Welt-AIDS-Tag in China

Volksnah. Die offiziellen Medien bleiben mit ihrer Berichterstattung an der Oberfläche. Aber staatliche Stellen alleine werden AIDS nicht in Grenzen halten.

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Der Handschlag, sonst im chinesischen Alltag nicht so üblich wie in Deutschland, ist in der AIDS-Aufklärung wichtig. Er gehört zum Programm, als nonverbales Signal des Verstehens: so überträgt AIDS sich nicht.

Wenn also die Führung unter die Leute geht, macht sie es vor. Die Körpersprache Xi Jinpings (Bild 2) vom vergangenen Freitag wirkt dabei allerdings überzeugender als die seines Vorgängers als Parteichef (Bild 1, China Daily, 2008).

Wie die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Puhuangyu Gesundheitszentrums im Beijinger Fengtai Distrikt die "wichtige Rede" Xis am Ende der Veranstaltung (die Rede eines wichtigen Mannes ist immer wichtig) fanden, ist nicht verlässlich überliefert. Auch auf Sina Weibo, einem Mikroblogkanal zur (relativ) freien Meinungsäußerung werden sie sich sicher nicht negativ über Xi auslassen.

Xinhua am Samstag (also heute):

Am Vorabend des Welt-AIDS-Tages, am Freitag vormittag, besuchte der Generalsekretär der KP Chinas und Vorsitzende der Zentralen Militärkommission Xi Jinping die Zweigstelle des Puhuangyu Community Gesundheitszentrums in Shiliuyuan, Fengtai Distrikt. Er traf Patienten im Methadonprogramm der ambulanten Klinik und nahm an AIDS-Präventions-Trainings und Diskussionen teil. Xi hob hervor, dass AIDS an sich nicht schrecklich sei. Ignoranz und Vorurteile gegen AIDS-Infizierte seinen schrecklich. Sie alle seien aber unsere Brüder und Schwestern, und die ganze Gesellschaft sollte ihr Leben mit Liebe erleuchten.

Um ca. 9:30 Uhr betrat Xi Jinping die ambulante Klinik Nr. 7. Die freiwilligen Helfer heften ihm eine rote Schleife als Symbol für Liebe und Fürsorge an. Zhang Zhijun, Leiter des Gesundheitszentrums, erklärte das Methadon-Programm für Gruppen mit hochriskanten Verhaltensmustern. Xi sagte, das Programm sei effektiv in der Bekämpfung der Verbreitung von AIDS. Man müsse Verständnis für die Psychologie [der Betreuten] zeigen, wenn man nach Lösungen suche, aktiv zusammenarbeiten und die Behandlung aufrechterhalten.

"Hochriskantes Verhalten" ist nicht das Wort der Wahl für die englischsprachige "China Daily". Zielgruppengerecht gibt Sie den Begriff als "am meisten gefährdet" (most vulnerable) wieder.

Weiter mit Xinhua:

Xi hob hervor, dass eine AIDS-Infektion bedauerlich sei. Aber in der großen sozialistischen Familie zeigten die Partei, die Regierung und die Gesellschaft als ganze ihre Anteilnahme für Infizierte und Patienten. Wissenschaft und Technologie haben sich sehr entwickelt, und viele Patienten könnten auf Wiederherstellung hoffen.

Vor dem Ende der Aktivität hielt Xi Jinping eine wichtige Rede. Er hob hervor, dass AIDS eine Herausforderung für die ganze Menschheit sei. Seit die ersten Fälle in China 1985 entdeckt wurden, hätten Partei und Regierung der Prävention und Behandlung von AIDS große Aufmerksamkeit gewidmet. Aber die Situation bleibe ernst, es gebe in der Gesellschaft noch viel Diskriminierung, und viel Arbeit bleibe zu tun.

Li Keqiang, die Nummer Zwei des Ständigen Ausschusses des Politbüros und voraussichtlicher Nachfolger Wen Jiabaos als Staatsratsvorsitzender, traf bereits am Montag AIDS-Vertreter. Vielleicht wollte er es möglichst schnell hinter sich bringen. Das Gespräch wird zwar nicht unziemlich verlaufen sein - aber laut AFP hatten viele Aktivisten von Li eine sehr schlechte Meinung. Sie verwiesen - offenbar gegenüber der Nachrichtenagentur - auf Lis Rolle in der Unterdrückung von Epidemiezahlen - und von Aktivisten - in der Provinz Henan, 2001. Damals war Li Keqiang dort Parteisekretär.

Auch Nichtregierungsorganisationen in Beijing hatten es schwer. Im August deutete sich allerdings zumindest für Beijing Love Source - einer von Hu Jia mitgegründeten und von seiner Frau Zeng Jinyan betriebenen Organisation - eine Wende an. Das zuständige Finanzamt im Beijinger Chaoyang-Distrikt teilte ihr mit, dass es "zur Zeit" keine steuerlich illegalen Vorgänge im Betrieb der Loving Source wahrnehme.

Bis dahin allerdings hatte sich das Finanzamt viel Zeit gelassen. Gegen Beijing Loving Source war seit November 2010 ermittelt worden - wenn nicht noch früher. Aber üblicherweise enden solche Ermittlungen mit allem Möglichen, nur nicht mit einer Entlastung. Insbesondere Hu Jia - 2008 wegen "Subversion" verurteilt und seit 2011 wieder frei - hatte vermutlich einen Großteil der staatlichen Aufmerksamkeit auf die Organisation gezogen.

Viele Chinesen scheuen davor zurück, sich an eine staatliche oder staatsnahe Stelle zu wenden. Vielleicht hat die Partei beschlossen, den Nichtregierungsorganisationen, die auch solche Bürger erreichen, mehr Raum zu geben. Sinnvoll wäre es.

Von einer AIDS-Epidemie sei in China noch nicht zu sprechen, befindet Wikipedia - aber die Infektionsrate steige drastisch.

Die Altenpflege - soweit sie außerhalb der Familien stattfindet - ist ohnehin längst nicht mehr nur Staatsangelegenheit. Auch kommerzielle und religiöse Organisationen betreiben mittlerweile Seniorenheime.

Allerdings ist die Altenpflege von Vorurteilen auch kaum belastet.

Der Welt-AIDS-Tag gehört für die chinesische Führung zum Programm. Nebenstehend die Übersetzung einiger Passagen aus einem Artikel der Nachrichtenagentur Xinhua zum Besuch des neuen Parteichefs Xi Jinping in einem Gesundheitszentrum in Beijing - und der Versuch einer Einordnung.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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