Europa von Oben

Postdemokratie Eine Prognose zur deutschen Europapolitik der nächsten Jahre.

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Den Anfang auf dem Weg in die Postdemokratie haben wir in Europa längst hinter uns. Vielleicht war er gemacht, als uns vor knapp zehn Jahren nichts besseres einfiel als zufrieden zu sein, nachdem Franzosen und Niederländer den neoliberalen Verfassungsentwurf in den Orkus der Geschichte stopften. Zwischenzeitlich sind wir ein Stück weiter.
Nicht auszuschließen ist, dass nach den Bundestagswahlen, vermutlich sogar erst nach den Europawahlen im Mai kommenden Jahres die nächste Etappe auf dieser Schussfahrt in die Zukunft angekündigt wird.
Ein "Wegen der Unterstützung des ökonomisch siechenden Club-Med muss der deutsche Steuerzahler ab 2015 Einschnitte in Umwelt- und Sozialbereichen hinnehmen." aus Angies Mund würde niemanden überraschen, oder? Also seien wir vorbereitet, wenn nach der Mitte des nächsten Jahres ein Ruck die Realitäten der Bundesrepublik durchzuckt, wie seiner Zeit im Anschluss an Schröders Agenda 2010-Rede.
Es ist ein billiger Trick der willigen Vollstrecker des Kapitals, die fatalen Folgen ihres Handelns als Begründung für ein alternativloses "Weiterso" zu nehmen. Und so werden sie uns Südeuropas ökonomisches Fiasko, das sie forcierten in dem sie ihm ein soziales zur Seite stellten, als Ursache dafür präsentieren, dass in einem Akt europäischer Solidarität der hiesige Sozialstaat nun ebenfalls und abermals zu kürzen sei. Irgendwoher muss das Geld schließlich kommen, mit dem den Gläubigern der Banken - also jenem Zehntel der Bevölkerung, dem über die Hälfte des Vermögens aller gehört - die Schulden zurückzuzahlen sind.
Nun hat das zunächst nichts mit Postdemokratie zu tun, sondern mit Sozialabbau. So wie Schröder die Planung des seinen damals in die Hartz-Kommission auslagerte, ist es vorstellbar, dass im europäischen Rahmen etwas ähnliches an- und abgeschoben wird. Die finanziellen Lasten, welche der Euro-Michel die nächsten Jahre zu schultern hat, sind gut geeignet demokratische Regeln als vernachlässigbar zu erachten.
Mit pastoralem Blick und sich an den Fingerkuppen berührenden Händen wird man uns erklären, dass spätestens seit dem euro-institutionellen Beinahe-Desaster während der jüngsten Rettungsaktion für Zypern offenkundig ist, Euroland wird mit den gegenwärtigen Strukturen seine Zukunft nicht meistern. Moody's, Fitsch und Co. werden wohlwollend nicken.
Die Physikerin der Macht wird ihre jetzige Taktik der Stärkung der Nationalstaaten im europäischen Rahmen über Bord werfen. Diese war nur nötig solange es galt, die Hegemonie Deutschlands im Euroraum durchzusetzen. Jetzt, da diese unanfechtbar scheint, kann die nächste Phase eingeläutet werden. Die Nationalstaaten sind weichgekocht. Die einzelnen Parlamente werden nahezu jede vergiftete Kröte schlucken, wenn nur endlich diese verdammte, ganze Volkswirtschaften ruinierende Krise aufhört.
Und so kann es passieren, dass 2015/16 eine Kommission aus Ratingagenturen, Großbanken, Eurobürokraten und vielleicht dem einen oder anderem Alibi-Paralemtarier eingesetzt wird um ein Konzept aus dem Hut zu zauberen, gegen welches kein Vertreter der politischen Klasse Europas mehr die Kraft findet, ernsthaft zu opponieren.
Was inhaltlich von einem solchen Konzept zu erwarten ist, planen sicherlich bereits diverse ThinkTanks. Es wird auf eine Vertiefung der europäischen Integration unter deutscher Dominanz hinauslaufen. Entfernt ähnlich der deutschen Reichseinigung 1871 unter Preußens Dominanz. Das Kalkül ist: Der Rest Europas wird ob seiner Schulden gezwungen sein, diesen Weg mitzugehen.
Selbstverständlich wird es nicht genauso kommen. Aber ungefähr vielleicht schon. Schließlich sind die Ingredienzien dieser kleinen Geschichte nicht der puren Fantasie entsprungen.
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