Im Dickicht städtischer Ämter

Wartezeiten Wer weiß was über S. aus Dhaka in Bangladesch?

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Neues Rathaus, 08:00 morgens.

Vor der Ausgabe der Terminmarken für das Ausländeramt warten etwa 200 Menschen, sie bilden eine lange, gewundene Schlange quer durch den Eingangsbereich. Ich bin hier, um S. aus Bangladesch dabei zu helfen, seine Aufenthaltsgestattung rechtzeitig zu verlängern und die zuständige Sachbearbeiterin davon zu überzeugen, dass S. bereits vor dem Januar 2016 in die Stadt gekommen ist. Das ist wichtig für die Entscheidung, seit wann S. Anspruch auf erhöhte Leistungen nach dem Asylbewerberleisungsgesetz hat.

S. ist nicht da. Vermutlich verschlafen, weil sein Mitbewohner im Doppelzimmer seiner Gemeinschaftsunterkunft, ein afghanischer Mann um die 30, in der Nacht wieder laut Musik gehört und geweint hat.

Ich entscheide mich, während der Wartezeit die Sachbearbeiterin im Sozialamt aufzusuchen und ihr das Dokument vom Oktober 2015 vorzulegen, in dem die zentrale Ausländerbehörde S. auffordert, den angegebenen Impftermin wahrzunehmen. Das Dokument belegt seine Anwesenheit in der Stadt vor Januar 2016 und begründet einen Anspruch von S. auf die Nachzahlung der erhöhten „analogen Leistungen“. Die Sachbearbeiterin ist nicht da. Auch alle anderen Zimmer auf dem Gang sind geschlossen. Ach ja: Keine Sprechstunden am Dienstag.

Zurück zum Ausländeramt. Am Ende der Schlange entdecke ich S.. Wir beschließen, nicht zu warten (Wartezeit ca. 4 Stunden) und im Jugendamt zu fragen, ob dort Informationen über die Ankunft von S. in der Stadt vorliegen. Im Jugendamt hilft uns eine Mitarbeiterin, die Kollegin zu finden, die möglicherweise zuständig ist. Wir klopfen an die Tür ihres Amtszimmers, sie ist da, ist zuständig und hat Zeit.

Wir erklären das Problem: S. kam als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, wurde in ein Clearing-Haus eingewiesen, erhielt vom Jugendamt einen Vormund, nach einer ärztlichen Untersuchung wurde sein Alter auf 17 – 20 Jahre geschätzt, eine Behörde setzte sein Alter auf 20 Jahre fest, Konsequenz: Überweisung in die Zentrale Unterbringungseinrichtung im Januar 2016 und Verlust des Vormunds.

Unsere Frage: „Haben Sie Informationen über S. aus der Zeit, in der er vom Jugendamt finanziert und betreut wurde?“

„Ich kann Dritten keine behördeninterne Informationen geben“, sagt die junge Frau, ist aber dann doch bereit, im System nachzuschauen. Sie sagt: „Wir haben zum ersten Mal im Oktober 2015 Zahlungen für S. an den Träger des Clearing-Hauses geleistet.“ „Können Sie uns das schriftlich geben?“ Sie zögert, wir bitten und schauen lieb. Dann schreibt sie eine Bescheinigung über die Zahlungen des Jugendamts seit Oktober 2015. Wir bedanken uns. „Viel Glück“, sagt sie.

Die Schlange vorm Ausländeramt ist in der Zwischenzeit länger geworden. Wir trinken in der Cafeteria einen Tee und verabreden uns für Donnerstag 13:00 Uhr, um nach einer Marke für den Nachmittag anzustehen. Wartezeit: Vermutlich drei Stunden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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