Adolf Endler – in den 50ern als Kommunist aus Düsseldorf in die DDR geflüchtet, erst sozialistischer Realist, dann surrealer Lyriker, 1979 wg. Unbotmäßigkeit von Staatsmacht und Schriftstellerverband verstoßen, schlägt sich mit Wohnungslesungen durch, in der Berliner Republik hoch geehrt - starb im August vor sieben Jahren, fast 79 Jahre alt.
Mit seinem Image als mutiger literarischer Dissident ging er in den letzten Jahren selbstironisch, wenn auch nicht ganz ohne Eitelkeit um:
Widerstand, Subversion, Dissidenz Heute
Zwölf Antworten auf zehn Fragen
1
Die empörte Wade, gezückt bis an die Bewußtseinsschwelle.
2
Ganz schön verzettelt, unser hiesiges All!
3
Auch der diffuseste Greis hat mindestens noch zwei bis drei Pantoffeln auf der hohen Kante.
4
Auf zur Spinnrad-Rallye, knusperfrisch knarrend!
5
Und wenn man mir den Mund zuhalten will, dann sprießt es doppelfingrig aus meinen Ohren, jaja!
6
Dem öffentlichen Unterbewußtsein Paroli geboten!
7
Neulich war'n wir in Ulm, was diese Notizen wohl schwerlich legitimiert.
8
"Tanze, tanze, verwackelte Wanze!
Tanze, tanze, mein schlampertes Kind!"
9
Kommt Zeit, kommt Äquivalent.
10
Oh, diese prachtvolle Zankapfelernte heuer!, der Wachtelhund leicht angeschrägt!
11
"Unbehaglich der Gedanke, jemand könnte hier radieren."
(Aus einer Werbung für "Schneider-Minen".)
12
Kommt Zeit, kommt Packeis.
Kein Wunder, dass ihm ein anderer großer Lyriker ( heute auch tot) huldigte:
Ein kleiner Ländler
für Endler:
Wir blieben ein Leben lang
Pendler.
Hier das Feinste – dort das Gemeinste:
Insofern immer der Deinste
Peter Rühmkorf
Kommentare 9
von 1978 bis 1990 war Hermann Kant Präsident des DDR-Schriftstellerverbands, somit also auch Endler eines dessen nicht wenigen Opfer.
Schön, dass hier wenigsten einer auch an diese erinnert.
dFC scheint sich ja lieber mit den Tätern zu befassen.
Lieber Koslowski,
Adolf Endlers "Tarzan am Prenzlauer Berg" habe ich vor Jahren gelesen. Ich wohnte ja im Prenzlauer Berg, direkt an der Schönhauser.
Verrücktes Leben: Aus dem Westen in den Osten. Im Westen angeklagt, weil er für die Weltfestspiele im Osten geworben hatte. Im Osten erstmal begeistert - angeblich hat der sogar die Mauer begrüßt (lt. der Spiegel), dann schnell mit den Konformitäten und himmelschreienden Blödheiten in der DDR für ihn keinen Kompromiss geben kann. Seit Ende 1979 - durch den Rausschmiss - keine Möglichkeiten mehr des öffentlichen Publizierens.
Ein Beispiel für Unangepasstheit - hüben wie drüben - wie es das selten gibt.
Bewundernswert und für wen ein Beispiel bitte? Für Menschen in einstmals Ost oder auch für Menschen in jetzt Gesamtdeutschland? Es ist schön, wenn man sich unter heutigen Bedingungen die Helden aussuchen kann. Es kostet überhaupt nichts. Es ist so angenehm, sich als gerechter, ausgleichender Richter zu fühlen. Es tut so gut und ist auch pädagogisch richtig.
Allerdings: Nur, wer sich mal dreckig gemacht hat, weiß wie das ist, würde der Endler vielleicht sagen.
Übrigens: Wenn ich mir einen Helden suchen sollte, würde ich viel lieber den Wolfgang Hilbig nehmen.
Übrigens der Peter Rühmkorf hat gutbesuchte Tourneen durch die DDR gemacht.
https://www.freitag.de/autoren/magda/lesefruchte-peter-ruhmkorf-1929-2008
Hier steht auch einiges über das Befremden, das Rühmkorf über die damalige Erbitterung der DDR-Bürger beschlich. Es ist halt alles so einfach, wenn man immer die Perspektiven und Seiten wechseln kann.
Wolfgang Hilbig scheint tatsächlich ein liebenswerter Mensch gewesen zu sein, der leider viel zu früh verstarb.
Vor allem sollten Sie das Interview mal lesen, Sie ahnungsloser Mensch.
für wen ein Beispiel bitte? - Ein Beispiel dafür, dass es auch anders ging und geht, und eine Mahnung für uns Opportunisten, dass wir es uns mit der Rechtfertigung unseres Verhaltens nicht so leicht machen sollten.
Ihre Hochachtung für Hilbig teile ich. Über eine Lesung mit ihm habe ich hier vor Jahren einmal geschrieben: https://www.freitag.de/autoren/koslowski/letzte-verse
"Es geht auch anders, aber so geht es auch."
Haha. Nein, es ging nicht immer anders. Jedes Leben ist anders. Und vor allem ist die DDR kein Mörderstaat.
Deshalb konnte man in diesem merkwürdigen Lande mal so und mal auch anders sein.
Vorsicht bitte: Natürlich soll der Freitag an Kant erinnern, immerhin war er eine politische Figur der Zeitgeschichte, meinetwegen auch mit Empathie; aber ein wenig auch an einen widerspenstigen, selbstironischen surrealen Dichter, der seine eigene Bedeutung so kommentierte:
Reklame für Adolf Endler
Ein fadenscheiniges Protestvergißmeinnicht; fiepend;
und mit grinsend verblühender Pfote -
Die Besondere Note.
das verlinkte Interview habe ich gelesen, bevor ich es postete, Sie Ahnungslose.