungen erst im zweiten Anlauf; zuvor hatten die zwei ursprünglichen Kandidaten der Präsidentin ihre Bewerbungen zurückgezogen, weil sie in der DPP selbst zu wenig Unterstützung fanden.

Laut dem Hong Konger Sender RTHK erforderte eine Entscheidung der Verfassungsrichter zu Gunsten der ihnen vorliegenden Klage zehn Stimmen (von 14); nur zwei Richter lehnten sie letztlich ab.

Im Februar hatte das Verfassungsgericht eine Klage des Aktivisten Chi Chia-wei angenommen, nachdem ein Antrag Chis und seines langjährigen Partners auf Eheschließung von einem Taipeier Bürgerbüro abgelehnt worden war.

Vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts hatte Chi sich laut "Taipei Times" bereits optimistisch geäußert. Seine Begeisterung sei jedoch gedämpft, weil er Weg dorthin so lang gewesen sei. Es handle sich um verspätete Gerechtigkeit.

Taiwan gilt als ein konservatives Land - sogar die am Donnerstag vom Regierungssprecher angesprochenen Entkriminalisierungsverfahren für Ehebruch werden in Meinungsumfragen regelmäßig mit großer Mehrheit abgelehnt, und Initiativen zur Abschaffung der Todesstrafe ohnehin.

Aber bei der Homo-Ehe zeichnet sich eine Liberalisierung in der öffentlichen Meinung ab: im November vergangenen Jahres unterstützten 46,3 Prozent der Befragten laut einer Meinungsumfrage das Konzept, während 45,4 Prozent dagegen waren. Bei den Befragten, die weniger als vierzig Jahre alt waren, lag der Unterstützeranteil sogar bei 64 Prozent.

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Full Text of Constitutional Court Ruling, CNA, 25.05.17

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