Einige Tage im Juli

Vor Nizza Impressionen einer Reise in den Nordwesten Frankreichs

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Die Strände um Erquy waren breit und die Wellen des Ärmelkanals glitzerten in der Nachmittagssonne. Für die Lesestunden in den Dünen und auf der Terrasse des Ferienhauses hatten wir die richtigen Bücher eingepackt. Moules marinieres und Muscadet schmeckten und die Bleus wären fast Europameister geworden. Schließlich hatten wir sogar das Grab eines entfernten Verwandten auf dem deutschen Soldatenfriedhof in der Normandie gefunden, der vor fast 72 Jahren, wenige Wochen vor meiner Geburt, in der Region von Bayeux, 19 Jahre alt, gefallen war.

All das wird mir in Erinnerung bleiben.

Berührt aber haben mich die Begegnungen mit Madame L., der Mutter des Freundes R. aus Saint-Brieuc, und einem älteren Herrn, der mich vor dem Maison de la Chouannerie et de la Revolution in Moncontour um eine Zigarette bat.

Der Alte, der sich freute, nach so langer Zeit eine Filterlose rauchen zu können, erklärte mir, dass Moncontour schon immer ein linkes Dorf gewesen sei - in der Revolution eine Bastion der Republikaner, in der Zeit der Okkupation ein Zentrum der Résistance und heute eine Gemeinde mit den schlechtesten Wahlergebnissen für den Front National. Er selbst werde morgen den Nationalfeiertag feiern und im nächsten Jahr voraussichtlich Le Pen wählen - bevor sich etwas bessere, müsse alles noch schlechter werden.

Madam L. ist 95 Jahre alt, Ur-Urgroßmutter, rüstig und lebt in der Familie ihres jüngsten Sohnes. Sie bedauert sehr, dass ihr ältester Sohn schwul ist und seit 45 Jahren in Deutschland lebt. Immerhin gut, dass er dort einen netten Mann geheiratet habe. Wir schauten gemeinsam die Übertragung der 13. Etappe der Tour de France, fast schweigend. Einmal erkundigte sie sich nach Rudi Altig, ob wir wüssten, was aus dem geworden sei, damals ein großer Sieger und ein attraktiver Mann. Ein strafender Blick, als wir zugeben mussten, vom Schicksal Rudi Altigs nichts zu wissen. Beim Abschied ein fester Händedruck.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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