Morde, so sagte vor Jahrzehnten ein mir namentlich nicht mehr erinnerlicher Autor, eigneten sich besonders gut für komische Geschichten. Das stimmt immer noch. Wenn es jetzt heißt, "die Franzosen" wüssten "vermutlich besonders gut", wie sich die Österreicher "jetzt fühlen", eignet sich das auch - für die Täter. So sie es noch erleben und ein Smartphone bei sich haben. Ansonsten dürfen sich eventuelle Hintermänner gut bedient fühlen.
Die Öffentlichkeit "fühlt" nicht, weil sie beschossen oder mit Messern angegriffen würde, sondern wegen der emotionalisierten Form, in der ihr berichtet wird. Schon gar nicht fühlt sie im Wortsinn oder in einem traditionellen Sinn mit. Immerhin gibt es Fortschritte: anders als bei einer rechtsextremistischen Anschlagserie in den 1990er Jahren wird jetzt nicht gesagt, so etwas dürfe nie wieder passieren. Auch das waren Einladungen zu mehr davon.
Die "Titanic" hat in mehr als einem Fall vorgemacht, wie man Ferkel erfolgreich wieder ausladen kann - einer politischen Partei gegenüber, die mit antisemitischen Parolen liebäugelte ebenso wie gegenüber Islamisten. Jeweils nach Wochen oder Jahren liebevoll angeheizter ohnmächtiger öffentlicher Empörung und gegenseitiger Angst-Lustattacken löste das Satiremagazin Spannungen in Gelächter auf.
Schulen brauchen keine Gedenkminuten, sondern Denkminuten. Am besten sogar -stunden. Und sie brauchen gute Lehrerinnen und Lehrer. Wenn es jetzt heißt, es dürfe nicht sein, dass das Schulpersonal sich bedroht fühle, ist das in manchen Gegenden die Neuentdeckung eines ziemlich alten Problems, und das keineswegs nur aus islamistischen oder rechtsextremistischen Gründen. Wenn das Wort "Lehrer" schon ausreicht, um bei einer nicht besonders bildungsfreundlichen Öffentlichkeit Gekicher hervorzurufen, ist etwas nicht in Ordnung - übrigens weder mit der Öffentlichkeit noch mit dem Bildungswesen.
Wäre aber, zugegeben, auch ein bisschen viel verlangt. So viel Kompetenz oder Heiligkeit, wie sie für besseres Lernen nötig wären, bekommt man nicht für ein paar Arschtritte oder Sonntagsreden.
Kommentare 9
..."Wenn das Wort "Lehrer" schon ausreicht, um bei einer nicht besonders bildungsfreundlichen Öffentlichkeit Gekicher hervorzurufen, ist etwas nicht in Ordnung - übrigens weder mit der Öffentlichkeit noch mit dem Bildungswesen"...
Warum ist das denn so? Facebook? Twitter? Youtube? Kultusminister der Länder? RTL 1, 2, SAT 1 und Pro 7?
Weil die Schüler keine "Aufsteiger" aus der unteren Mittel-, sondern "Absteiger" aus der oberen Mittelschicht vor sich haben, die von ihren Altvorderen gerade noch mal halbwegs s-tandesgemäß untergebracht wurden? Weil jeder Deutsche ein Bundestrainer und ein Kultusminister ist, der weiß, wie Fußball/Schule geht, weil er selber mal mitgespielt hat? Fragen über Fragen.
Die Wissenschaft will festgestellt haben, dass "soziale Medien" eh schon vorhandenen Narzissmus bedienen. Vermutlich ist also das "Privatfernsehen" der bisher erfolgreichste aller hoch ansteckenden Verblödungshits. Aber das musste ja sein, des Rotfunks wegen, der unser aller Verderben gewesen wäre.
Sagte ich hier schon vor 10 Jahren:
Am 1. Januar 1984 um 9:58 Uhr bereitete Christian Schwarz-Schilling und Helmut Kohl das Ende des modernen Bildungswesens ein.
Die Früchte haben wir jetzt.
Hast Du denn verstanden, was er sagen will?
Ich entnehmen dem lediglich, daß er gern Berichterstattung in der Art von: „Nach dem Besuch eines Konfessionsfremden, sind drei Kirchenbesucher von uns gegangen. Der Landkreis Singeldingen hat eine Anhebung der Immobiliensteuer um 1,5% beschlossen. Auf der A1 zwischen Untertutzeln und Obersulz-Findichheim ist die Fahrbahn wegen Bauarbeiten auf eine Spur begrenzt worden,“ oder so.
Außerdem hätte er anscheinend die Erosion allgemeiner Sitte und von Disziplin in Schulen gern von muslimischer Einwirkung getrennt, weil sie ja nicht miteinander zusammenhingen.
Das tun sie dann wohl mit Solchem wie Quentin Tarantinos Filmen und Videospielen, auch wenn die später aufkamen.
In anderem Thread hat er zum Ausdruck gebracht, mit dieser These hier (sofern sie denn so und überhaupt zu verstehen ist) andere Schlußfolgerungen zum Einsturz zu bringen.
Dabei sollte man annehmen, daß dazu sein eigenes Luftschloß willentlichen Konstrukts erst einmal belastbar zu sein hätte.
Sein Art, Gespinst zum Gegenstand zu machen, und die Immunität gegen Realität, nehmen sich zunehmend aus, als sei er selbst Moslem.
Schwarz-Schilling? Der hat doch nur Arbeitsplätze geschaffen und die Innvoation der Wickelmaschinen befeuert.
Peter Radunski was da man.
Jahrzehnte später heulte er rum, man habe doch nicht ahnen können, dass die Privaten gleich so in die Schmuddelkiste greifen würden. (Ich glaube, er meinte damit aber nicht die Politik, sondern die hundert Schwedinnen in Oberursel).
Mal auf Google suchen, kann man sich runterladen:
"Der reale Ablauf politischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse läßt sich nicht visualisieren: „Die zunehmende Komplexität und die Abstraktheit politischer Probleme sind in ihrer Mehrdimensionalität nur noch in parlamentarischen Ausschüssen, Expertenkommissionen und Diskussionen innerhalb der Exekutive erkennbar, für das Fernsehen werden sie unvermittelbar.“
Politiker, so meint deshalb Heinrich Oberreuter, liefen permanent als „schizophrene Persönlichkeiten“ herum, weil sie sich kommunikativ-massenmedial anders verhalten müssen als im Kontext ihres politischen Geschäfts.217 In gewissem Umfang ist diese „Schizophrenie“ unvermeidlich, weil politische Durchsetzungsfähigkeit „nach innen“ nur im Wege von „Fach-und Organisationskompetenz“,218 Legitimation „nach außen“ aber in hohem Maße mit „Darstellungs- und Vermittlungskompetenz“ verbunden ist.219 Dies hat Radunski dazu veranlaßt, das Bild vom idealen Politiker zu entwerfen, der die Rolle des „politischen Regisseurs“ ebenso beherrscht wie die des „medienversierten Hauptdarstellers“.
Die Diagnose von neuartigen medienpolitischen Problemen nach Einführung des dualen Systems war der Anlaß dafür, daß der Bundespräsident [wohl der letzte politische Seiteneinsteiger, darum interessierte den sowas noch] 1993/94 eine Expertenkommission einsetzte, um die Lage des Fernsehens zu beurteilen. Der Bericht wirft auch die Frage nach der Rolle des Fernsehens in der politischen Kommunikation auf und zeichnet eine Entwicklung, die mit dem politischen Schlagwort „Mediokratie“ bezeichnet wird. Dahinter verbergen sich gegenseitige Anpassungsprozesse von Medien und Politik.
In der Mediengesellschaft sind Formen politischen Handelns zur Alltäglichkeit geworden, die traditionell nicht zum Repertoire politischer Auseinandersetzung gehören: gewaltsame Demonstrationen, Sitzblockaden, Boykotts, Terroranschläge. Ihnen ist gemein, daß sie gesellschaftliche Werte verletzen und damit scharfe Konflikte hervorrufen. Aber gerade diese Konflikthaltigkeit dient dem Transport politischer Themen und Interessen. Die Konflikthaltigkeit sorgt dafür, daß die Medien auf dieses Problem aufmerksam werden. Wer also die Selektionsregeln durchschaut hat, kann die Medien in gewisser Weise für seine Zwecke instrumentalisieren."
Der sollte natürlich an Sie gehen.
Es wird gesagt: Die Amerikaner machen es richtig, aber erst, nachdem sie alles falsch gemacht haben. Das ist nicht ganz richtig, eher schon: Die Amerikaner machen alles, was man falsch machen kann, falsch, und am Ende landen sie auf dem Scheiterhaufen der Geschichte (dem Haufen der Gescheiterten). Das ist jedoch keine Charakterisierung der Amerikaner, die Aussage ändert nicht ihren Wahrheitsgehalt, wenn man Amerikaner durch Mensch ersetzt. Und selbstverständlich ist sie teils falsch, teils zu einseitig. Individuen sind in der Regel lebenslang nur geringfügig variierte Versuche der Lebensbewältigung. Gesellschaften sind unterschiedliche Biotope der Selbstorganisation von Multituden. Der Fehler liegt im Ignorieren der Möglichkeit und der freilich leicht zu überschätzenden Tatsächlichkeit des Lernens. Nicht einmal im Falle der Amerikaner sehe ich schwarz. Die auf sie zurollende tsunamische Krise wird sie lehren, und ich hoffe nicht zu einer falschen Konsequenz führen, die die Agonie verschlimmert.
Leider sind wir allgemein noch nicht in der Lage, wie in der Wissenschaft gezielte Experimente, noch besser Gedankenexperimente und virtuelle Simulationen vorzunehmen, um zu besseren Lösungen zu gelangen, stattdessen herrscht ein Jahrmarkt des trial and error, aber selbst das ist schon Lernen. Eine neue Stufe werden wir erreicht haben, wenn wir das Lernen gelernt haben, also konsequent unsere Fehler zu reflektieren. Das „bessere Lernen“ ist das Lernen des Lernens, der bessere Lehrer ist der, der das Reflektieren, das kritische Hinterfragen lehrt. Oder ist es zu viel verlangt, sich solche Lehrer zu wünschen und den Respekt der Allgemeinheit für solches Lernen?
Die Rolle der Massenmedien in der kapitalistischen Demokratie
Alle Unternehmungen im Kapitalismus haben zwei Ziele, das unmittelbare der Generation von Profit und das mittelbare der Erhaltung des Systems, das die Generation von Profit erhält. Das Ziel Bildung ist in einem sehr eingeschränkten Sinn ein kapitalistisches Ziel, denn die Generation von Profit lebt von der ständigen Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit, von Wissenschaft, Technologie, entsprechenden Kompetenzen und der Kultivierung oder auch nur Anstachelung der Bedürfnisse. Selbstverständlich ist die Kommerzialisierung, dh Privatisierung in das kapitalistische Produktions- und Marktsystem, der öffentlichen Kommunikation so zwangsläufig wie der Zugriff auf Infrastruktur und allgemeine Versorgung, Müllbeseitigung und Krankenhäuser.
In der sozialdemokratischen Phase glaubte man an die parallele Entwicklung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft, Markt und Staat. Letzterer war für Militär, Polizei, Justizsystem, Bildungs-, Existenzsicherungs- und Gesundheitssystem zuständig, hatte also im Bereich der öffentlichen Information und Kommunikation einen Bildungsauftrag. Diese Fessel des Kapitalismus mußte geschleift werden. Man sollte das aber nicht überinterpretieren, es ging nicht um geistige Manipulation, sondern um die Etablierung eines weiteren Geschäftsmodells. Die Versorgung mit geistiger Nahrung durch die kapitalistische Informationsproduktion, die korrekt als Vermüllung und Verramschung anzusprechen ist, keinen höheren Zielen folgt als denen, die in der Warenproduktion üblich sind, hat kein anderes Ziel als Profitabilität, die sich aus der Verwertung von gesteuerten Bedürfnissen und Konsumsucht ergeben. Der Bildungswert von Informationen ist da nur Spaß- und Profitbremse.
Irgendwann war der Traum eines humanen Kapitalismus, also einer Parallelität von Fortschritt und Geschäft, ausgeträumt. Das war im Bereich der Information der Moment der Privaten. Man sollte aber nicht übersehen, daß dies auch ein Moment der Demokratisierung war, das Bildungsfernsehen, das uns Faßbinder und Kluge beschert hatte, war eine Eliteveranstaltung, die Massen spiegeln sich eher in den Quizsendungen und Realityshows. Die Privaten fördern nicht die Möglichkeiten, die im Durchschnittspublikum schlummern, aber sie bedienen es mit dem, was es sehen will (ja, und verstehen es intuitiv, das Publikum zum willenlosen Konsumenten einzulullen). Immerhin sind wir besser dran als andere, wir haben noch ein (Sch)Rumpfsystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und auch wenn die Zahl der hochwertigen Filme und Fernsehspiele, Features, Kultursendungen abnimmt, die Zahl der Serien und Krimis zunimmt, gibt es weiterhin Produktionen wie „Im Angesicht des Verbrechens“, „Babylon Berlin“, Tatorte, Nachtschicht und viele Reihen, die sehr erfolgreich sind und das Niveau und eine subversive Kritikfähigkeit im demokratischen Medium erhalten.
Bei dem, was Sie mehr oder weniger kognitiv studiert haben, lieber Endemann, sollten Sie es sehr viel besser wissen, als seit den achtziger Jahren sukzessiv lepröse und an progressiven Feigenblättern amputierte Entwicklung der Medien insgesamt so gnädig abzusegnen.
Seitheriger Stand ist katastrophal. Der SPIEGEL in sein Gegenteil verkehrt und investigative TV-Formate als um 1/3 gekürzte weitgehend auf Nebensender und spätnächtliche Sendezeiten abgeschoben, wo sie dann auch kaum ein Schwein auftut. (Dort dann oft genug von auf die Spitze getriebener Werbeunterbrechung stundenlang aufgehalten, um eine ¾ Stunde Inhalt zu verfolgen.)
Zusammen mit isolierend fragmentierendem Bildungswesen daran abzulesen, daß der Zeitgeist seit Kastengesellschaft noch nie so ahnungslos darüber war, was und wodurch vor sich geht.
Als die Menschen früherer Epochen am Ende noch zu Sense und Mistgabel griffen, um sich ihrer Unterordnung zu erwehren, waren sie sich wenigstens noch Standes und ihrer Entrechtung bewußt.
Manipulative Perfektionierung hingegen, sie wähnen zu lassen, selbst Regent zu sein / Vorgänge unwillkürlich scheinen zu lassen, entspricht einer Macht über sie, wie sie nie zuvor herrschte.