Holterdiepolter

Währungswechsel Betrachtung der Möglichkeiten und Folgen eines lang- oder kurzfristigen Euro-Endes.

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Währungen kommen und gehen. Meist jedoch nicht von allein. Ob uns die AfD den Euro austreiben wird ist nicht ausgemacht. Selbst wenn sie in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages Einfluss auf den Gang der Dinge entwickeln sollte, ist nicht sicher, ob das auf eine Weise gelingt, die ihre potentielle Wähler erwarten.

Es gibt die Vorstellung von einem geordneten Auflösen der gemeinsamen Währung. Also die Rückabwicklung des Euro, dessen Einführung von der Anbahnung 1990 bis zum Vollzug 2002 zwölf Jahre brauchte. Selbst wenn es doppelt so schnell ginge ihn abzuwickeln - wobei unklar bleibt, wieso der behäbige Tanker Eurokratie sich gerade in diesem Fall flott wenden lassen sollte - sind in Krisenzeiten fünf oder sechs Jahre sehr lang. M.E. ist nicht damit zu rechnen, dass das Euroland die z.Z. praktizierte Währungspolitik noch so lang durchhält. Mit anderen Worten, eine schön geordnete Scheidung, wie es 1993 den Tschechen und den Slowaken binnen kurzer Zeit gelang weil sie eben keine Krise zu meistern hatten, ist für das Euroland eher eine Fatamogana, als eine realistische Aussicht. Im Umkehrschluss anzunehmen der Euro sei ein Selbstläufer ... naja, das denkt wohl heutzutage keiner mehr.

Am wahrscheinlichsten erscheinen die Szenarien:

  1. Irgendwie Weitermachen mit dem Euro, indem eine Politik gefunden wird, welche die Wirtschaften und die Majoritätspolitiken der Euroländer mittragen und die das Ziel hat, die Krise in den nächsten 3 - 5 Jahren zu überwinden. Das anzuwendende Instrumentarium wird aller Voraussicht nach die Vertiefung der europäischen Integration sein.
  2. Eine mehr oder weniger ungeordnete Euroabwicklung.

Illustrationen zum Szenario 1. findet man alle Nase lang, z.B. auch hier. Im Folgenden ein paar Anmerkungen zu Szenario 2.:

Anzunehmen, kurzfristig ließe sich mehr als die nur Logistik organisieren, wenn eine deutsche Regierung zu den Krisenländern sagt „Macht Euch Euren Dregg alleene!“ wäre recht optimistisch. Alle Ostdeutschen die älter als 35 Jahre sind wissen ziemlich gut, dass es das eine ist, am Monatsletzten noch die eine Währung in der Geldbörse zu haben am nächsten Monatsersten aber die andere. Es kann gut gehen wie 2002 (wie bereits ausgeführt, mit jahrelanger Vorlaufzeit) oder es kann einem das ganzes Leben durcheinanderwirbeln wie 1990 (drei Monate Vorlaufzeit). Selbstverständlich war es nicht nur die Währung, nach der so mancher DDRler - unter der Androhung, er würde rübermachen - gierte, die da gen Osten blies, sondern die totale Gleichschaltung. Die damalige Währungsunion war jedoch die Grundlage für alle ökonomischen Änderungen welche folgten.

Ein überstürztes Ende des Euro würde uns Michels natürlich nicht so hart treffen, wie damals die nicht hinreichend wettbewerbsfähige DDR. Aber gewissen Analogien lassen sich vermuten. Wenn die Bundesrepublik ein Drittel ihrer Wirtschaftsleistung über den Außenhandel umsetzt und die neue Deutschmark würde - wovon auszugehen wäre - aufwertet, sind signifikante Absatzausfälle im Export zu erwarten. Es kann sich jeder Michel mal in „seinem“ Unternehmen umsehen, welche Produkte dort für den Export bestimmt sind. Diese Ausfälle könnten weder Angela noch Peer mit Abwrackprämie und verlängertem Kurzarbeitergeld auffangen. Derlei ginge nur, wenn wir Michels ein Drittel mehr konsumierten (als Staat oder privat). Aber zum einem sind die Güter die Deutschland exportiert nicht alle zum inländischen Konsum geeignet und zum andern ginge das nur mit massiver Verschuldung, Steuer- und/oder Reallohnerhöhungen. Also genau dem Setting, dessen Anwendung die Konservativen bereits jetzt scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Ergo: Wenn man Verschuldung, Steuer- und/oder Reallohnerhöhungen im Falle eines Euroaustritts in Kauf zu nehmen bereit ist, kann man genausogut drin bleiben.

Die Alternative wäre, eine Rosskur á la Ostdeutschland in den 90ern. Man lässt die Wirtschaft gesundschrumpfen und es mal so richtig krachen, diesmal ohne Not versteht sich. Es ist nicht davon auszugehen, das dies Ziel deutscher konservativer Politik ist. Schließlich leiden wir gerade nicht unter mangelnder Wettbewerbsfähigkeit an die man sich anpassen müsste. Es gibt also kennen Anlass auf Maggi Tatcher zu machen.

Man soll zwar niemals nie sagen, aber bevor die deutsche Majoritätspolitik erwägt, Hand an Euroland zu legen und bereit ist, eines der oben genannten Szenarien auszuführen, müsste die Meinung von uns Michels zum Euro vergleichbar in den Keller fahren, wie 1989 jene der Ossis zur Politik von E. Honecker. So etwas spürt man vorab. Es ist kein Vergleich zum medialen AfD-Hyphe oder den gelegentlichen verbalen Nebelkerzen konservativer bzw. liberaler Politiker, die verlautbaren sich vorstellen zu könnten, das eine oder andere Land verließe den Euro.

In diesem Sinne kann davon ausgegangen werden, dass die Ostdeutschen den Euro länger in ihrem Portmonee mit sich herumtragen werden, als die Deutschmark. Ob dies eines Tages alle Deutschen von sich sagen können, steht in den Sternen.

Gut zusammengefasst, was einen erwartet, wenn man etwas unbedingt und schnell will, vorab jedoch - wie 1990 - nicht richtig nachdenkt, wird es hier:

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