Ja, ja - die Alten

Generationenwandel Betrachtung des Zusammenhangs zwischen jährlichen Produktivitätsfortschritten und dem sich abzeichnenden Überhang an Senioren.

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Durchfüttern werden die Jungen, Jahrgangsschwachen die Alten müssen. - Wirklich?

Angesichts einer jährlichen Produktivtätszunahme von ca. 2% wird in 20 Jahren - wenn die letzten geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen - die Produktivität durch den Zinseszinseffekt beinah das Anderthalbfache von heute betragen. (Sicher, die Voraussetzung dafür ist, dass es uns gelingt, die Lebensbedingungen insgesamt einigermaßen stabil zu halten. Aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen.) Wenn also die heute 37 bis 47jährigen etwa im Jahre des Herren 2035 aus dem Arbeitsleben ausscheiden, werden die wenigen dann 20 bis 60jährigen überlegen müssen, was sie mit 48% mehr Produktivität im Vergleich zu heute anzufangen gedenken.

Soll es dann Standard sein, dass jedem Haushalt ein 200 qm-Eigenheim bzw. eine entsprechende Eigentumswohnung gehört, jede Fachverkäuferin mit einem Auto in der Qualität eines Audi Q3 zur Arbeit fährt und jeder Hartz IV-Empfänger ein Anrecht auf einen VW Polo hat? - Nun, diese Art gesellschaftlichen Lebensstandard kann man anstreben, muss man aber nicht.

Alternativ ist es möglich Teile der gestiegenen Produktivität dazu nutzen, die Alten, die ja immer auch jemandes Vater, Mutter, Onkel, Tante sind zu betüteln, bis sie in der Kiste verschwinden.

Welcher Weg wird beschritten werden? Zu welchem Weg wird die veröffentlichte Meinung verführen? Wer wird welche Lobbyarbeit wie erfolgreich machen? Welche Wirtschaftsverbände werden ihre „Rotationskader" in die Ministerien entsenden, damit sie an Gesetzesvorlagen im Interesse dieser oder jener Branche feilen?

Werden die erfolgreich sein, die daran verdienen, dass immer mehr individuell konsumiert wird? Autos so kolossal wie Panzer für jeden, bis wir daran ersticken? Für jeden Single eine ehemalige Fabrikhalle als Wohnraum und flächendeckend Fertigteilhäuser bis zum Horizont und darüber hinaus? Oder werden die Branchen das große Los ziehen, die altersgerechte Verwahranstalten für Senioren anbieten, oder der öffentliche Nahverkehr für Betagte, denen man wegen Gefährdung des Verkehrs den Führerschein entzogen hat?

In welche Bereiche werden die Investoren, die zur Risikostreuung bei ihrer Vermögensanlage auch etwas an Realwirtschaft interessiert sind, ihr Geld stecken? Selbstverständlich werden sie die Branchen bevorzugen, in denen mehr Reibach zu machen ist. Nun, dies ist immer auch eine Frage der Investitionsbedingungen. Was wird subventioniert, was wird besteuert? Wird es noch mehr Autobahnen und noch höhere Pendlerpauschalen geben, damit die Werktätigen aus ihren Vororten in die Städte zum Arbeiten kommen? Oder wird es Zuschüsse zu Bau und Betriebs von Orten des betreuten Wohnens geben?

Noch sind wir das Land der Autobauer und nichts ist bequemer als auf eingefahrenen Wegen schön einfach Geld zu verdienen. (Das sieht man der derzeit daran, dass die nationale Autoindustrie kurz davor ist, den Umstieg auf Elektroautos zu verpennen. Stichworte: Toyota Yards Hybrid oder Renault ZOE.) Die Zeit wird zeigen, wie es uns gelingt zu einer Gesellschaft umzusteuern, in der sich nicht eine ganze Generation, die zu zahlreich ist, die Zyankalikapsel geben muss, nur weil die wenigen Jüngeren die Produktivitätsfortschritte lieber durchs Auspuffrohr jagen.

Und weil's so schön ist:

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