Zu fromm für die "Community"?

Hinausgeekelt Online-Identitäten sind allenfalls mit Zertifikaten "beweisbar". Das könnte ein Vorteil sein, denn damit zählen vor allem Argumente. Könnte man jedenfalls denken.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Es war mein neunter Kommentar in der "Freitag-Community" - im Thread unter einem Beitrag von Jakob Augstein, in dem er sich mit den Nachdenkseiten auseinandersetzte. Entzündet hatte sich die Auseinandersetzung wohl an der Spiegel-Online-Kolumne Augsteins, in der er beschrieben hatte, was Merkel jetzt machen muss. Aufgrund seiner Euro- und Merkel-Berichterstattung sei er von Albrecht Müller - also den Nachdenkseiten - unfreundlich angegangen worden, fand Augstein.

In dem Zusammenhang interessierte mich vor allem die Euro-Debatte an sich, und in dem Zusammenhang fand ich, Müller habe mindestens in dem Punkt Recht, dass Augstein die Diskrepanz in der Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Euroland-Mitgliedsstaaten nicht benannt habe.

Das war vor knapp neun Monaten. Ich drückte den "Kommentieren"-Knopf und fragte mich, ob daraus eine Debatte über die bestmögliche "Euro-Politik" ergeben könnte. Kurz darauf wurde ich darauf hingewiesen, Augsteins "Opferthese" sei lächerlich. Dann wurde mir nahegelegt, die Sache politisch und nicht persönlich privat im Sinne des Boulevard zu diskutieren.

Das hatte ich ja eigentlich auch vorgehabt - nur war mir Merkel in dem Zusammenhang gar nicht so wichtig gewesen. Wenn ich die Diskussion heute noch einmal nachlese, wird mir klar, dass ich mich auf eine Debatte einließ, die ich nicht gesucht und auch gar nicht gewollt hatte.

Aber wenigstens erhielt ich klare Anweisungen: Stecken Sie sich Ihren Roten Stern ab und treten sie gelb-blau in die FDP ein.

Heute weiß ich, dass ich damit gut davongekommen war. Es gab in der Zwischenzeit weitere Newbies. Eine davon, nennen wir sie GS, schrieb diesen Monat einen Beitrag zum amtierenden Papst und zur Papstkritik. Sie selbst sah den Papst nicht nur vergleichsweise positiv, sondern kritisierte auch die Kritik.

Genauer kann ich ihren Artikel nicht mehr beschreiben, denn inzwischen hat GS nicht nur ihren Papst-Artikel, sondern auch ihr komplettes Profil gelöscht oder versteckt.

Das kann ich gut verstehen. Sehr bald begann nämlich etwas von der Art, was sein begriffliches Gegenstück wohl am ehesten im human-flesh search hat. Mindestens zwei Foristen betrieben das aktiv, und weitere fanden das irre komisch.

Ich wurde - als Forist - im Thread dazu aufgefordert, mich nicht zum Thema des Beitrags zu äußern - ein Kritiker der Autorin fand nämlich, das sei sein Fachgebiet. Ich solle also den Schnabel halten. Mein Mitforist erklärte mir auch, dass er meine Nah- und Fernostkommentare durchwinke, weil er finde, dass Leute von einem Thema reden sollten, die sich schlüssig damit auseinandergesetzt hätten.

Ich hätte gerne mit GS diskutiert. Allerdings waren einige Foristen offenbar der Meinung, das sei auf der FC gar nicht erlaubt.

Ebenfalls ordentlich Flak zogen in den letzten Monaten einige islamische Blogger auf sich, die sich offenbar zum Ziel gesetzt hatten - oder haben -, ihre Sicht auf ihre Religion zu erklären. Auch hier legten einige Foristen großen Wert darauf zu erfahren, mit wem sie es eigentlich zu tun hatten.

Ein aus meiner Sicht besonders merkwürdiger Kommentar:

Leute, ich will NICHT missioniert werden. Ich finde es eine Unverschämtheit, Menschen gegen ihren Willen, damit zu behelligen. Und dazu noch in solch plumper Weise, in dem die Rassimuskarte ausgespielt wird, um die Botschaft unters Volk zu bringen.

Schon klar. Ich auch nicht. Es muss sich ja auch niemand missionieren lassen. Ich muss das alles nicht einmal lesen, wenn es mich nicht interessiert. Aber ich kann auch Fragen stellen, und ich kann argumentieren, wenn ich will, und wenn sich die Autoren darauf einlassen.

Ich weiß, dass die "Freitag-Community" eine Vorgeschichte hat, die etwas mit dem Verhältnis zwischen Bloggern und Foristen zur Redaktion zu tun hat - verstanden habe ich diese Vorgeschichte nie so ganz. Ich frage mich aber, ob diese Vorgeschichte einigen Foristen das Gefühl vermittelt hat, ihnen stehe eine Art Hausrecht zu: Newbies nach Belieben Einlass zu gewähren oder sie auch hinauszuekeln.

Anders kann ich mir einige Vorgänge der letzten Monate auf dieser Plattform bisher nicht erklären.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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