Zhao Xiyong:Inspektionen und wichtige Reden

Hoher Besuch. Gut informiert und umgänglich soll er gewesen sein, der Spezialist und Politiker aus Beijing.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Man weiß wohl nicht allzu viel über Zhao Xiyong. Baike.Baidu, ein chinesisches Online-Nachschlagewerk, kennt weder seinen Geburtsort noch sein Geburtsdatum. Man weiß aber, wo Zhao unter anderem aufgetreten ist: in Loudi (Provinz Hunan), in Kunming (Provinz Yunnan) und in Yuxi (ebenfalls in Yunnan).

2010 erschien Zhao auf der politischen Bildfläche, zunächst als Mitarbeiter des Entwicklungsforschungszentrums beim chinesischen Staatsrat, dann als Abteilungsleiter (wenn nicht Direktor) des Politikforschungsbüros beim chinesischen Staatsrat, aber auch als Vizeminister.

Die Beijing Times (hier online von der Nachrichtenagentur Xinhua übernommen) will schon vorigen Donnerstag mehr über Zhao gewusst haben: der falsche kaiserliche Gesandte sei 58 Jahre alt, und in der nordostchinesischen Stadt Shenyang geboren. Noch 2008 sei er ein ganz normaler Bürger gewesen. Seine politische Karriere habe 2010 begonnen.

Sein Fachgebiet: die Automobilindustrie. Bei der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags zwischen einem Beijinger und einem hunanesischen Automobilhersteller fädelte er sich offenbar erfolgreich als Staatsrats-Forscher ein. In dieser Eigenschaft nahm er als im Oktober letzten Jahres auch als spezieller Gast auch an einem Symposium an der Tongji-Universität in Shanghai teil. Und als - angeblicher - Vizeminister besuchte er lt. Beijing Times - die Zeitung zitiert ihrerseits die damalige örtliche Medienberichterstattung - einen Kindergarten in der früheren deutschen Kolonie Qingdao (Tsingtau).

Zhaos Schwerpunkt war aber wohl die Provinz Yunnan, weit im Süden, und sehr fern von Beijing. Hier agierte er nicht nur als inspizierender Vizeminister, sondern schloss auch mit interessierten örtlichen Organisationen Beraterverträge ab.

Das lief offenbar ganz wunderbar, bis - lt. Beijing Times - das General Office des Staatsrates am 8. März ein Schreiben an die Provinzregierung von Yunnan sandte:

Laut Internetberichten hat Zhao Xiyong seit Ende vorigen Jahres als vorgeblicher Abteilungsleiter beim Staatsrat oder als Abteilungsleiter des Politikforschungsbüros beim chinesischen Staatsrat) und als Vizeminister auf Inspektionsreise in Kunming, Yuxi, Chengjiang, Tonghai und an anderen Orten Untersuchungen angestellt und Reden gehalten,

teilte der Staatsrat den Provinzführern mit. Sowohl die Berichterstattung im Internet als auch konkrete Anzeigen hätten den Staatsrat schließlich dazu veranlasst, der Provinzregierung eine Meldung zu schicken, so die Beijing Times. Zhaos Aktivitäten in seinen vorgeblichen politischen Eigenschaften seien allesamt illegal. Kurz: der Staatsrat hatte mit Zhao nichts zu tun.

Das Verwirrende dabei, so die Beijing Times: die Betriebe, die Zhao "inspiziert" hatte, fühlten sich nach eigenen Angaben gar nicht betrogen - und die Dienststellen der Provinz auch nicht. Zhou habe, so einer seiner wissenschaftlichen Gesprächspartner, ein gewisses fachmännisches Niveau gezeigt, und das bei einer gewinnenden und kommunikativen persönlichen Art und Weise.

Und zum Misstrauen habe man keinen Anlass gehabt: Zhao sei schließlich jeweils in Begleitung von Kadern der nächsthöheren Dienststelle zur Inspektion erschienen.

Es gibt Dinge, die in einem chinesischen Pressetext nicht extra gesagt werden müssen. Das gewisse fachmännische Niveau, das dem Schein-Kader bescheinigt wird, darf man getrost als grinsenden Seitenhieb auf echte Kader verstehen, die zu jedem Problem ihren Senf dazugeben - fachmännisch oder nicht.

Vielleicht habe Zhao ja wirklich Niveau bewiesen, schrieb (offenbar heute) ein Kommentator der Dongfang Morning Post. Aber gelte das absolut, oder nur im Vergleich mit wirklichen Abteilungsleitern/Direktoren oder Forschern? Ich weiß nicht, so der Kommentator, ob das jetzt der Stolz des Zhao Xiyong oder die Schande der anderen ist.

Jiang Zemin, gelernter Ingenieur und späterer Partei- und Staatschef, wurde in Verbindung mit größeren Arbeitsunfällen in der chinesischen Industrie in den 1990er Jahren gerne damit zitiert, er habe sofort nach persönlicher Kenntnisnahme bei der jeweils verantwortlichen Betriebsleitung angerufen und wichtige Weisungen erteilt. Per Ferndiagnose, versteht sich, und kraft der Weisheit, die ein hohes Amt nun einmal mit sich bringt.

Auch als im Oktober letzten Jahres in Hong Konger Gewässern zwei Fähren kollidierten - 37 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein -, griff man in Beijing zum Telefon: die Genossen Hu Jintao, Wen Jiabao und Xi Jinping riefen in Hong Kong an, erkundigten sich nach dem Stand der Dinge und erteilten wichtige Instruktionen.

Über Zhao Xiyongs derzeitigen Aufenthaltsort ist lt. Presseberichten nichts bekannt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

JR's China Blog

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden