Propaganda mit Kollateratschadenpotential

Wer betrügt, fliegt! Gedanken zur derzeitigen Stimmungsmache der CSU

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Propaganda mit Kollateratschadenpotential

Foto: Sean Gallup / Getty Images

Über die offenbaren Motive der aktuellen christsozialen Kampagne „Wer betrügt, der fliegt!“ kann man allerorten nachlesen. Die Stichworte „Hilfe für Kommunen“, „bayrische Kommunalwahl im März“ und „Europawahl im Mai“ sollen genügen. Üblicher Weise fahren die Konservativen mit ihren mehr oder weniger reaktionären Parolen im Vorfeld von Wahlen ganz gut. Roland Kochs Unterschriftenaktion „Ja zur Integration - Nein zur doppelten Staatsangehörigkeit“ beispielsweise unterstützte ihn auf seinem Weg zum Posten des hessischen Ministerpräsidenten und verhinderte für die anschließenden 15 Jahre die doppelte Staatsbürgerschaft für Kinder von Nicht-EU-Bürgern. Nun muss die CSU niemandem etwas beweisen, bedient sich aber dennoch des selben proto-chauvinistischen Instrumentariums. - Es wird auch ihr nützen.

Was aber (nach meiner Kenntnis in der öffentlichen Diskussion dazu) bisher unbeachtet blieb, ist, dass wenn die aktuelle CSU-Kampagne ihren unmittelbaren Zweck erfüllt haben wird, dennoch ein nationalistischer Bodensatz übrig bleibt. Ausländerdiskrimierende Einstellungen scheinen erneut salonfähig. Es wird mit Sicherheit verirrte Geister geben, die sich durch die gegenwärtigen Äußerungen der staatstragenden bayrischen Konservativen zu irgendetwas aufgerufen fühlen. Darüber, an was diese Geister brüten, kann man nur mutmaßen.

Falls der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte demnächst die Praxis der Bundesrepublik, nicht arbeitswilligen EU-Migranten pauschal Hartz IV zu verweigern, monieren sollte, wird das manchen strammen Rechten zusätzlich erzürnen. Inwieweit wird die nach einem solchen Urteil von den Konservativen zu führende Diskussion den rechten Rand bedienen? In der Vergangenheit war sich die CSU für derlei ja nicht zu schade.

Zur Illustration, welche Auswirkungen Positionierungen hart an der Grenze der Demokratie haben können, schaue man beispielsweise reichlich zwanzig Jahre zurück. Es obliegt freilich jedem selbst, darüber zu urteilen, ob die Asyldebatte Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre adäquat zu den damals bestehenden Migrationsproblemen war. Auf jeden Fall bereitete die Art und Weise, wie die Debatte damals zum Teil geführt wurde, das ideologische Feld für jene Ereignisse vor, welche folgende Schlagworte in Erinnerung bringen, wenn sie im Zusammenhang genannt werden: Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen, Mölln. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die militantesten Erben aus jener Zeit ihre Blutspur unter dem Namen NSU fast bis in die Gegenwart trieben.

Es wird sich zeigen, ob die Konservativen aus der Geschichte gelernt haben, oder ob sie dieses Land dazu verdammen, diese zu wiederholen. Sogesehen ist es schon ein Ritt auf Messers Schneide, den die CSU sich und damit letztlich diesem Land aktuell zumutet.

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