Die Rolle der Religion im Terror

Terrorismus Charlie Hebdo und Co.: Der religiöse Terrorismus scheint zu blühen. Doch welche Rolle nehmen generell Religionen in solchen terroristischen Akten ein?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://media1.faz.net/ppmedia/aktuell/rhein-main/305611046/1.3360389/article_multimedia_overview/trauer-unter-der-losung-je-suis-charlie-versammelten-sich-am-abend-rund-500-menschen-an-der-frankfurter-hauptwache.jpg

Der Terrorismus blüht, Europa sieht sich mittlerweile direkt mit dem zuvor vor allem aus der Distanz bekanntem Problem von terroristischen Islamisten konfrontiert. Die hier so selbstverständlich erscheinende Presse- und Meinungsfreiheit ist plötzlich ein verletzliches, aber umso wertvolleres Gut.


Aber um die gesellschaftlichen Folgen und die terroristischen Taten, die sich in den letzten Tagen ereignet haben, soll es hier nicht oder nur am Rande gehen. Vielmehr interessierte mich die Frage: Welche Rolle spielt der Islam als Religion wirklich bei solchen Terroraktionen?


Um das herauszufinden, sollte man einen Blick auf die Umstände und die Herkunft der Täter werfen: Die Brüder, die das Attentat auf Charlie Hebdo verübten, haben eine algerische Wurzel, nach dem frühen Tod ihrer Eltern wurden sie nach einer Zeit im Heim einer Pflegefamilie zugewiesen. Nicht unwahrscheinlich ist, dass sie einen großen Teil ihrer Kindheit und Jugend in den sogenannten Banlieues an den Rändern von Frankreichs Großstädten, in diesem konkreten Fall eben Paris, verbracht haben. Die Banlieues sind infolge der umfangreichen Zuwanderung aus nordafrikanischen Ländern in den 1970er Jahren entstanden, dort siedelten sich eben vornehmlich bis ausschließlich Ausländer an, für die keine Notwendigkeit bestand, in das französische und damit westliche Leben integriert zu werden. Sie waren und sind eben unter sich. Von nicht wenigen Franzosen werden Menschen in solchen Banlieues verachtet, rassistisch beschimpft und benachteiligt. Wer dort aufwächst, hat nur bescheidene Zukunftsperspektiven und gerät schnell in eine Frustlage.


Auch bei Amedy Coulibaly, dem Geiselnehmer im koscheren Supermarkt, besteht der Verdacht auf das Aufwachsen in einem solchem Banlieue.


Islamische Terrororganisationen im Stile des IS oder Al Qaida kommen in solchen Situationen wie gerufen: Menschen ohne Perspektiven werden feste Strukturen, ein organisiertes Leben suggeriert, ihnen wird eine Verbesserung in allen Hinsichten versprochen. Ein solches Angebot ist in einer sozial schwachen Lage einfach anzunehmen und wird geradezu mit offenen Armen empfangen; die zu Gewalt aufrufenden Passagen im Koran, die man, wenn man sie denn finden will, auch finden wird (ähnlich ist es jedoch auch bei der Bibel), dienen da nur als schlechte Legimitation, ja Argumentation für die Taten. Sie sind die Rechtfertigung, denen man, ist man erst einmal in islamistische Strukturen eingebunden, irgendwann blind vertraut.


Religionen sind in Autoritäten organisiert, und solchen Autoritäten zu folgen, kann bei einem chaotischem und unstrukturiertem Leben ohne Perspektiven einfach und erfüllend sein. In einer normalen Religionsauffassung findet glücklicherweise kein blindes Vertrauen und Umsetzen in und von sämtlichen Glaubensschriften statt, wie es bei Islamisten der Fall ist. Religionen sind eben der berüchtigte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, sprich der Menschen mit labiler Psyche und sozial schwachem Umfeld in die falsche Richtung treiben kann, aber nicht muss. Nicht nur der Islam, auch viele andere Weltreligionen haben das Potenzial, einem solchen gebrochenen Menschen durch Extremismus eine Lebensstruktur zu geben.


Die Lösung: Keine Religionen? Nein. Vielmehr muss bei sozialen Problemen, die solche Menschen erst einmal in den anfälligen Zustand versetzt, angesetzt werden: Rassismus, Armut, Kriminalität, all das treibt nach und nach zum Fanatismus. Natürlich kann eine religiöse Ideologie auch bei Menschen mit solidem sozialem Umfeld entstehen, unter den genannten Umständen wie Armut usw. ist die Wahrscheinlichkeit aber weitaus höher. Der Grundstein von religiösem Fundamentalismus ist nicht selten nicht die Religion selber, sondern die soziale Herkunft der Fanatiker, die Vorgeschichte sozusagen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kaisan

Freund von Musik (vornehmlich alle Arten von Rock, Punk, Jazz, Blues und Reggae), Gitarrist, gute Literatur, Schreiben jeglicher Art.

Kaisan

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden