Bürgerkrieg oder islamische Reformation?

Arabischer Winter Eine Betrachtung über die Veränderungen, welche die islamistischen Parteien im Orient vielleicht vor sich haben.

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Ausgehend von der Meldung, dass die islamistische Regierungsmehrheit in Tunis auch angesichts massiver Proteste im Land nicht gewillt ist, auf die zunehmende Instabilität zu reagieren, stellt sich die Frage: Wie weit ist dieses Land von einem Bürgerkrieg entfernt? Oder allgemeiner: Welche Mechanismen politischen Ausgleichs wollen sich die islamischen Staaten schaffen?

Es ist ja nicht damit getan, das westliche Wahlsystem zu kopieren. Eine Grundlage von Demokratie ist doch das implizite Einverständnis der jeweiligen Regierungen es zu unterlassen, die Opposition tatsächlich bis aufs Blut zu reizen. Das ist, was die islamischen Staaten - so sie beschließen Demokratien zu werden (was sie ja nicht müssen) - als Lernaufgabe vor sich zuhaben scheinen. Ins Konkrete herunter gebrochen wird es vermutlich erforderlich sein, dass sich die bislang islamistischen Parteien in (westlich gesprochen) konservative wandeln. Damit ist gemeint Andersdenkenden jenes Mindestmaß an Freiheit zu gewähren, welches für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zwingend erforderlich ist.

Diese Länder werden für sich entscheiden müssen, ob solche Sachen von Scharia bis Kopftuchpflicht und anderes wovon man hier im Westen hört, politisch durchsetzbar sind oder eben nicht. Wir in Europa und haben für diesen Prozess vor - und das ist nicht herablassend gemeint - 400 Jahren einen dreißigjährigen Krieg lang gebraucht. Es ist den islamischen Ländern zu wünschen, dass sie es schneller und mit weniger Leid schaffen.

Entscheidend dafür wird vermutlich sein, wie schnell die religiösen Führer in den Moscheen und theologischen Universitäten, die den islamistischen Parteien das ideologische Rüstzeug zu liefern scheinen , sich eingestehen, dass mit Fundamentalismus kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Die Menschen werden wahrscheinlich einen Weg in einen Steinzeitislam, der ihnen zwar tiefe Religiöstät geben mag aber den Zugang zu besseren Lebensbedingungen erschwert, nicht mit gehen. Einen solchen Weg können sich nur die Länder leisten, die in Petrodollar schwimmen.

Vielleicht braucht es im Orient nun solche Leute wie damals hier einen Luther, einen Zwingli, einen Calvin oder gar Typen wie einen Hus oder Müntzer, statt eines bin Ladens und seiner Kumpel.

Interessant wird sein, in wieweit die Modelle welche die Türkei oder der Iran für sich gefunden haben, als Vorbild für andere islamische Staaten dienen können.

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