Seit Alexander Lukaschenko sich Anfang August in einer von der Opposition angefochtenen Wahl zum fünften Mal im Amt des Präsidenten bestätigen ließ, erschüttern Unruhen Weißrussland. Die Proteste bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen Forderungen zum Dialog über „faire Neuwahlen“ und Rufen nach Ablösung Lukaschenkos. Der antwortet mit Repression. Gelingt es ihm noch einmal, die Proteste zu unterdrücken? Oder muss er jetzt gehen?
Seit Jahren vollziehen sich Wahlen in Weißrussland unter Protesten der Opposition, deren Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen, deren Proteste unterdrückt, deren Aktivisten inhaftiert oder gar getötet wurden. Schon lange ist Lukaschenko als „letzter Diktator Europas“ ins öffentliche Bewusstsein eingegangen. Mit der Wahl vom 9. August, als deren Ergebnis Lukaschenko 80,2 Prozent für sich verkünden ließ, ist er, wie es aussieht, einen Schritt zu weit gegangen. Die Manipulation zu seinen Gunsten, bei der der Oppositionskandidatin Tichanowskaja nur 9,9 Prozent zugestanden wurden, war zu offensichtlich.
Schon vor dem Wahltag war absehbar, dass die Opposition, deren Vertreter auch vor diesem Votum wieder massiv behindert, ja, sogar inhaftiert wurden, mit dem Ruf nach Neuwahl auf die Straße gehen würde. Inzwischen folgten Zigtausende diesem Aufruf – Lukaschenko antwortet erneut mit Repression. Der Aufruhr geschehe nach dem bekannten Muster der „Farbrevolutionen“, erklärte er. Er sieht sich von in- und ausländischen Betreibern eines „Regime Changes“ angegriffen. Aus Russland hört man ähnliche Stimmen. Auch im Westen verbreitet sich die Befürchtung, in Belarus werde gerade ein zweiter Maidan inszeniert. Alle „Instrumente“ stünden dafür schon bereit.
Geschwächt durch Corona
Tatsächlich hat manches den Anschein, als könne sich hier das Szenario diverser „Farbrevolutionen“ wie der Rosenrevolution 2003 in Georgien, der Orangenen Revolution 2004 in der Ukraine oder der Tulpenrevolution 2005 in Kirgisistan in einer Art Schlussakt vollenden, durch den Belarus als das letzte der aus dem Bestand der Sowjetunion entlassenen Länder nun in die vom Westen dominierte Globalisierung einbezogen werden könnte. Das Land ist in ökonomischen Schwierigkeiten, es droht den Anschluss an die IT-Revolution zu verlieren, nachdem es eine Zeitlang in deren Sog gut mitschwimmen konnte. Es ist durch die Corona-Pandemie auf eine besondere Weise geschwächt, weil sich Lukaschenko einem Shutdown verschloss und das Land wegen dieser Frage in die Spaltung trieb.
Die Opposition hat sich über ihre Exilfilialen in den umgebenden Nachbarländern, besonders in Litauen, Polen und der Ukraine Stützpunkte geschaffen, von denen aus die Proteste nicht nur ermuntert, sondern zum Teil auch gesteuert und in Kooperation mit den jeweiligen Regierungen zudem finanziell unterstützt werden.
In irrsinniger Konsequenz heizt Lukaschenko die innere Konfrontation derzeit noch dadurch an, dass er seine OMON-Truppen nicht nur brutal gegen seine Gegner vorgehen, sondern deren aktivste Vertreter illegal ins umgebende Ausland abschieben lässt. Dass diese Politik die Dialogangebote des von der Opposition gebildeten Koordinierungsrates nicht nur verwirft, sondern mit Repression beantwortet, die Proteste nicht beruhigt, ist unübersehbar. Lukaschenkos Kurs ist geeignet, den Widerstand zu radikalisieren und tendenziell in eine militante Illegalität zu drängen. Auch wird die Intervention anderer Mächte dadurch geradezu herausfordert.
Dennoch: Hier muss vor schematischen Erwartungen einer bloßen Wiederholung bekannter Abläufe gewarnt werden. Kommen wir gleich zum entscheidenden Punkt: Über einen Zeitraum von 26 Jahren konnte Lukaschenko dem Druck der Privatisierung widerstehen, der vom Zusammenbruch der Sowjetunion ausging, nachdem er als leitender Kolchosnik 1994 Stanislaw Schuschkewitsch als ersten Präsidenten des soeben entstandenen weißrussischen Staates mit einem Programm ablöste, das versprach, die aus der Sowjetzeit überkommene staatskollektivistische Ordnung zu bewahren. Unter Lukaschenko ging Weißrussland einen anderen Weg als der große Nachbar Russland, das von Boris Jelzin mit der von ihm durchgeführten „Schocktherapie“ nach der Auflösung der Union 1991 in ein soziales Chaos gestürzt wurde und erst mit der Amtsübernahme Wladimir Putins Anfang 2000 Schritt für Schritt wieder stabilisiert wurde. Im Unterschied zur Russischen Föderation entstand in Belarus keine Herrschaft der Oligarchen, die das Volksvermögen an sich brachten. Es gab keinen Abriss der aus der Sowjetunion überkommenen sozialen Strukturen. Die Arbeitskollektive auf dem Land arbeiteten weiter wie zuvor. Die Unternehmen blieben in staatlicher Hand. Die soziale Ordnung der Sowjetzeit blieb im Wesentlichen erhalten und die Versorgungslage der Bevölkerung stabil. Die Menschen waren vor Entlassungen geschützt. Eine politische Opposition, die Lukaschenkos Kurs nachhaltig hätte stören können, hat sich unter diesen Bedingungen nicht entwickelt. Die 1991 neu gegründete Kommunistische Partei ist nach Abspaltung einer „Vereinigten Linken“, die sich der Opposition zuwandte, seit 1996 staatsorientiert. Das gilt ebenso – mit Abstufungen – für die übrigen im Parlament vertretenen Parteien. Nicht einmal der KGB wurde umbenannt. So konnte sich Lukaschenko als „Väterchen“ über die ersten Amtszeiten von der Sympathie und relativen Zufriedenheit der Bevölkerung tragen lassen, die sich vor Chaos wie im benachbarten Russland bewahrt sah.
Die enge Bindung an Moskau, manifestiert durch die 1999 geschlossene bilaterale Union und gefestigt durch den Vertrag für kollektive Sicherheit (OVKS), stützte diesen Kurs trotz der unterschiedlichen sozialen Ausrichtung beider Länder. Die Beziehungen zwischen den Vertragspartnern waren, auch wenn es immer Unstimmigkeiten gab, in diesem Rahmen von gegenseitigem Nutzen – ökonomisch und sicherheitspolitisch. Die Regierung in Minsk bezog subventioniertes Öl und Erdgas aus Russland und setzte seine Waren dort ab. Russland sicherte sich Weißrussland als Sicherheitskordon zum Schutz seiner Westgrenzen im Rahmen des OVKS. Da gab es, anders als in der Ukraine, kein Einfallstor für die NATO.
Wenn in den vergangenen Jahren in Belarus ein Modernisierungsstau eingesetzt hat, wenn von Stagnation und sinkenden Einkommen die Rede ist, wenn Lukaschenko sich in seiner vierten Amtszeit zu dem irrsinnigen Gesetz hinreißen ließ, „Arbeitsbummelei“ mit einer Strafsteuer belegen zu wollen, die er nach Protesten wieder abschaffen musste, wenn Russland die belarussische Ökonomie nicht länger durch Vorzugspreise für Brennstoffe subventionieren will, sondern auf Geschäfte zu Marktpreisen dringt, so sind damit im Unterschied zu den ersten Jahren der Präsidentschaft Lukaschenkos Bedingungen entstanden, die ihn hart in Bedrängnis gebracht haben. Der Spielraum, der es ihm erlaubt hat, eine Minderheitsopposition von der Macht fernzuhalten, ist sehr klein geworden.
Die EU hat anderes zu tun
Aber es gibt keine Spaltung der Gesellschaft in eine west- und eine östliche Orientierung, wie sie dem Kiewer Maidan zugrunde lag. Belarus ist heute ein mehrheitlich russischsprachiges Land, das in seiner Kultur und Geschichte untrennbar mit Russland verbunden ist – nicht zuletzt durch den Zweiten Weltkrieg, in dem gerade Weißrussland die ersten Stöße der faschistischen Wehrmacht auffangen musste. Es gibt überdies keine nationalistische Bewegung, die jener in der Ukraine vergleichbar wäre. Stattdessen bestehen besondere Beziehungen nach Polen, in die baltischen Länder und die Ukraine, die sich aus der Geschichte herleiten. Das heutige belarussische Gebiet gehörte zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert zum Bestand des Polnisch-Litauischen Großreiches. Zwar tauchte am ersten Tag der Proteste auf der Website von Swetlana Tichanowskaja ein Programm auf, das sich erkennbar an Vorbildern der ukrainischen Nationalisten von 2014 orientierte – Schließung der Grenzen nach Russland, Schließung russischer Medienträger, dafür Installation baltischer Programme innerhalb staatlicher Medien, Einführung der belarussischen Sprache als Verkehrssprache und anderes mehr. Diese Agenda verschwand aber schnell wieder aus dem Netz. Stattdessen betonen die Mitglieder des oppositionellen Koordinierungsrates, einschließlich Tichanowskajas, bei jedem Auftritt, dass sie keine anti-russischen Ziele verfolgen, sondern freundschaftliche Beziehungen mit Russland halten wollen.
Lukaschenko ist zudem, anders als seinerzeit die wechselnden Präsidenten in der Ukraine, nicht einer von vielen Oligarchen, die in beständigem Machtkampf die Pluralität – besser gesagt: das Chaos – des Landes repräsentiert haben. Er war, um es noch einmal zu betonen, der Garant dafür, dass in Belarus im Unterschied zum gesamten Nachfolgegebiet der Sowjetunion bisher keine Oligarchisierung des Volksvermögens stattfinden konnte. Ihn gewaltsam zu stürzen, würde bedeuten, das Tor für eine unkontrollierbare nachholende Privatisierung zu öffnen. Was das heißt, ist in Erinnerung an die Zustände der russischen Privatisierung nach 1991 auch denen bewusst, die heute gegen Lukaschenko protestieren. Es hieße Anarchie und Zerfall der zurzeit bestehenden sozialen Ordnung, die bei allen Einschränkungen immer noch eine relative Stabilität erhält. Gefährdet wäre nicht zuletzt auch der politische Puffer zwischen der EU und Russland.
Ein solches Chaos, noch klarer formuliert: die Auflösung des Puffers zwischen Russland und der Europäischen Union kann nicht im Interesse dieser Mächte liegen, weder im russischen noch in dem der EU. In Russlands Interesse liegt eher die engere ökonomische Anbindung – aber keineswegs das Verlangen, ein Land im Aufruhr auffangen zu müssen. Und die EU hat unter dem Druck der Corona-Krise alles andere zu tun, als sich eine weitere, bisher aus guten Gründen nicht betriebene Osterweiterung einzuhandeln. Dahin wird sich das in der EU vereinte Europa auch durch polnische, litauische und ukrainische Wünsche nach Strafmaßnahmen gegen Lukaschenko nicht treiben lassen wollen. Zu mehr als Sanktionen wird es beim gegenwärtigen Stand des Konfliktes nicht kommen.
Unter all diesen Umständen sind die Proteste, die sich trotz Repression des belarussischen Staatsapparates zwischenzeitlich auf weite Teile des Landes ausgebreitet haben, im Kern nicht auf einen Systemwechsel, auch nicht auf eine Abkehr von Russland und Hinwendung zum Westen gerichtet. Es geht vielmehr um die friedliche Ablösung des autoritären Dauerherrschers durch eine nachrückende Generation. Das ist ein natürlicher Prozess – er könnte es jedenfalls sein. Ob „Väterchen“ Lukaschenko das versteht oder ob er sich weiter, möglicherweise sogar in noch heftigerem Maße mit Gewalt dagegen sträubt, beiseite zu treten, ist gegenwärtig die entscheidende Frage.
Kommentare 18
da erklärt herr ehlers den außenstehenden, daß es in belarus nicht so arg
schlimm zuging wie anderswo,
und gibt der opposition und dem patriarchen tipps, wie der konflikt
glimpflich abgehen könnte.
es ist eher davon auszugehen, daß das regime die wirtschaftliche
stagnation, das hinterher-hinken hinter den entwicklungen
z.b. der baltischen staaten der öffentlichkeit bisher schlecht und un-recht
verbergen konnte, die kredit-verbindlichkeiten verschleierte.
die prügeleien/exzesse der lukaschenko-sicherheits-dienste
verdecken bisher die glasnost-notwendigkeiten, die für
zukünftige entwicklungen dringend anstehen.
oda?
"so übersetzt der anfänger, der eine neue sprache erlernt hat,
sie immer zurück in seine muttersprache, aber den geist der neuen sprache
hat er sich nur angeeignet, und frei in ihr zu produzieren vermag er nur,
sobald er sich ohne rückerinnerung in ihr bewegt
und die ihm angestammte sprache in ihr vergißt."
(karl marx, der 18. brumaire..)
Also die USA hat Interesse an der Destabilisierung Weissrusslands. Und nur die USA? Sieht aber nicht so aus, dass sich die deutsche Bundesregierung mit angeschlossener Medienlandschaft aus den inneren Angelegenheiten Weissrusslans heraushält. Es gibt einen bekannten Schulterschluss. Irritationen müssen ausgeräumt werden. Gas aus Russland und gleichzeitig Frackinggas aus den USA. Geht doch. Seid doch wieder lieb. Wir haben auch noch Staubzucker.
Naja - wenn die Bürger ihren "gewählten" Vertretern nicht mehr vertrauen und es absolut offensichtlich ist, die verkündeten 80% sind das Produkt eines Wahlbetruges, scheinen manche sich wohl Gedanken machen zu müssen, ob die Demonstranten nationalistisch sind oder nicht. Der Artikel besteht zumeist aus Platitüden und Halbwahrheiten. Sowohl über die Ukraine, als auch über Belarus. Es wird stattdessen der Eindruck erweckt, wer in Osteuropa demonstriert oder seinen Staat gestalten will, hat die Pflicht, im Kreml die Erlaubnis einzuholen. Mich würde interessieren, warum man den Menschen in Osteuropa nicht zugesteht, selbst über das Schicksal ihres Landes entscheiden zu dürfen. Eine Antwort fand ich dazu im Artikel nicht.
Es ist schon spannend, wer da welche steile Theorie aufstellt, warum die Menschen in Belarus auf die Straße gehen. Lavrov präsentierte lustige Dinge, wurde aber in puncto Realsatire noch von Lukashenko übertroffen, der eine wunderbare Räuberpistole von Mike und Nika aus Warschau und Berlin zu erzählen hatte. Ich fand keinen Kommentar der sich mehr darüber lustig gemacht hat als der der russischen Novaja Gazeta: "Lukaschenka scheiterte beim Casting für die Rolle des nützlichen Idioten". In diesem Sinne - so long: Es wäre mal an der Zeit, Menschen in Osteuropa als das zu sehen, was sie sind: Selbständig denkende Menschen, die keine geostrategischen Gedanken haben, wenn mal wieder der Knüppel auf sie niedergeht. Einfach mal direkt informieren wäre hilfreich, um Irrtümer zu vermeiden.
Manche Wölfinnen sind in der Lage, Kreide zu fressen. Hier ein Auszug aus einem Interview des Senders RTVI television, Moscow, 17. September 2020, mit dem russischen Außenminister Lavrov:
"Question: Commenting on the upcoming meeting of the presidents of Russia and Belarus in Sochi, Tikhanovskaya said: “Whatever they agree on, these agreements will be illegitimate, because the new state and the new leader will revise them.” How can one work under such circumstances?
Sergey Lavrov: She was also saying something like that when Prime Minister Mikhail Mishustin went to Belarus to meet with President Lukashenko and Prime Minister Golovchenko. She was saying it then. Back then, the opposition was concerned about any more or less close ties between our countries. This is despite the fact that early on during the crisis they claimed that they in no way engaged in anti-Russia activities and wanted to be friends with the Russian people. However, everyone could have seen the policy paper posted on Tikhanovskaya’s website during the few hours it was there. The opposition leaders removed it after realising they had made a mistake sharing their goals and objectives with the public. These goals and objectives included withdrawal from the CSTO, the EAEU and other integration associations that include Russia, and drifting towards the EU and NATO, as well as the consistent banning of the Russian language and the Belarusianisation of all aspects of life.
We are not against the Belarusian language, but when they take a cue from Ukraine, and when the state language is used to ban a language spoken by the overwhelming majority of the population, this already constitutes a hostile act and, in the case of Ukraine, an act that violates its constitution. If a similar proposal is introduced into the Belarusian legal field, it will violate the Constitution of Belarus, not to mention numerous conventions on the rights of ethnic and language minorities, and much more.
I would like those who are rabidly turning the Belarusian opposition against Russia to realise their share of responsibility, and the opposition themselves, including Svetlana Tikhanovskaya and others – to find the courage to resist such rude and blatant manipulation."
++ Es wäre mal an der Zeit, Menschen in Osteuropa als das zu sehen, was sie sind: Selbständig denkende Menschen, die keine geostrategischen Gedanken haben, wenn mal wieder der Knüppel auf sie niedergeht. Einfach mal direkt informieren wäre hilfreich, um Irrtümer zu vermeiden.++
Denke ich auch immer, wenn ich die geostrategischen Ergüsse lese. Den meisten Beobachtern sind die Menschen vor Ort völlig wurscht.
Es ist beachtlich, wenn der russische Außenminister die Verfassung von Belarus interpretiert und meint, in fremden Staaten etwas über die dort gesprochene Sprache sagen zu müssen. Gut - da gabs kürzlich eine Verfassungsänderung in Russland, in der man auch meinte, die Verfassung derart zu ändern, dass man sich selbst auch das Recht einräumt, über Belange der Nachbarstaaten bestimmen zu dürfen.
Selbst Sie interpretieren die dortigen Verhältnisse, also Vorsicht beim Steinewerfen im Glashaus. Wenn Sie ansonsten nichts zur Sache (kleiner Tipp: Es ging um die plötzlichen Änderungen der Ziele der "Oppositionsführerin") zu sagen haben, sehe ich unseren kurzen Dialog als beendet an.
Ich bin kein Außenminister. Denken Sie nicht, der Außenminister eines Landes sollte anders agieren als eine Privatperson oder ein Journalist? Da werfe ich doch gerne für Sie mit Steinen im Glashaus. Noch ein kleiner Rat: Wenn es um die Oppositionsführerin geht, was mir nicht verborgen blieb, so frage ich Sie mal, woher Lukashenko denn die Legitimation nimmt? Auf der Basis einer massiv gefälschten Wahl?
Ich sehe keine großen Unterschiede beim russischen und deutschen Außenminister beim Grad der durchschnittlichen Einmischung in Angelegenheiten osteuropäischer Staaten. Alle spielen das geopolitische Spiel - der eine geschickter, der andere eher bemüht. Das war beim Maidan nicht anders als jetzt. Man sollte aber diese geopolitische Interessen zwischen den Staaten sehen und nicht so tun, als spiele irgendwo "gut gegen böse". Sonst könnte man bei seiner eigenen Beurteilung einseitig werden.
Als Demokrat sollte man bei der eigenen Einschätzung natürlich die Interessen des jeweiligen Volkes berücksichtigen und bei Belarus glaube ich, das Volk will mehrheitlich Lukaschenko nicht mehr und eine Einmischung von außen wollte es noch nie. Aber für die internationale Politik gilt "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten." (Egon Bahr)
>>Man sollte aber diese geopolitische Interessen zwischen den Staaten sehen und nicht so tun, als spiele irgendwo "gut gegen böse".<<
Zumal man ja die Guten / Bösen geografisch gar nicht lokalisieren kann: Wo immer man sich befindet, man ist stets bei den Guten und Anderen sind die Bösen ;-)
für viele "linke" hier in der fc sind aufstände, befreiungs-versuche der bevölkerung
von despotischen regimen:
vom ausland gesteuert, friedens-gefährdend,
unvernünftig angesichts der macht-verhältnisse,
dem echten interesse der widerständler zuwiderlaufend.
"die interessen des jeweiligen volkes berücksichtigen"?:
nur eine pose.
denn "die wahren interessen" der jeweiligen bevölkerung,
zu abstraktionen verdünnt, sind niemandem so bekannt
wie den revolutions-siegel-bewahrern der fc!
s.o. und mit dem egon-bahr-zitat, repetiert aber unreflektiert,
lösen sich forderungen nach demokratie und menschenrechten
in der säure der real-politischen "vernunft" auf.
"Ich bin kein Außenminister. Denken Sie nicht, der Außenminister eines Landes sollte anders agieren als eine Privatperson oder ein Journalist?"
Sie lenken immer wieder nur vom Thema ab. Die EU hatte die Möglichkeit, im Rahmen der OSZE Wahlbeobachter zu entsenden. Sie hat es trotz Einladung nicht getan, weil sie nicht "rechtzeitig" kam. Wie ein trotziges Kind lamentiert man hinterher und stellt aus der Ferne fest, dass eigentlich die "Guten" gewonnen haben, aber betrogen worden sind. Den Vogel schießt allerdings Litauen ab, welches die Kandidatin Tichanovskaja von außen offiziell zur Präsidentin erklärt. Wenn das keine Einmischung in die inneren Angelegenheit eines souveränen Staates durch ein EU-Mitglied ist, was ist es dann? Dass Sie die Äußerung von Lavrov als eine solche benennen und gleichzeitig zu diesem Fakt schweigen, wirft dann doch ein mehr als bezeichnendes Licht auf Sie als "Privatperson".
Jetzt gehe ich aber auf den Malzewskimarkt, wo man angeblich einem Blinden einen gestickten Schal geschenkt hat.
Ich löse keine Forderungen auf. Sie existieren oder sie existieren nicht. Und ich zerstöre sie nicht, nur weil ich die real existenten Interessen des betreffenden Staates anerkenne. Und ich habe den Gesamtzusammenhang, in dem Egon Bahr das gesagt hat, durchaus gelesen.
die äußerung egon bahrs ist kritisch
als gegen die staats-politiken gewendet zu verstehen.
nicht als diese affirmierend.
Ach. Das die Menschen in Belarus seit dem 9. August auf der Straße demonstrieren, weil wirklich jeder weiß, die Wahl war gefälscht, zählt dann wohl nicht? Der mit 80% "gewählte" Präsident ließ sich dann auch ohne Kamera und ohne Vorankündigung in sein Amt einführen. Wieso glaubt er, das tun zu müssen, wenn soo viele ihn unterstützen? Aber gut. Was mühe ich mich ab. Sie interpretieren ja in Personen, die andere Ansichten als Sie haben, diese seien keine Privatpersonen. Wenn die eigene Vorstellungswelt über den Gesprächspartner zu übermächtuig wird, wird ein Austausch von Argumenten überflüssig.