Das Ende der Demokratie

Griechenlandkrise Demokratie und Kapitalismus beenden ihre Affäre. Die Imperative des Marktes lassen die postdemokratischen Verhältnisse offen zu Tage treten

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Griechische Bürgerinnen und Bürger lesen am Montagmorgen in den Zeitungen über die neue Einigung
Griechische Bürgerinnen und Bürger lesen am Montagmorgen in den Zeitungen über die neue Einigung

Foto: ARIS MESSINIS/AFP/Getty Images

Sollte der "Kompromiss" zwischen Griechenland und den europäischen Gläubigern tatsächlich vom griechischen Parlament so angenommen werden wie er nach letzten Meldungen aussieht, dann ist Griechenland endgültig eine defekte Demokratie. Eine defekte Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass zwar noch Wahlen stattfinden, aber keine qualitative Differenz in der politischen Entscheidung mehr möglich ist. Anders gesagt: Es ist schlichtweg egal, wer gewählt wird.

Mit dem neuen "Kompromiss" kehrt die Troika zurück, sie hat Zugang zu allen Ministerien, darf alles einsehen und muss alle parlamentarischen Entscheidungen genehmigen. Außerdem sollen Lösungen gefunden werden, um die Entscheidungen des griechischen Verfassungsgerichts zu umgehen. So soll die griechische Regierung unter anderem Beamte entlassen können, auch wenn es gesetzeswidrig ist. Noch ist nicht genau bekannt, ob diese Forderungen im endgültigen Papier noch bestand haben werden.

Wenn dem aber tatsächlich so sein sollte, dann wären die Legislative und Judikative stark beschädigt. Die legislative Macht wäre in den Händen von IFW, EZB und der europäischen Kommission und die Judikative als kontrollierende Instanz wäre faktisch entmachtet. Die griechische Regierung darf dann nur noch die Exekutive verwalten und die Politik der Troika per Gewalt durchsetzen.

Dass die Entscheidungen zur Entdemokratisierung von anderen Demokratien entschieden worden ist, macht es nicht besser. Zum einen waren die anderen Demokratien untereinander sehr uneins und zum anderen haben sie sich tief in die Souveränität eines anderen Staates eingemischt. Ähnlich wie die amerikanische Demokratie, die in den siebziger Jahren die Chilenische Demokratie zerstört hat, beginnt die marktkonforme EU-Demokratie die Erosion der europäischen Werte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Das Ende der Demokratie in Griechenland fällt zusammen mit dem Zusammenbruch der Ökonomie, die durch die Insolvenzverschleppung in den letzten 5 Jahre nur noch brüchiger geworden ist.

Interessant ist, dass die postdemokratischen Verhältnisse, die es nicht nur in Griechenland gibt, in der Regel sehr verschleiert sind. In Griechenland treten sie nun aber offen zum Vorschein. So hat Syriza mit seinem Programm der Resozialdemokratisierung einen qualitativen Unterschied zum Neoliberalismus angeboten, wodurch sofort die Grenzen der Demokratie gezeigt wurden – sie darf eben nur so weit gehen, dass das Martkgeschehen nicht gestört wird. Der Putsch des Kapitals zeigt die Unvereinbarkeit von Demokratie und Kapitalismus. In unseren Zeiten, in denen das Kapital aus inneren Bewegungsgesetzten heraus gar nicht anders kann, als maximalen Profit aus den Menschen zu pressen, ist selbst ein sozialdemokratischer Kapitalismus – der Good Cop – nur noch Utopie.

Es scheint, als ob die europäischen Partner so große Angst vor dem Erfolg linker Regierungen und möglicher Nachfolger haben, dass sie im Kampf gegen Syriza sogar bereit sind, die Demokratie zu opfern. Ein Hoffnungsschimmer ist nur, dass die linke Bewegung wieder so stark geworden ist, dass sie das Kapital aus seiner Höhle locken konnte und jeder Sehende begreifen kann, wie scheußlich das Monster doch ist. Und wenn das Bewusstsein steigt, dass man selber das nächste Opfer der Bestie wird, dann ist die Hoffnung gegeben, dass am Vorabend vom Ende der Demokratie in Europa das Gespenst des libertären Kommunismus den Bolschewismus der Banken, Putschisten und Schäublisten bricht.

Trotz der schicksalshaften Elendsverwaltung hat die Linke wieder eine historische Chance, eine neue gesellschaftliche Stufe zu erklimmen. Aber sie hat es selber noch nicht begriffen. Die Linke ist wieder im Handgemenge der Geschichte und so schnell wird sie daraus nicht verschwinden. Das Ende der Demokratie gibt paradoxerweise Zeit und Raum für neue Strategien, endlich ein Europa zu schaffen, in dem der Geist von Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit den Dämon des Kapitals besiegt. Die Offensichtlichkeit des Endes der Demokratie in Griechenland bietet die Chancen auf eine umfassende Demokratisierung der europäischen Ökonomie und Politik in Europa.

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Geschrieben von

jw

Journalist, Soziologie, Aktivist

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