Hochschulen stärken - Bildungsniveau erhöhen

Bildungspolitik Die neue Bundesbildungsministerin Johanna Wanka steht für ein konservatives Weltbild. Eine progressive Hochschulpolitik ist von dieser Seite kaum zu erwarten.

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Immer wieder wird von Wissenschaftlern und progressiven Bildungspolitikern kritisiert, dass die Akademikerquote in Deutschland relativ gering sei. So hatten im Jahr 2010 lediglich 26% aller 25- bis 34-Jährigen einen Hochschulabschluss. Im Durchschnitt der OECD-Staaten lag diese Quote bei 38%. Von Seiten des Bundesbildungsministeriums wird im Einklang mit der Wirtschaft immer wieder angeführt, dass die Zahlen nicht vergleichbar seien. Schließlich habe Deutschland als einziges Land die duale Ausbildung als Mischung aus Berufsschule und betrieblicher Tätigkeit. Um diese praxisnahe Ausbildung würden uns viele andere Staaten beneiden, ja dieses System sei sogar der Grund für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik.

Tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen in Frankreich oder Spanien deutlich höher als hierzulande. Ein Grund mag auch die hiesige Ausbildung in den Unternehmen sein. Doch hat die klassische „Lehre“ langfristig betrachtet einen zentralen Nachteil: In der betrieblichen Ausbildung werden die Jugendlichen zumeist zu unkritischen Arbeitnehmern erzogen, die den Weisungen der Arbeitgeber folgen. Eigenständiges Denken und eine gesellschaftskritische Allgemeinbildung werden eher nicht vermittelt. Fortschritt in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wird somit nicht in ausreichender Weise gefördert.

Ein Geist gesellschaftlicher Erneuerung kann sich nur in einer Atmosphäre freien Lernens entfalten. Hierzu sind die Hochschulen der richtige Ort. Doch dazu dürfen die Universitäten nicht verschult daherkommen, wie es derzeit häufig der Fall ist. Der Bologna-Prozess hat mit den neuen Abschlüssen des Bachelor und Master die Freiheit wissenschaftlichen Denkens beschnitten und viele Studiengänge zu sehr auf die Bedürfnisse des späteren Berufes ausgerichtet. Hier sind Korrekturen nötig, die den Studierenden mehr Eigenständigkeit und mehr Möglichkeiten zu einem „Studium generale“ einräumen.

Gleichzeitig ist die Zahl der Akademiker in Deutschland deutlich zu erhöhen. Hierzu müssen die Studienbedingungen verbessert und der Hochschulzugang von Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten gefördert werden. Am Ende sollte wir eine Akademikerquote von mindestens 50% erreichen.

Die duale Ausbildung hingegen sollte deutlich zurückgeführt werden. Nur noch im Handwerk sehe ich eine Berechtigung für eine Lehre in den Betrieben. Die Mehrzahl der Jugendlichen jedoch sollte mindestens eine Fachhochschule besucht oder einen Bachelor-Abschluss erlangt haben. Denn zum einen wird die Berufswelt - vor allem aufgrund neuer Informationstechnologien - immer anspruchsvoller und komplexer. Zum anderen benötigen wir kritische und humanistisch gebildete Staatsbürger, um die Zukunft menschenwürdiger zu gestalten.

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