“He said it doesn't look good “

Raymond Carver Literatur und Leben

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Heute Morgen unter der Dusche fielen mir Verse aus einem Lied von Leonard Cohen ein:

“I remember you well in the Chelsea Hotel / you were famous, your heart was a legend./ You told me again you preferred handsome men / but for me you would make an exception.”

Vielleicht wollte mein Unterbewusstsein mich mit den Versen trösten. In der Nacht hatte ich lange wach gelegen, denn Erinnerungen an K. plagten mich und meine Kniegelenke schmerzten.

Später der morgendliche Blick in den Spiegel: ein graues Gesicht, Tränensäcke unter kleinen Augen und der Rücken gebeugt. Kein strahlender Held, immerhin aber lebendig.

Und ich war besser dran als K., der nach seiner Operation zur Zeit in der Chemo ist. Der hatte mich einst mit den Texten von Raymond Carver bekannt gemacht, und von diesem Autor war mir ein Gedicht in Erinnerung geblieben, in dem der Sprecher den Moment beschreibt, als der Arzt ihm die Diagnose mitteilt:

What The Doctor Said

He said it doesn't look good
he said it looks bad in fact real bad
he said I counted thirty-two of them on one lung before
I quit counting them
I said I'm glad I wouldn't want to know
about any more being there than that
he said are you a religious man do you kneel down
in forest groves and let yourself ask for help
when you come to a waterfall
mist blowing against your face and arms
do you stop and ask for understanding at those moments
I said not yet but I intend to start today
he said I'm real sorry he said
I wish I had some other kind of news to give you
I said Amen and he said something else
I didn't catch and not knowing what else to do
and not wanting him to have to repeat it
and me to have to fully digest it
I just looked at him
for a minute and he looked back it was then
I jumped up and shook hands with this man who'd just given me
something no one else on earth had ever given me
I may have even thanked him habit being so strong

Wir stellten uns vor, ähnlich gefasst zu sein, wenn es so weit wäre, und wünschten uns, aus unserer Angst schöne sarkastische Verse oder mindestens ein cooles Blog machen zu können. Ach K., Literatur und Leben!

Ich verließ die Dusche, zog mich an, frühstückte mit B., und nachdem sie das Haus verlassen hatte, legte ich die alte Platte von Leonard Cohen auf: „New Skin For The Old Ceremony“.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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